Der Alpenverein wächst und wächst und wächst
Warum der DAV Wangens zweitgrößter Verein ist – Zwei Vorstände im Gespräch
WANGEN - In Zeiten vielfacher Stagnation oder gar zunehmenden Desinteresses am aktiven Engagement im Vereinsleben, lässt sich beim Deutschen Alpenverein (DAV) seit längerem ein gegenläufiger Trend feststellen: Der Verein wächst und wächst und wächst. Auch in Wangen. Längst ist die 3000-Mitglieder-Marke geknackt worden und ein Ende dieses Trends ist nicht abzusehen. Die Wangener DAV-Sektion ist damit – nach dem „Platzhirsch“MTG mit ihren zahlreichen Sparten – mit Abstand der zweitgrößte Verein innerhalb der Stadtgrenzen. Das hat Gründe, wie Benedikt Sigg und Jürgen Woidschützke vom fünfköpfigen Vorstandsteam an der Sektionsspitze im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“erläutern.
Bei den jüngsten Wangener Welten waren sie in der Lothar-WeißHalle nicht zu übersehen: die grün gekleideten Sektionsmitglieder mit ihrem auffälligen Stand. Zumal Interessierte an der dortigen Kletterwand probeweise hoch hinaus (klettern) konnten. Hoch hinaus wächst aktuell auch der Wangener DAV selbst, gemessen an den stetig steigenden Mitgliederzahlen. 3000 waren es im Dezember 2016, und seit der Leistungsschau dürften es mehr als 3300 sein, sind sich Benedikt Sigg und Jürgen Woidschützke sicher.
200 Neumitglieder jährlich
Damit liegen die Wangener Bergfreunde im allgemeinen, bundesweiten Trend des DAV – nur in ausgeprägterer Form. Denn die von den beiden Vorständen geschätzte Zahl von rund 200 Neumitgliedern jährlich liegt prozentual noch über dem durchschnittlichen bundesweiten Zuwachs. Laut DAVHomepage betrug dieser im Jahr 2017 bei 4,5 Prozent bei insgesamt mehr als
1,2 Millionen Mitgliedern.
Benedikt Sigg, in der Wangener DAV-Führung für den Bereich Klettern und Inventar zuständig, und Jürgen Woidschützke, der sich um Jugend und IT kümmert, nennen Gründe. Und die liegen auch in persönlicher Natur. Sigg zum Beispiel war früher begeisterter Fußballer. Aber das straffe Zeitkorsett mit fest gelegten Trainingszeiten unter der Woche und Spielen am Wochenende ließen ihn letztlich die Fußballschuhe an den Nagel hängen. Sportlich aktiv ist er stattdessen weiter im DAV. Weil er dort keinen „Leistungsdruck“spürt. Und weil „du dein eigener Herr bist und selbst entscheiden kannst, was du machen willst“. Dahinter steckt also der spürbare Trend zum Individuellen.
Flucht aus dem Alltag
Jürgen Woidschützke ist sich sicher, dass der DAV auch mit seinem Angebot auf der Welle des Zeitgeists reitet: dem Wunsch nach Flucht aus dem Alltag und dem damit verbundenen Drang in die Natur. „Das ist ein großer Aspekt“, sagt er und verweist auf das umfangreiche Tourenprogramm. In diesem Jahr stehen in dieser Kategorie mehr als 90 Angebote an. Und die sind vielfach sehr beliebt, wie Sigg ergänzt. Als Ende 2017 das aktuelle Jahresprogramm herauskam, sei der Server überlastet gewesen, über den Sektions-Homepage läuft. Und der im Oktober anstehende Kletterkurs sei beispielsweise längst ausgebucht.
Apropos Klettern: Diesem Trendsport trägt der ebenfalls DAV Rechnung. „Überall sprießen ja Kletterhallen aus dem Boden“, stellt Benedikt Sigg fest. Und der DAV Wangen bietet kostenloses Klettern an und hat mit seiner geplanten entsprechenden Anlage ebenfalls Großes vor (die SZ berichtete). Das locke vor allem junge Leute. Und in der Tat zeigt der Blick auf die bundesweite DAV-Statistik: Rund 24 Prozent der Mitglieder sind jünger als 26 Jahre. Zum Vergleich: Der Anteil der Generation Ü60 liegt bei etwa 18 Prozent.
Magnet für junge Leute
Der DAV boomt also und ist auch Magnet für junge Leute. Und gleich welchen Alters werden die Menschen nicht nur durch die sportlichen und ausbildungstechnischen Angebote angezogen, sondern auch durch andere, ebenfalls sehr praktische, wie Sigg und Woidschützke durchaus zugeben: „Wir bieten einen Super-Versicherungsschutz“, sagt Woidschützke. Dazu gebe es Mitgliedervergünstigungen für das weit verzweigte Hüttennetz in den Bergen, auch in Österreich und der Schweiz. Für 51 Euro pro Jahr.
Dabei sind die steigenden Mitgliederzahlen beileibe kein Selbstzweck, erklären die beiden Vorstände. Man wolle, dass die Leute gut ausgebildet in die Berge gehen. Deshalb gebe es diverse Ausbildungsangebote. Und auch dem Naturschutz hat sich der DAV verschrieben. Vergangenen Herbst habe es eine Aktion gegeben, die auf höheren Bissschutz an Weißtannen abzielte, berichtet Jürgen Woidschützke. Zudem schärfe man den Mitgliedern ein, bei ihren Touren den Müll mitzunehmen. Außer Frage stehe da die regelmäßige Teilnahme an der Wangener Markungsputzete.
Der Boom stellt den Wangener DAV aber auch vor Herausforderungen: „Wir mussten unsere Strukturen anpassen“, sagt Woidschützke mit Verweis auf die Geschäftsstelle am Metzigbach. Darüber hinaus wünscht er sich eine größere Zahl an Tourenleitern, um die Nachfrage besser abdecken zu können. Derlei Dinge dürften andere Vereine, mit Verlaub, aber eher als Luxusprobleme ansehen.