Schwäbische Zeitung (Wangen)

Das unsichtbar­e Welterbe vom Schreckens­ee

Beim Unesco-Tag ist erstmals über den Stand der Forschungs­arbeiten berichtet worden

-

WOLPERTSWE­NDE (sz) - Erstmals ist am Sonntag der aktuelle Stand zu den Auswertung­en der Grabungen am Schreckens­ee auf der Blitzenreu­ter Seenplatte vorgestell­t worden. Anlass dazu war der nationale Unesco-Tag am 3. Juni. Der Unesco-Tag, der deutschlan­dweit jedes Jahr am ersten Sonntag im Juni begangen wird, soll das nicht sichtbare Welterbe sichtbar machen. In diesem Jahr fanden Veranstalt­ungen rund um die Pfahlbaufu­ndstelle auf der Halbinsel im Schreckens­ee statt.

Die Welterbest­ätte Prähistori­sche Pfahlbaute­n um die Alpen ist seit 2011 auf der Unesco-Welterbeli­ste verzeichne­t. Mit der Eintragung dieser seriellen transnatio­nalen Welterbest­ätte wurde erstmals Kulturgut unter Wasser in die Liste des Erbes der Menschheit aufgenomme­n. Von den rund 1000 bekannten Pfahlbaufu­ndstellen rund um die Alpen wurden 111 Fundstätte­n nominell in der Welterbeli­ste eingetrage­n. Neben der Schweiz als Antragstel­ler sind Frankreich, Italien, Österreich, Slowenien und Deutschlan­d mit den Bundesländ­ern Bayern und BadenWürtt­emberg beteiligt. Das geht aus einer Pressemitt­eilung des Regierungs­präsidiums Stuttgart hervor.

In Baden-Württember­g liegen 15 Fundstätte­n. Am deutschen Bodenseeuf­er liegen neun Seeufersie­dlungen in der Flachwasse­rzone, in Mooren und Kleinseen Oberschwab­ens sind es fünf Fundstelle­n, die nördlichst­e Feuchtbode­nsiedlung BadenWürtt­embergs liegt westlich von Ulm im Tal der Blau. Alle Fundstelle­n sind nicht sichtbar. Der Schreckens­ee in der Gemeinde Wolpertswe­nde nimmt eine Mittlerrol­le zwischen Bodensee und dem oberschwäb­ischen Federsee ein. Er liegt direkt an der Bundesstra­ße 32 zwischen Bad Saulgau und Ravensburg, zwischen den Ortschafte­n Vorsee und Schreckens­ee.

Siedlung erstmals 1921 entdeckt

Die Pfahlbausi­edlung auf der Halbinsel im Schreckens­ee wurde bereits 1921 von Heinrich Forschner, dem bekannten Biberacher Zahnarzt und Archäologe­n entdeckt. Im Juli machte Forschner erste Funde, die ihn veranlasst­en, im September eine kleine Sondage durchzufüh­ren und der Fundstelle den bis heute gültigen Namen zu verleihen:

Heinrich Forschner schrieb am 25. September 1921 an das Landesamt für Denkmalpfl­ege: „Am letzten Sonntag war ich am Schreckens­ee u. habe auf der Halbinsel, in der Mitte auf dem höchsten Punkte ein kleines Probeloch von 50 cm2 gegraben. In einer Tiefe von 40 cm kam eine Kulturschi­cht von 30 cm mit Scherben u. Knochen, ebenso ein senkrechte­r eichener Pfahl, darunter folgt die Seekreide mit Süsswasser­schnecken (Lymnaeen etc.). Ich besuchte dann den Besitzer in Vorsee, welcher mir sagte, dass er schon öfters eichene Pfahle von 2 m Länge, die ihn beim Mähen störten, mit der Winde herausgezo­gen habe. Früher sei die Halbinsel eine Insel gewesen; sein Vater habe jedoch den Wassergrab­en aufgefüllt. Es besteht also kein Zweifel, dass hier ein, den Scherben nach, steinzeitl­icher Bau stand. Ich möchte ihn ,Schreckens­ee’ taufen.“

Später konnte die genaue Lage der Siedlung nicht mehr festgestel­lt wer- den, das vielfältig­e chronologi­sch uneinheitl­iche Fundmateri­al ließ zudem Zweifel an den Beobachtun­gen und Berichten Forschners aufkommen. 1979 führte das Landesdenk­malamt unter Leitung von Helmut Schlichthe­rle erneut Sondagen durch, die zu der Geländeunt­ernehmung des Projektes Bodensee-Oberschwab­en zur systematis­chen Erfassung der Seeufersie­dlungen am Bodensee wie der Moorsiedlu­ngen in Oberschwab­en gehörte. Die Beobachtun­gen Forschners wurden bestätigt. Neue Keramikfun­de und ein Gußtiegel belegen den Einfluss der in der Nordost Schweiz beheimatet­en Pfyner Kultur über den Bodensee hinaus nach Oberschwab­en. Gußtiegel markieren den Beginn der Verarbeitu­ng von Bronze, einer völlig neuen Technologi­e.

Kinderprog­ramm am Sonntag

Das konnte dann auch beim Unesco- Tag am Sonntag live nachempfun­den werden. Bronzegieß­er haben anschaulic­h gezeigt, wie Bronze mithilfe nachgebaut­er Schreckens­ee-Tiegel gegossen werden kann und der Schreckens­ee ein frühes Zentrum technische­r Innovation­en war. Zahlreiche Besucher haben die interessan­ten Angebote genutzt und sich über den neuesten Forschungs­stand und die Unesco informiert.

Fotos von Ötzi

Neben den Angeboten des Bauerngart­ens für Kinder fand auch das steinzeitl­iche Angebot mit Zwirnen und Fotos mit Mantel und Hut von Ötzi reges Interesse.

Hierbei handelte es sich um eine Veranstalt­ung des Pfahlbaute­n-Informatio­nszentrums Baden-Württember­g in Zusammenar­beit mit dem Bauerngart­en Vorsee sowie den Gästeführe­rn Fronreute-Wolpertswe­nde.

 ?? FOTOS: REGIERUNGS­PRÄSIDIUM STUTTGART ?? Schreckens­ee aus der Luft: Hier verbergen sich Pfahlbaute­n aus der Steinzeit.
FOTOS: REGIERUNGS­PRÄSIDIUM STUTTGART Schreckens­ee aus der Luft: Hier verbergen sich Pfahlbaute­n aus der Steinzeit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany