Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Aufregung ist kein guter Partner“

Bis zum letzten Tag haben die Macher an der neuen Sonderauss­tellung im Hutmuseum in Lindenberg gearbeitet

- Von Bettina Buhl

LINDENBERG - Das Kreischen von Metallstif­ten, die über den harten Boden scharren, geht durch Mark und Bein. In der Luft hängt der stechende Geruch von Eisen. Ein Rolltisch, vollgepack­t mit Schachteln voller Schrauben, Bohraufsät­zen, einem Hammer und Werkzeugen steht mitten im Raum. Daneben ein großer blauer Müllsack und ein Besen. Und immer wieder dieses Kreischen.

Akribisch schieben Museumslei­terin Angelika Schreiber und Hausmeiste­r Peter Bieschke Metallbuch­staben hin und her. Dort fehlt noch ein „O“, das „K“ist noch am falschen Platz. Alle zusammen ergeben sie die Worte „Hutfabrik Ottmar Reich“. Der Aufbau der neuen Sonderauss­tellung im Deutschen Hutmuseum in Lindenberg ist vergangene Woche in vollem Gang gewesen – und sie wuchs stetig. Auch kurz vor der Eröffnung am vergangene­n Sonntag kamen neue Ideen dazu.

Der Schriftzug beispielsw­eise, an dem Schreiber und Bieschke werkeln, soll die Wand am Aufgang zieren. Er ist eines der Stücke, die erst den Weg ins Museum gefunden haben, als die Ausstellun­g eigentlich schon feststand. „Er hing einst gleich am Gebäude nebenan. Dort, wo heute eine Pizzeria ist, war früher das Kasino der Hutfabrik Reich“, erklärt die Museumslei­terin. Der Pizzeriabe­sitzer hatte in unserer Zeitung gelesen, dass das Hutmuseum die Reich-Ausstellun­g plant und die Buchstaben im Museum vorbeigebr­acht. Solche Geschichte­n freuen Schreiber sehr: „Es ist der einzige Schriftzug von der Fabrik, den wir haben. Und sogar das Logo ist dabei.“Die Ausstellun­gsmacher haben spontan reagiert. Das gehört dazu.

Bis eine Ausstellun­g endgültig steht, ist auch Improvisie­ren nötig. Die Aufbauten, die in der neuen Ausstellun­g zu sehen sind, sind Eigenprodu­ktionen. Peter Bieschke, der „Museumsmei­ster“, wie ihn Schreiber liebevoll bezeichnet, hat die Vitrinen, Kuben und Sockel gebaut. Braucht er Hilfe, geht ihm der Bauhof zur Hand. Für jede Ausstellun­g denken sich die Macher etwas Neues aus und mit jeder Schau wächst der Fundus an Schaukäste­n und mehr. Die Exponate sollen ja so präsentier­t werden, dass es für den Betrachter schlüssig ist.

Oft ist das Millimeter­arbeit – und nervenaufr­eibend. Für die Krippenaus­stellung beispielsw­eise hat Bieschke auch Vitrinen mit Plexiglas gebaut. Nur: Die Scheiben wurden falsch geliefert, sie waren zu groß. „So etwas passiert, wenn man Zeitdruck hat. Wir konnten keine richtige technische Zeichnung anfertigen“, erklärt der Schreinerm­eister. Gut sei da, wenn man Kontakte hat, auf die man sich verlassen kann. Die Firma konnte noch schnell und unkomplizi­ert die Scheiben ändern. Sonst hätte man umplanen müssen.

Das ist auch bei der aktuellen Ausstellun­g schon geschehen. Eigentlich sollten manche Stücke in Schubladen präsentier­t werden, eingearbei­tet in die Vitrinen der Krippenaus­stellung. Doch dazu hätte Bieschke die genauen Maße der Exponate gebraucht. Da diese nicht schnell genug herzukrieg­en waren, musste eine andere Lösung her. Verzweifel­n würde Bieschke kaum. „Ich habe vielleicht einmal gezweifelt. Aber dann habe ich festgestel­lt: Irgendwie geht es immer. Mein Vater sagte oft, man müsse Ruhe bewahren. Aufregung ist kein guter Partner“, erzählt der gebürtige Pole und schiebt weiter Buchstaben hin und her, einem Puzzlespie­l gleich.

Was er für eine Ausstellun­g vorbereite­n kann, erledigt der Hausmeiste­r im Vorfeld. Die Zeit für den Aufbau ist meist knapp bemessen. Ist die eine Ausstellun­g weg, ist die nächste schon wieder dran. Zudem ist Bieschke bemüht, den Museumsbet­rieb so wenig wie möglich zu stören. Laute Arbeiten wie Bohren in den dicken Wänden lege er deswegen auf die Montage, wenn das Haus geschlosse­n ist. Eine Überraschu­ng ist für ihn aber meist, was so alles den Weg in ein Museum findet: „Das ist immer spannend.“

Dabei ist Fingerspit­zengefühl gefragt. „Wir packen die Exponate nur so kräftig an wie unbedingt nötig“, erklärt der Hausmeiste­r. Wie zur Bestätigun­g drückt er kräftig die Zange in seiner Hand zusammen und zwickt einen alten Draht von einem weiteren Metallbuch­staben ab. Viele Objekte, die in der neue Ausstellun­g zu sehen sind, stammen aus alten Sammlungen. Bei manchen müssen die Macher nachbesser­n. Die Buchstaben etwa waren laut Schreiber begraben unter „einer jahrealten Staubschic­ht“. Auf Hochglanz polieren geht freilich nicht. Die Patina soll erhalten bleiben. So ist es beispielsw­eise auch bei den alten Nähmaschin­en. Und bloß nie eine neue Schraube dort hineindreh­en, wo sie nicht hingehört.

Restaurier­en ja, aber mehr auch nicht. Nur so können alte Zeiten wieder aufleben. Beispiel Schriftzug: Genau austariert hängt er am Ende an der Wand und erinnert gleich daran, worum es in der Ausstellun­g geht.

 ?? FOTO: BUHL ?? Noch kurz vor der Eröffnung ist in den Räumen für die Sonderauss­tellung im Hutmuseum viel zu tun gewesen. Viele Ausstellun­gsstücke waren noch nicht an ihrem Platz, statt der Exponate waren Besen, Staubsauge­r und Werkzeuge wild verteilt.
FOTO: BUHL Noch kurz vor der Eröffnung ist in den Räumen für die Sonderauss­tellung im Hutmuseum viel zu tun gewesen. Viele Ausstellun­gsstücke waren noch nicht an ihrem Platz, statt der Exponate waren Besen, Staubsauge­r und Werkzeuge wild verteilt.

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