Dorfläden Schomburg feiern Zehnjähriges
Die Dorfläden Schomburg bestehen seit zehn Jahren – Eine (Zwischen-)Bilanz
Die Vorstände sehen die Genossenschaft auf einem guten Weg.
SCHOMBURG - Im Frühsommer 2007 standen die beiden Wangener Ortschaften Haslach und Primisweiler nahversorgungstechnisch vor dem Nichts: Die bis dahin bestehenden Edeka-Märkte hatten geschlossen, für Einkäufe mussten die Bürger fortan Wege in die Nachbarorte oder nach Wangen auf sich nehmen. Aus diesem Engpass heraus entwickelte sich in der Ortschaft Schomburg die Idee, die Einkaufsmöglichkeiten selbst in die Hand zu nehmen. Das Ergebnis waren die Dorfläden Schomburg mit ihren zwei Geschäften. In diesen Tagen gibt es die Läden seit zehn Jahren, getragen von einer Genossenschaft, die damals in der hiesigen Region Modellcharakter hatte. Zeit für eine (Zwischen-)Bilanz.
Es ist einer der vielen sonnigen Frühlingsabende in diesem Mai, als die drei Vorstände Jörg Endraß, Kay Friedrich und Uli Patzig rund um den kleinen Holztisch vor dem Dorfladen Primisweiler Platz nehmen und über die Entwicklungen der vergangenen zehn Jahre sprechen. Das Geschäft hat längst geschlossen, Feierabendzeit eben.
Da fährt ein Kleinwagen vor, eine ältere Frau steigt aus, greift sich einige der Blumenpflanzen aus dem vor der Tür stehenden Regal und erklärt mit freundlichem Gesicht: „Die brauchen wir morgen in Haslach.“Uli Patzig dreht sich um, begrüßt die Frau und sagt begeistert: „Das ist alles andere als selbstverständlich.“
Über 75 sei sie, und dennoch arbeite sie auf 450-Euro-Basis für die Läden. „Ich mach’s gern“, sagt die Seniorin, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, steigt wieder ins Auto und fährt nach Haslach.
Die Anekdote passt zum Charakter der Genossenschaft, finden die drei Vorstände. Sie stehen für das, was die Dorfläden ausmacht – abgesehen davon, dass sie seit rund zehn Jahren den Bürgern in der Ortschaft Einkaufsgelegenheiten bieten: Zusammenhalt, ein Stück Gemeinschaft im und für die Orte und der soziale Gedanke.
Zunächst „Notversorgung“organisiert
Als die Seniorin den Motor startet, hakt Kay Friedrich ein: „Wir müssen immer Leute finden, die es gern machen.“Aktuell gehören zu diesem Kreis – neben den drei Vorständen und acht Aufsichtsräten – neun Mitarbeiter und ein bunter Kreis von rund 70 Ehrenamtlichen. Und ohne die ginge nichts, betonen Endraß, Friedrich und Patzig unisono.
Das ist heute so, galt aber für die Aufbau- und Anfangszeit umso mehr. Jörg Endraß, einer der Genossenschaftsgründer, weiß noch gut um die vor gut zehn Jahren zu überwindenden Hürden. Damals war er Schomburger Ortsvorsteher, und logischerweise liefen deshalb viele Fäden bei dem Biolandwirt zusammen.
Nachdem die beiden Edeka-Geschäfte im Frühsommer 2007 geschlossen hatten, „war erst mal ein Vakuum“, erzählt er. An Verkaufsständen wurde eine Art örtliche „Notversorgung“organisiert. Gespräche mit Lebensmittelketten scheiterten. Deren Betriebswirtschaftler winkten ab: Die leer stehenden Ladenlokale waren ihnen vermutlich zu klein, und die nächsten Supermärkte lagen zwar andernorts, waren dann aber doch wieder zu nah. Und in der Rückschau weiß Patzig: „Ohne Ehrenamt kommt bei uns eine Umsatzrendite raus, die deutlich unter dem liegt, was die sich vorstellen.“
Was folgte, waren Infofahrten zu einer Genossenschaft bei Tübingen, zwei bestens besuchte Informationsveranstaltungen in den Orten und letztlich der Plan, eine eigene Genossenschaft als Träger zu gründen. Bei den Weihnachtsmärkten in Haslach und Primisweiler gingen erste Anteile raus. „Und dann sind wir von Haus zu Haus“, erinnert sich Endraß. Am 18. Januar 2008 gründeten 192 Anteilszeichner die „Dorfläden Schomburg eG“– ein Startkapital von rund 70 000 Euro stand.
