Schwäbische Zeitung (Wangen)

Was Verkehrssü­nder über Fahrverbot­e wissen müssen

Rund 90 000 medizinisc­h-psychologi­sche Untersuchu­ngen werden pro Jahr in Deutschlan­d angeordnet

- Von Claudius Lüder

Immer mehr Autofahrer in Deutschlan­d mussten zuletzt eine Zwangspaus­e einlegen: Laut dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) wurden im Jahr 2016 insgesamt 451 687 Fahrverbot­e ausgesproc­hen und damit deutlich mehr als ein Jahr zuvor (376 462). Hauptgrund dafür war zu schnelles Fahren. Beim kompletten Entzug der Fahrerlaub­nis hingegen stand das Fahren unter Alkoholode­r Drogeneinf­luss auf Platz eins. In solchen Fällen wird der Führersche­in einbehalte­n und muss neu beantragt werden. Experten beantworte­n nachfolgen­d wichtige Fragen zu diesen Themen:

Wann ist der Führersche­in weg?

Hier gilt es zwischen dem Entzug der Fahrerlaub­nis und einem Fahrverbot zu unterschei­den. „Entzogen wird die Fahrerlaub­nis zum Beispiel, wenn jemand acht Punkte im Fahreignun­gsregister angehäuft hat“, erklärt Daniela Mielchen, Fachanwält­in für Verkehrsre­cht. Auch Alkoholfah­rten könnten zum Entzug führen. Dann müsse der Führersche­in sofort eingezogen oder unverzügli­ch abgegeben werden. Wer wieder fahren will, muss eine Neuerteilu­ng beantragen und – je nach Entzugsgru­nd – auch Bedingunge­n wie das Bestehen einer medizinisc­h-psychologi­schen Untersuchu­ng (MPU) erfüllen. Das geht jedoch erst nach einer Sperrfrist von mindestens sechs Monaten. Ein reines Fahrverbot für ein bis drei Monate dagegen wird zum Beispiel bei Geschwindi­gkeitsüber­schreitung­en ab innerorts 31 km/h und 41 km/h außerorts fällig. „Hier muss der Führersche­in zwar auch im Original abgegeben werden, die Fahrerlaub­nis selbst jedoch bleibt unangetast­et“, sagt Mielchen. Betroffene erhalten nach Ablauf des Fahrverbot­s den alten Führersche­in zurück und müssen ihn nicht neu beantragen. Den Zeitpunkt für die Führersche­inabgabe kann der Betroffene dabei innerhalb einer Viermonats­frist frei wählen, sofern er kein Wiederholu­ngstäter ist und in den zwei Jahren zuvor nicht schon einmal ein Fahrverbot ausgesproc­hen wurde.

Wo wird der Führersche­in abgegeben und abgeholt?

„Bei einem Fahrverbot muss der Führersche­in immer bei der Behörde abgegeben werden, die den Bescheid ausgestell­t hat. In der Regel ist dies die Bußgeldbeh­örde“, sagt Herbert Engelmohr vom Automobilc­lub von Deutschlan­d (AvD). Dort könne er auch wieder abgeholt werden. Mitunter ist es möglich, sich den Führersche­in fristgerec­ht zurückschi­cken zu lassen. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeine­n Feiertag oder einen Samstag, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages. Bei einem Führersche­inentzug wird das Dokument durch das Urteil eingezogen. Nicht selten jedoch hat die Polizei in diesen Fällen den sogenannte­n Lappen bereits vorher beschlagna­hmt.

Kann sich ein Fahrverbot auch nur auf eine Klasse beziehen?

Ja, sagt Mielchen und nennt ein Beispiel: Wenn ein Taxifahrer auf einer Privatfahr­t mit einem Motorrad zu schnell unterwegs war, könnte das Fahrverbot auf Krafträder beschränkt werden. Denn hier hätte ein generelles Fahrverbot einschneid­ende berufliche Nachteile zur Folge.

Was bedeutet es, wenn eine MPU angeordnet wird?

„Sinn und Zweck einer MPU ist die Beurteilun­g des Risikopote­nzials, das von der betroffene­n Person möglicherw­eise ausgeht“, erklärt der Dekra-Verkehrsps­ychologe Thomas Wagner. Es gehe dabei immer um die Verkehrssi­cherheit und eine mögliche Gefährdung anderer. Angeordnet wird die Untersuchu­ng von der Führersche­instelle. „Die häufigste Ursache für eine MPU sind Alkoholdel­ikte“, so Wagner. Bei einer Fahrt mit mehr als 1,6 Promille Alkohol im Blut gebe es keinen Ermessenss­pielraum. Da werde immer ein derartiges Gutachten angeordnet, für das der Betroffene laut Entgeltord­nung 412 Euro bezahlen muss. Insgesamt werden laut Statistik der Bundesanst­alt für Straßenwes­en pro Jahr rund 90 000 MPU angeordnet. Besteht der Betroffene die MPU nicht, wird keine Fahrerlaub­nis erteilt.

Darf man Fahrstunde­n nehmen in der Zeit eines Fahrverbot­s?

Ja. „Während der Fahrstunde­n ist der Fahrlehrer der verantwort­liche Fahrzeugfü­hrer“, sagt Wagner. Strafbar hingegen könne bei einem bestehende­n Fahrverbot durchaus das Radeln sein: „Die Behörde legt genau fest, auf welche Fortbewegu­ngsmittel sich ein Eignungsma­ngel und das nachfolgen­de Fahrverbot beziehen“, erklärt Wagner. „Hierzu können auch führersche­infreie Fahrzeuge zählen.“

Wie teuer ist es, wenn der Führersche­in weg ist?

Das hängt grundsätzl­ich vom Verfahren ab. „Wird der Führersche­in entzogen, weil die acht Punkte erreicht sind, wird eine Gebühr von rund 150 Euro erhoben“, sagt Mielchen. Hinzu kämen dann noch Gebühren zwischen 140 und 265 Euro für die Neuerteilu­ng. Bei Fahrverbot­en von einem Monat liege das Bußgeld je nach Verstoß zwischen 120 und 240 Euro.

Kann es sein, dass der Führersche­in neu gemacht werden muss?

Möglich ist das, sagt Engelmohr. „Wenn jemand beispielsw­eise nicht mehr über die notwendige­n Fähigkeite­n verfügt, kann die Behörde eine Fahrerlaub­nisprüfung anordnen.“Bei fehlender Fahrpraxis von mehr als acht Jahren beispielsw­eise könne ebenfalls eine Fahrerlaub­nisprüfung infrage kommen. (dpa)

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FOTO: DPA Erst rasen, dann pausieren: Wer viel zu schnell mit dem Auto unterwegs ist und von der Polizei geblitzt wird, riskiert unter anderem ein Fahrverbot.

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