Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gekommen, um zu bleiben

Freiburgs Stürmer Nils Petersen träumt von der WM-Teilnahme, muss sich aber vorerst bescheiden

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EPPAN (SID/dpa) - Nils Petersen saß mit seinen Kumpels aus Freiburg entspannt beim Mittagesse­n, als er beim Blick auf sein Handy kurz erschrak. Drei Anrufe in Abwesenhei­t – alle von Joachim Löw. „Ich habe nur gehofft, dass er in dieser Zeit nicht schon jemand anderen angerufen hat“, sagte der 29-Jährige – und lachte.

Für den Stürmer des SC Freiburg ist alles gut gegangen. Beim vierten Versuch konnte der Bundestrai­ner die „frohe Botschaft“überbringe­n, die Petersen immer noch wie ein Traum vorkommt. „Das ist eine wahnsinnig­e Geschichte und schon was Besonderes. Ich bin stolz darauf “, betonte Petersen am Freitag bei seinem ersten öffentlich­en Auftritt im Kreis der Fußball-Nationalma­nnschaft.

Der Torjäger ist im Trainingsl­ager in Eppan/Südtirol der einzige Neuling im vorläufige­n 27-köpfigen DFB-Kader – aber beim Kampf um die 23 Plätze für die WM in Russland (14. Juni bis 15. Juli) nicht chancenlos. „Gekommen, um zu bleiben“lautet das Motto des Freiburger­s. Löw lässt schon jetzt nichts auf seinen Überraschu­ngsgast kommen. „Mein Gefühl ist, dass er mit der Aufgabe wächst, von ihm verspreche ich mir einiges, ich traue ihm viel zu“, lobte der Bundestrai­ner.

Vier werden noch aussortier­t

Auch Manager Oliver Bierhoff, einst selbst ein Top-Angreifer, hält große Stücke auf Petersen. „Er hat eine gute Entwicklun­g hinter sich. Das war kein Geistesbli­tz von Jogi. Wir beobachten ihn schon länger“, sagte Bierhoff und würdigte den Freiburger als „wachen Spieler. Sein schnelles Denken macht ihn besonders wertvoll.“

Neben Timo Werner, der als gesetzt gilt, und Mario Gomez ist Petersen einer von drei Stürmern im DFBAufgebo­t. Er weiß, dass er sich hinten anstellen muss. Der Leipziger Werner (12 Länderspie­le/sieben Tore) habe eine „Wahnsinnss­chnelligke­it“und sei von den Gegnern kaum zu stoppen. Und Gomez, an dem er schon als Jungprofi beim FC Bayern nicht vorbeizieh­en konnte, besitze eine „wahnsinnig­e Erfahrung“, die sich in 73 Länderspie­len und 31 Toren widerspieg­elt. Gomez zeichne seine „Brecher-Qualität“aus. „Vielleicht bin ich ein Stück weit unbekümmer­ter und kann der Überraschu­ngsfaktor sein.“

Welche vier Spieler Löw bis 4. Juni aussortier­t, ist offen. „Ich habe keinem gesagt, dass er auf Bewährung hier ist, alle haben die gleichen Chancen. Jedem ist klar, dass er Gas geben muss“, unterstric­h Löw bereits. Petersen, der in Wernigerod­e im Harz groß geworden ist, hat mit 15 Toren in dieser Saison auf sich aufmerksam gemacht – und das bei einem Team, so Löw, „das wahrlich nicht in jedem Spiel wahnsinnig viele Torchancen rausspielt“. Zudem sei er „auch ein sehr, sehr guter Joker“. Petersen hat in der Bundesliga immerhin 20 Treffer erzielt, nachdem er eingewechs­elt wurde.

„Die Statistik lügt nicht. Vielleicht hat mich dieser Titel auch hierher gebracht“, sagte Petersen. Für ihn sei es wichtig, „geduldig zu bleiben. Manchmal reichen ein paar Minuten, um wichtig zu werden.“Oder sogar „um Geschichte zu schreiben“, wie es Bierhoff ausdrückte, der als Schütze des Golden Goal 1996 im EM-Finale Kultstatus erreichte. So weit ist Petersen, der 2011/12 beim FC Bayern unter Vertrag stand, noch lange nicht, auch wenn ihm sein Vater Andreas „mehr zutraut als er sich selbst. Ich habe ihm immer schon gesagt, dass er längst für die deutsche Nationalma­nnschaft spielen könnte“, sagte der 57-Jährige, den Petersen junior als „meinen engsten Vertrauten“bezeichnet.

Die Freundin war nicht begeistert

Mit der Nachricht von seiner Nominierun­g ließ Nils Petersen seinen Vater aber erst einmal zappeln. „Der wäre so euphorisch gewesen, der hätte alles herausposa­unt“, sagte er. Nur seiner Freundin Carla erzählte er frühzeitig von Löws Anruf, „die musste die Urlaubspla­nung stoppen“.

So sitzt Petersen nun gut gelaunt in Südtirol und amüsiert sich über die Frage eines kleinen Jungen, der vom Stürmer wissen wollte, ob er sich ärgern würde, nicht im Paninialbu­m vertreten zu sein. „Nein, natürlich nicht“, sagte Petersen lächelnd. Er hoffe derzeit nur, „Teil dieser Mannschaft zu werden. Vielleicht schaffe ich es dann auch irgendwann ins Paniniheft­chen.“

26 von 27 sind da: Joachim Löw kann die Vorbereitu­ng auf die WM in Russland ab sofort in fast kompletter Kaderstärk­e angehen. Am Freitag trafen Thomas Müller, Mats Hummels, Jerome Boateng, Joshua Kimmich, Niklas Süle, Marc-Andre ter Stegen und Antonio Rüdiger im Trainingsl­ager ein. Damit hat Löw 26 Spieler des vorläufige­n 27er-Aufgebots zusammen. Toni Kroos wird nach dem Champions-League-Finale mit Real Madrid heute (20.45 Uhr/ ZDF und Sky) gegen den FC Liverpool kommende Woche zum Team stoßen. Bis 4. Juni muss Löw seinen Kader auf 23 Spieler verkleiner­n.

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FOTO: AFP Macht die Kinder glücklich: Nils Petersen beim Autogramme­schreiben in Südtirol.

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