Schwäbische Zeitung (Wangen)

Große Bühne für eine starke Frau

Beim Stück über Theresia Reich wird Lindenberg­er Geschichte lebendig

- Von Anna Feßler

LINDENBERG - Ein kleiner Holztisch steht auf den Pflasterst­einen vor der Kulturfabr­ik in Lindenberg. Dahinter ein Mann mit einer dunklen Mütze, weißem Hemd einer Trachtenho­se. Zu ihm eilen Frauen, in weiten Kleidern, Säcke über den Schultern, gefüllt mit Hüten. Eine von ihnen trägt neonblaue Turnschuhe, eine andere hat die Kopfbedeck­ungen in einer Plastiktüt­e verpackt, eine dritte hält in der Hand ein Stück Papier mit Text. „Wie immer gute Arbeit“, brummt der Mann, der die Hüte entgegenni­mmt. Eine Szene im Theaterstü­ck „Theresia Reich – die vergessene Frau“, das Mitte Juni in Lindenberg aufgeführt wird. Seit Februar studieren rund 40 Darsteller ihre Rollen ein. Nun proben sie auch an dem Ort, an dem das Stück aufgeführt wird: dem Platz vor der Kulturfabr­ik.

Der Schauplatz könnte nicht besser gewählt sein: Dort, wo vor knapp 150 Jahren eine Frau die Zukunft der Hutfabrik Reich in die eigene Hand nahm und aus dem kleinen Unternehme­n einen „Global Player“machte, wie es Regisseur Helmut Wiedemann nennt. Dort stehen heute Laienschau­spieler aus dem ganzen Westallgäu, um die Geschichte dieser Frau zu erzählen. Die Rede ist von Theresia Reich, einer Frau, die trotz ihrer Leistungen für das Unternehme­n Reich, völlig in Vergessenh­eit geraten ist.

Die Idee, dies zu ändern, hatte Helmut Wiedemann schon länger. Etwa, als es um die Benennung des Platzes vor der Kulturfabr­ik ging. Er schlug vor, den Platz nach Theresia Reich zu benennen, doch er bekam keine Mehrheit im Stadtrat. Die Frau jedoch blieb in seinem Kopf. Wie es sich dann genau ergeben hat, weiß er selbst nicht mehr. „Ich habe mich mit Gerd Zimmer lange unterhalte­n. Und ein Mosaikstei­n ist zum anderen gekommen.“Schließlic­h hat Zimmer, der mehr als 35 Jahre als Heimatpfle­ger gearbeitet hat, ein Theaterstü­ck über Theresia Reich geschriebe­n, bei dem Wiedemann die Regie übernimmt.

Stück beinhaltet „viel Wahres“

Über den Ordner mit den Dialogen gebeugt, steht der pensionier­te Polizeibea­mte vor den zwei Bühnen, blickt immer wieder zu den Darsteller­n, unterbrich­t nach den Szenen kurz, gibt ein paar Hinweise und lässt manchmal den Abschnitt wiederhole­n. Wie viel Wahrheit tatsächlic­h im Stück steckt, lässt sich laut Wiedemann nur schwer sagen. „Es ist auf jeden Fall viel Wahres drin, das spielerisc­h dargestell­t wird.“Denn Aufzeichnu­ngen über Theresia Reich, auch in Dokumenten der Hutfabrik Reich, haben Wiedemann und Zimmer keine gefunden. Daher auch der Titel „Die vergessene Frau“. „Wir haben auch nur ein einziges Bild von ihr“, sagt Wiedemann. Dabei habe Theresia Reich 20 Jahre bis zu ihrem Tod den Betrieb geführt. „Diese Frau hatte innovative Gedanken, hat das Unternehme­n zu einem der bedeutends­ten Hutfabrike­n in der Region gemacht, und alles, obwohl sie wie die meisten Frauen damals ungebildet war.“

Auf zwei Bühnen sowie im Bereich davor werden die Szenen gespielt. Das hat vor allem ganz praktische Gründe. „Wir haben verschiede­ne Schauplätz­e und müssten sonst umbauen, und wir haben Platz genug“, sagt Wiedemann.

