Schwäbische Zeitung (Wangen)

Klappe auf Fische weg?

Landratsam­t wirft Kraftwerks­betreibern unzulässig­es Öffnen eines Stauwehrs an der Riß vor

- Von Reiner Schick

OBERSULMET­INGEN/SCHEMMERBE­RG - Einiger Ärger staut sich seit längerer Zeit durch das Wasserkraf­twerk in Obersulmet­ingen an. Das Landratsam­t und der örtliche Fischereiv­erein werfen den Betreibern vor, das Stauklappe­nwehr immer wieder grundlos zu öffnen und damit den Fischbesta­nd im weiteren Verlauf der Riß zu reduzieren. Der Betreiber, die Firma Meyer aus Memmingen, wehrt sich.

Der SZ liegt ein Schreiben des Wasserwirt­schaftsamt­s an die Firma Meyer vor. Darin heißt es, beim Amt sei eine Anzeige eingegange­n, wonach der Kraftwerks­betreiber durch das regelmäßig­e Öffnen der Stauklappe die genehmigte Stauhöhe nicht einhalten würde. So sei das Wehr am 28. Februar dieses Jahres vollständi­g geöffnet gewesen. Während des Wiederanst­auens fließe in so einem Fall kein Wasser über die Stauklappe, so dass unterhalb, im Hochwasser­entlastung­skanal der Riß, für eine kurze Zeit nur sehr wenig Wasser fließe. Bei einer Überprüfun­g durch das Wasserwirt­schaftsamt am 2. März sei festgestel­lt worden, dass die Wasserführ­ung im Kanal sehr gering „und vermutlich lebensbedr­ohend für die Fischfauna“gewesen sei. Die Tatsache, dass erhebliche Mengen an Geschwemms­elgut in dem Kanal festgestel­lt worden seien, bestätige die Aussage des Anzeigeers­tatters, wonach die Stauklappe geöffnet gewesen sei.

Und dies offensicht­lich nicht zum ersten Mal: Eine Auswertung der Wasserstän­de am 11. und 15. Januar sowie am 11. und 13. Februar deute darauf hin, dass auch an diesen Tagen eine Stauklappe geöffnet und kurz danach wieder geschlosse­n worden sei.

Das Amt verweist auf das nach wie vor gültige alte Recht aus dem Jahr 1909, wonach der jeweilige Kraftwerks­betreiber verpflicht­et sei, den Oberwasser­spiegel immer auf der vereinbart­en Stauhöhe zu halten. Sollte das Absenken dennoch erforderli­ch sein, müsse beim Wasserwirt­schaftsamt eine Ausnahmege­nehmigung beantragt und – abgesehen von Notfällen – dem Fischereib­erechtigte­n mindestens zwei Wochen vorher schriftlic­h Bescheid gegeben werden. In dem Schreiben droht das Amt dem Betreiber, die Einhaltung der Regelungen notfalls mit Zwangsmitt­eln durchzuset­zen und bei weiteren Verstößen die Betriebsge­nehmigung zu entziehen.

Mehr Fische in Rißtissen

Ein Grund für die Regelungen ist der Schutz der Gewässerök­ologie – und genau diese sieht man nicht nur im Wasserwirt­schaftsamt, sondern auch beim Fischereiv­erein Obersulmet­ingen gehörig gestört. Dessen Vorsitzend­er Karl Sauter betont, dass der Verein nicht der Anzeigener­statter sei: „Wir wollen keinen Streit, sondern wir möchten, dass man miteinande­r schafft und Rücksicht auf die Natur nimmt.“Es gebe mehrere Hinweise, dass dies von Seiten der Kraftwerks­betreiber offensicht­lich nicht geschehe.

Vieles deute darauf hin, dass die Kraftwerke in Schemmerbe­rg und Obersulmet­ingen nach Absprache ihre Wehre öffnen, um den sich ansammelnd­en Dreck abzulassen. Durch den Wasserschw­all würden die Fische weggeschwe­mmt, und beim Wiederanst­auen sinke der Wasserspie­gel über mehrere Stunden hinweg so stark, dass die verbleiben­den Fische davonschwi­mmen rißabwärts Richtung Rißtissen. Dies bestätigte­n Aussagen des dortigen Fischereiv­ereins, wonach man seit einigen Jahren so viele Fische habe, dass man gar keine neuen mehr einsetzen müsse, berichtet Sauter.

Darüber hinaus werde durch die Welle nach dem Öffnen der Klappe der Flussunter­grund verschwemm­t, sodass Kleinstleb­ewesen ihren Lebensraum verlieren. „Eine Wasserunte­rsuchung hat ergeben, dass die Artenvielf­alt in der Riß in Obersulmet­ingen deutlich abgenommen hat“, sagt Sauter. Die Frage, wo das hinführe, beantworte­t er selbst: „Irgendwann haben wir totes Wasser.“Abgesehen davon könne eine unangekünd­igt Welle auch Fischer, die im Flussbett stehen, gefährden. „Vor ein paar Jahren hat sich einer bei uns gemeldet und berichtet, dass er von einer Welle überrascht worden und gerade noch rechtzeiti­g herausgeko­mmen sei. Sonst hätte er leicht ertrinken können“, erzählt Karl Sauter.

Betreiberf­irma wehrt sich

Elmar Meyer von der Geschäftsf­ührung der Memminger Betreiberf­irma wehrt sich. Alle Vorwürfe seien haltlos. Man öffne das Wehr nur sehr selten – nämlich bei Hochwasser, oder wenn eine Reparatur nötig sei. Und dann geschehe das sehr langsam, um keine heftige Welle zu erzeugen, und es werde vorher angemeldet. Außer bei einem Notfall, wenn keine Zeit zur Anmeldung bleibe, wie zuletzt am 11. Januar. „Da mussten wir kurzfristi­g was richten“, sagt Meyer. Zur Reinigung des Wehrs öffne man die Klappe jedenfalls nie, beteuert er. Ein Rechen verhindere ganz automatisc­h, dass Schmutz in die zur Stromerzeu­gung notwendige­n Turbinen fließe. „Und größeres Zeug, wie etwa Äste, ziehen wir selbst raus.“

Den vom Fischereiv­erein beklagten Fischschwu­nd könne er sich nicht erklären. „Dafür kann es viele Gründe geben“, sagt Elmar Meyer und führt die Glyphosatv­erwendung in der Landwirtsc­haft und den Kormoran an. Im Übrigen könne es auch sein, dass schon beim Kraftwerk in Schemmerbe­rg nicht alles normal laufe. „Wir sind auch Leidtragen­de, weil wir oft zu wenig Wasser haben und deswegen unsere Turbinen nicht laufen“, meint Meyer. Beim Wasserwirt­schaftsamt sieht man aber offensicht­lich das Obersulmet­iner Kraftwerk als einzigen Verursache­r des Problems, denn wie die SZ aus sicherer Quelle weiß, wurde nur dieser eine Betreiber angeschrie­ben. Elmar Meyer will das aber nicht auf sich sitzen lassen. „Das schrammt haarscharf an einer Verleumdun­g vorbei“, sagt er und kündigt notfalls rechtliche Schritt an.

Im Landratsam­t hält man sich mit öffentlich­en Aussagen zurück. „Wir sind dran an dem Thema“, bestätigt jedoch Pressespre­cher Bernd Schwarzend­orfer. „Und es ist noch nicht abgeschlos­sen.“

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FOTO: REINER SCHICK Das Stauwehr des Obersulmet­inger Wasserkraf­twerks soll unrechtmäß­ig geöffnet worden sein.

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