Seither bieten die Dorfläden die Grundversorgung. Im Laufe der Zeit ergänzt durch Zusatzangebote wie die Lottoannahme und seit vergangenem Sommer auch den Geldautomaten der Kreissparkasse in Primisweiler, dazu noch die Brief- und Paketstelle, alles in der Hoffnung, dass dadurch der eine oder andere zusätzlich zum Einkaufen kommt.
Kinder, Handwerker, Lkw-Fahrer
„Wir besetzen eine wichtige Nische für die Dörfer“, sagt Jörg Endraß. Großeinkäufe seien zwar selten, ergänzt Susanne Groß, seit fünf Jahren Geschäftsführerin. Aber manch ein Bürger aus Primisweiler und Haslach erledige dann doch seine kompletten Einkäufe in den Dorfläden, vor allem Alleinstehende.
Dazu kommen Sondereffekte. „In Haslach ist der Laden ganz wichtig fürs Heim“, findet Endraß und meint damit die benachbarte Behinderteneinrichtung St. Konrad. Auch Kinder kämen in Ferienzeiten gern und oft vorbei, und für Handwerker und durchreisende Brummifahrer hätten sich die in den jeweiligen Ortsdurchfahrten gelegenen Läden mehr und mehr zu einem „Anlaufpunkt“entwickelt, weiß Kay Friedrich.
Der Weg dahin war mitunter steinig oder, wie es Uli Patzig ausdrückt: „Wellenartig.“Anfangs gab es schnelle Wechsel in der Geschäftsführung, immer wieder aber auch beim weiteren Personal, und zwischendrin lagen wirtschaftlich „mindestens zwei Krisenjahre“mit roten Zahlen, erzählt der Vorstand.
Die Gründe dafür sieht das Führungstrio im Rückblick vielschichtig und durchaus selbstkritisch: Weil man sich laut Friedrich „nicht traute“, Preiserhöhungen und Lohnerhöhungen zeitig an die Kunden weiterzugeben, sank die Handelsspanne. Auch machte die Einführung des Mindestlohns zu schaffen. Hinter dem steht der Vorstand inhaltlich zwar aus Überzeugung, aber, so Kay Friedrich: „Das sind 7000 Euro, die muss man erst mal wieder reinschaffen.“
Dazu kommt die Sondersituation, gleich zwei Läden am Leben erhalten zu wollen. Sie bedeuten zweifache Miete und doppelt so viele Personalkosten. Einen der beiden Standorte aufzugeben, kam für die Führungsmannschaft aber nie in Frage: „Dann wäre das ganze Konzept zusammengefallen“, glaubt Uli Patzig.
„Leute zum Nachdenken gebracht“
Ergo ging man in sich. „Hausaufgaben“im (ehrenamtlichen) Controlling standen an, Stromtarife wurden gewechselt, mit Lieferanten wurde verhandelt und das „Personal knapp gefahren“, wie Jörg Endraß erzählt. „Wir haben uns überlegt: Wann brauche ich in einem Laden wirklich zwei Leute?“, ergänzt Patzig. Dazu kamen Werbemaßnahmen: Einkaufsbarometer zeigten in den Läden stets aktuell an, wieviel Umsatz im Jahr noch zum Überleben nötig ist. Auch wurden die Kunden dazu animiert, bei jedem Besuch fünf Prozent mehr einzukaufen, auch dank Erhebungen, die von der preislichen Konkurrenzfähigkeit ihrer Produkte überzeugen sollten. „Die Krisen haben die Leute zum Nachdenken gebracht“, so Endraß. Nachdenken über die Frage: Wie wäre es ohne die Dorfläden?
Heute sehen die Vorstände die Genossenschaft auf einem guten Weg. Das sagen Endraß, Friedrich und Patzig gar nicht mal sonderlich offensiv. Nur soviel: „Die Reformen greifen.“Aber aktuell 410 Mitglieder, die 520 Anteile halten, haben Aussagekraft. Und stolz, bis zum Jubiläumsjahr stets ohne langfristige Verbindlichkeiten ausgekommen zu sein, sind sie ohnehin. Dazu ist der Umsatz im zurückliegenden Geschäftsjahr auf knapp unter 700 000 Euro angestiegen. Zum Gewinn schweigt sich das Trio zwar noch aus. Aber ein Bonbon wollen sie den Mitgliedern im Vorfeld der Generalversammlung am Mittwoch doch mit auf den Weg geben: „Es war unser bestes Jahr.“
Weitere Informationen unter: www.schomburgerladen.de