Kultur für alle, 15 Museen für Frankfurt
Der Kulturpolitiker Hilmar Hoffmann ist im Alter von 92 Jahren gestorben
FRANKFURT (dpa) - Hilmar Hoffmann war einer der profiliertesten Kulturpolitiker Deutschlands. Seiner Wahlheimat Frankfurt hinterließ er das Museumsufer, der Welt den Schlachtruf „Kultur für alle!“. Am Freitagabend brach er auf dem Weg ins Krankenhaus tot zusammen. Er wurde 92 Jahre alt. Die Bundesrepublik verliere mit Hoffmann „einen ihrer prägendsten und erfolgreichsten Kulturpolitiker, den das Land hatte“, erklärte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) in Berlin.
„Das himmlische Konto scheint weit überzogen“, sagte Hilmar Hoffmann kurz vor seinem 90. Geburtstag. Da saß er noch immer täglich am Schreibtisch. Der Wahlfrankfurter war weit mehr als einer der bekanntesten Kulturpolitiker Deutschlands. Er war ein Begeisterer und Überzeuger, ein Kämpfer und Visionär.
20 Jahre lang prägte er als Kulturdezernent Frankfurt. Fast zehn Jahre lang war er Präsident des Goethe-Instituts. Er schrieb an die 50 Bücher und hatte mit dem Wahlspruch „Kultur für alle!“1979 eine wegweisende Parole ausgegeben.
Kultur sah er als „Lebenselixier“, man brauche sie, „um ein ganzer Mensch zu werden“, sagte er in einem seiner letzten Interviews. Frankfurt machte er zwischen 1970 und 1990 zu einer Kulturmetropole. Die Stadt emanzipierte sich vom Image der kalten Geldstadt, erbte aber auch Folgekosten, die den Haushalt bis heute belasten.
In seiner Amtszeit eröffneten Museen wie am Fließband, 15 an der Zahl. Nicht nur die bildende Kunst fand er museumsreif, er gründete das erste Filmmuseum, das erste Architekturmuseum, das erste jüdische Museum Deutschlands. Hoffmann war ein Marketing-Genie, wenn er etwas wollte, bekam er es meistens auch.
Bevor er Frankfurt umbaute, hatte er Oberhausen aufgemischt. Um an die Bergarbeiter heranzukommen, erzählte er, habe er ein Buch über Brieftauben geschrieben, damals das beliebteste Hobby der Kumpels. In Frankfurt klapperte er die Künstlerateliers ab und richtete einen wöchentlichen Stammtisch ein. „So wurde ich ,der Hilmar’.“
„Der Hilmar“war gebildet, aber nicht eingebildet. Und er hatte kein elitäres Kunstverständnis. Als er nicht mehr so gut zu Fuß war, entspannte er sich abends bei Fernsehkrimis, ohne sich dessen zu schämen. In seiner aktiven Zeit stockte er die Förderung für die freie Szene auf, gründete die Off-Spielstätte Mousonturm, eröffnete Stadtteilbibliotheken, Musikschulen und Bürgerhäuser.
Gründer der „Stiftung Lesen“
Am Schauspiel Frankfurt führte er in den 1970er-Jahren ein Mitbestimmungsmodell ein: Der Intendantenposten wurde abgeschafft, Entscheidungen fällte ein Dreierdirektorium aus einem Regisseur, einem Bühnenbildner und einem Schauspieler, die sich an die Beschlüsse der Vollversammlung halten mussten. Solch linken Ideen zum Trotz stand er stets über den Parteien. Er war Sozialdemokrat, wollte aber nie Kulturpolitik für die SPD machen.
Oberhausen verdankt ihm die Gründung der Internationalen Kurzfilmtage, Frankfurt das erste Kommunale Kino Deutschlands. Der Verwaltungsratsvorsitz des Deutschen Filminstituts war der letzte Posten, den er aufgab. Auf die Frage, wo seine Liebe zum Film herrühre, verwies er auf die Filme von der Befreiung der Konzentrationslager. „Da habe ich erkannt, was der Film bewirken kann, nur indem er die Realität abbildet.“
Der 2006 verstorbene Bundespräsident Johannes Rau verabschiedete ihn einst mit den Worten: „Der Mann streitet glaubwürdig – und ein begnadeter Bettler ist er auch.“Fünf Jahre lang leitete Hoffmann auch die von ihm gegründete „Stiftung Lesen“. Er kämpfte vehement gegen die Rechtschreibreform und schrieb ein Buch nach dem anderen – er schrieb mit der Hand oder diktierte, denn er besaß weder Handy noch Computer.