Fronleichnam – Das Holi-Festival der Christen?
Holi ist das indische Frühlingsfest, das auch als Fest der Farben bekannt ist. Bei diesem Fest wird ausgelassen gefeiert. Die Feiernden besprengen und bestreuen sich gegenseitig mit gefärbtem Wasser und Pulver. Findige Event-Organisationen haben dieses ursprünglich hinduistische Fest entdeckt und bieten es nun auf kommerzieller Basis als Musikfestival auch in westlichen Ländern an. Viele Menschen zieht ein Holi-Festival an, weil es ein Fest ist, das alle Sinne anspricht.
Ich liebe Fronleichnam, weil es ein Fest für alle Sinne ist. Farbenfrohe Blumenteppiche, goldene Monstranzen und prächtige Baldachine sprechen die Augen an. Die Musikstücke der Musikkapellen und die Gesänge sind etwas für die Ohren. Weihrauch und duftende Blumen gehen in die Nase.
Dabei wird an diesem Festtag etwas gefeiert, was den menschlichen Sinnen vollkommen entzogen ist. In der Hostie ist Jesus Christus selbst gegenwärtig. Das kann kein Sinnesorgan erfassen. Der große mittelalterliche Theologe Thomas von Aquin hat das in der fünften Strophe seines Hymnus „Pange lingua“, der zu einem regelrechten „Fronleichnams-Hit“wurde, treffend auf den Punkt gebracht: „Was die Sinne nicht erreichen, nehme doch der Glaube an“(deutsche Übersetzung, s. Got- teslob 493). Trotzdem finde ich es sehr schön, dass die katholische Kirche den „sinnlichen Weg“gewählt hat, um sich dieses Geheimnisses unseres Glaubens zu nähern.
Ein Mensch, der noch nie eine Fronleichnamsprozession gesehen hat und auch nicht weiß, was dort gefeiert wird, würde vermutlich nicht sofort darauf kommen, dass das kleine Stück Brot im Mittelpunkt steht. Die Aufmerksamkeit wird schnell auf andere Dinge gerichtet. Auch die oft vergoldete, prächtige Monstranz findet häufig mehr Beachtung als die helle Hostie in ihrem Zentrum. Die Fronleichnamsprozession darf man allerdings nicht als eine große Ablenkung vom Eigentlichen verstehen, sondern vielmehr als eine aufwendig gestaltete „Verpackung“um das kleine Stück Brot. Wertvolle Gegenstände, wie das Schmuckstück der Großmutter, wickelt man auch nicht in ein Butterbrotpapier ein, sondern bewahrt es in einer schönen Schmuckschatulle auf. In der Hostie ist Jesus, sie zeigt, dass er mitten unter uns ist und alle Wege mit uns geht. Für einen solchen „Inhalt“ist eine prunkvolle Fronleichnamsprozession genau die passende „Verpackung“.
Michael Maier, Pastoralassistent in der Seelsorgeeinheit Wangen