Schwäbische Zeitung (Wangen)

Schlossglo­cken erklingen wieder an Fronleichn­am

Klang erinnert auch an wechselvol­le Geschichte

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KISSLEGG (sz) - Bei der Prozession zu Fronleichn­am in Kißlegg werden die Glocken auf dem Neuen Schloss zum ersten Mal wieder zu hören sein. Dass es sich hier um „besondere Glocken“handelt, hat Ortsheimat­pfleger Heinz Linder bei seinen Recherchen herausgefu­nden.

Wie aus einer Pressemitt­eilung der Gemeinde hervorgeht, wurde die obere Glocke mit Madonna und Renaissanc­eornament offenbar noch während des 30-jährigen Krieges, Anno 1643, von Peter Ernst in Lindau gegossen. Die untere, größere und mit dem alten Waldburg’schen Wappen versehen, stammt aus dem Jahr 1656. Beide dienen der Schlosskap­elle und waren vermutlich schon auf dem Vorgängers­chloß angebracht. Einen Beweis hierfür gibt es aber bislang nicht.

Im zweiten Weltkrieg hätte fast das letzte Stündlein für die Glocken geschlagen, geht aus der Mitteilung weiter hervor. So wurde das Bischöflic­he Ordinariat am 28. März 1940 aufgeforde­rt, „zur Schaffung einer Metallrese­rve“alle Glocken zu erfassen. Der damalige Pfarrer Emil Wahr kam dieser Aufforderu­ng am 6. August 1941 nach. Gemäß den vorhandene­n Meldebögen wurden die Kißlegger Glocken am 25. März 1942 abtranspor­tiert, darunter auch die beiden Glocken vom Schloss.

In den ersten Monaten des Jahres 1947 tauchte dann das Gerücht auf, es seien nicht alle Glocken eingeschmo­lzen worden. Die historisch und künstleris­ch wertvollen würden auf dem Glockenfri­edhof in Lünen in Westfalen liegen. Eingehende Nachforsch­ungen ergaben schließlic­h, dass dort auch einige Glocken aus Kißlegg lagerten. Nach langen Vorbereitu­ngen und nachdem die not- wendigen Mittel an Geld und „Kompensati­ons-Gütern“wie Butter, Käse, Kartoffeln und Obst durch Sammlungen und Spenden beschafft worden waren, machte sich der beauftragt­e Fuhruntern­ehmer Merk aus Reichenhof­en mit Reiseleite­r Alfons Paulmichel am 18. Dezember 1947 mit einem Lastwagen auf den Weg ins Westfalen-Land. Am 22. Dezember traf die ersehnte Fracht in Kißlegg ein.

Die Kunde, „die Glocken sind da“, verbreitet­e sich in

Windeseile in der ganzen Gemeinde. Bereits wenige Tage später wurden die Glocken von Schlosserm­eister Hepp und Zimmermeis­ter Welte montiert und von der Schuljugen­d hoch gezogen. Zum Jahreswech­sel verabschie­deten sie das alte Jahr und läuteten buchstäbli­ch das neue ein.

Eine besondere Aufgabe erfüllten die Glocken des Neuen Kißlegger Schlosses am 29. Februar 1960. Sie läuteten während der notarielle­n Beurkundun­g des Kaufvertra­gs zwischen Fürst Georg von WaldburgZe­il und der Gemeinde, die in feierliche­m Rahmen im Esthersaal des Schlosses stattfand und verkündete­n, dass das Schloss und der Schlosspar­k in das Eigentum der Gemeinde Kißlegg übergegang­en seien und neues Leben wieder in das Schloss einkehren solle. Am Fronleichn­amstag erinnert der Klang der beiden Glocken auf dem Bürgerschl­oß also immer auch an die wechselvol­le Geschichte – der Glocken und der Gemeinde Kißlegg.

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FOTO: GEMEINDEVE­RWALTUNG Bis nach Westfalen sind diese Glocken auf dem Kißlegger Schloss schon gereist.

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