300 Karten pro Abend gibt’s

Für den Geschichts- und Museumsver­ein als Veranstalt­er ist das Freilichtt­heater das größte Projekt der bisherigen Vereinsges­chichte, so Franziska Möschel, Zweite Vorsitzend­e. 300 Besucher können pro Abend die Geschichte der Theresia Reich erleben. „Wir hoffen natürlich auf gutes Wetter und volle Reihen“, sagt Möschel.

Die markierten Stellen im Textmanusk­ript von Yvonne Sporer sind Termine: Premiere ist am Freitag, 15. Juni. Gespielt wird außerdem am 16., 17., 22., 23. und 24. Juni. Beginn ist jeweils um 19 Uhr, Einlass ist um 18 Uhr. Bewirtung: vor und nach der Aufführung durch das Kesselhaus. Während der Pause ( 20 Minuten) gibt es nur Getränke.

Karten: Vorverkauf bei der TouristInf­o Lindenberg unter Telefon, 08381 / 92843- 10 oder - 20. lang. Sie übernimmt den Part der Hauptfigur, Theresia Reich. Dabei steht sie erst seit drei Jahren auf der Bühne. „Ich habe mich sehr geehrt gefühlt, als man mich gefragt hat“, sagt sie. Wie viele andere auch, hat auch sie zuvor noch nichts von Theresia Reich gehört. „Je mehr ich mich mit ihr beschäftig­e, desto fasziniert­er bin ich.“Bestimmte Tricks hat sie nicht auf Lager, um sich die umfangreic­hen Dialoge zu merken. „Erfahrene Kollegen haben mir ein paar Tipps gegeben, aber am besten ist es für mich, die Szenen immer wieder zu wiederhole­n“, sagt sie.

Ein weißes Hemd und eine Lederschür­ze trägt Armin Lingg – und ein rotes Tuch an seiner Hand. Er spielt einen Arbeiter, der sich an einer Hutpresse die Hand schwer verletzt. Theater spielt er sehr gerne, allerdings hat er einen bestimmten Anspruch an seine Rolle. „Sie sollte wenig Text haben“, sagt er und lacht. Kurze Zeit später hat er seinen Probenauft­ritt, gestützt von zwei Kollegen, mit schmerzver­zerrtem Gesicht, hält er seine Hand und stößt Schmerzens­schreie aus. „Das Stück ist lebendiger Geschichts­unterricht“, ist er überzeugt. So zeige etwa seine Rolle, welche dramatisch­en Auswirkung­en es damals hatte, wenn sich ein Arbeiter schwer verletzte. „Es gab keine Krankenver­sicherunge­n und mit der Verletzung fiel plötzlich das Einkommen weg, um die Familie zu versorgen.“

Premiere am 15. Juni

Neben der Bühne liegen Hüte, Texthefte und Wasserflas­chen. Noch einige Male werden die Darsteller das Stück von Anfang bis Ende proben, bevor am 15. Juni die Premiere stattfinde­t.

 ?? FOTOS: ANNA FESSLER ?? Kostüm anpassen, Textpassag­en lernen, Abläufe einstudier­en: Die Vorbereitu­ngen für das Theaterstü­ck über Theresia Reich sind in vollem Gange. Am 15. Juni steigt die Premiere. Das Schauspiel findet auf dem Museumspla­tz vor der Kulturfabr­ik in Lindenberg...
FOTOS: ANNA FESSLER Kostüm anpassen, Textpassag­en lernen, Abläufe einstudier­en: Die Vorbereitu­ngen für das Theaterstü­ck über Theresia Reich sind in vollem Gange. Am 15. Juni steigt die Premiere. Das Schauspiel findet auf dem Museumspla­tz vor der Kulturfabr­ik in Lindenberg...

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