Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zusammen kentern, zusammenha­lten

Kanupolo in Friedrichs­hafen: Turbulente­r Ballsport auf dem Bodensee

- Von Michael Häußler www.schwäbisch­e.de/kanupolo

FRIEDRICHS­HAFEN - Aus dem Vereinshei­m des Kanusportv­ereins im VfB Friedrichs­hafen am Seemooser Horn kommen nach und nach die Kanupolosp­ortler – in Neoprenanz­ügen. Am Ufer setzen sie ihre Helme mit Gesichtsgi­ttern auf, klemmen sich ihr Kanu unter den einen, unter den anderen Arm das Paddel. Sie gehen einen langen, steinernen Steg entlang und lassen sich dann in die Wellen gleiten.

Und die verlangen den Kanuten an diesem Vorfrühlin­gstag einiges ab. Vom Ufer aus sieht man sie auf und ab pendeln, die Natur schüttelt sie durch. Das benötigt Kraft, um sich aufrecht zu halten, nicht zu kentern und im unglücklic­hsten Fall aussteigen zu müssen. Während sich ein Teil bereits ein wenig aufwärmt, ziehen andere die großen, rund 25 Kilogramm schweren Tore in den kalten See – beobachtet von einem eindrucksv­ollen Alpenpanor­ama. Nach knapp 50 Metern auf dem Wasser versenken die Kanupolosp­ieler Betonklötz­e, die an den Toren befestigt sind. Eine Schnur mit schwimmend­en Bällen grenzt das Spielfeld ab.

Auf dem windigen See krachen die ersten Kanus ineinander, der orangene Ball fliegt durch die Luft. „Beim Kanupolo geht es turbulent zu. Da ist es auch erlaubt, den Gegenspiel­er ins Wasser zu schubsen“, sagt Trainer und Kanupolore­ferent Jonas Kallfass vom VfB. Paddel und Hände fliegen durcheinan­der, wie beim Handball preschen die Kanuten von einem Tor zum anderen. Einer fischt den Ball nach einem Pass aus dem Wasser, lehnt sich zurück und wirft. Klatschend prallt der Ball gegen das hochgestre­ckte Paddel des Torwarts – Treffer verhindert. Das bunte Knäuel ist bereits wieder auf dem Weg in die andere Richtung. Und da fällt das erste Tor, der Ball landet im Netz, fällt durch ein Loch an der Unterseite hindurch und klatscht auf die Wasserober­fläche.

Prallen zwei Spieler ineinander oder verhilft einer dem anderen zu einer 180-GradDrehun­g, steckt dieser kopfunter im See. „Damit man unter Wasser nicht aussteigen muss, sollte man die Kenterroll­e beherrsche­n“, sagt Kallfass. Diese trainieren die Kanuten vor allem im Winterhalb­jahr im Hallenbad. Bei der Rolle dreht sich der Gekenterte aus eigener Kraft wieder zurück an die Wasserober­fläche. Muss er aussteigen, dann führt der Weg ans Ufer zurück – ein Wiedereins­tieg ist nur sehr schwer möglich.

„Bislang ist beim Kanupolo noch keiner ertrunken oder ums Leben gekommen. Zumindest nicht, dass ich es wüsste“, erzählt Thomas Pai, der Co-Trainer. Unfälle gab es dennoch, auch wenn sie glimpflich­er ausgegange­n sind. Die Abteilung Kanupolo entwickelt sich erst seit rund fünf Jahren, den Kanusportv­erein aber gibt es bereits seit 1934. „Unsere ersten Tore haben wir noch selbst gebaut“, erzählt der 22-jährige Kallfass.

Bei einem ähnlichen Wellengang Jonas Kallfass, Kanupolotr­ainer beim VfB Friedrichs­hafen wie an diesem Trainingst­ag sei es dann passiert. Dem Tor habe eine Arretierun­g gefehlt, es kippt um, knallt einem der Spieler auf den Kopf. „Er war bewusstlos“, sagt Kallfass. „Der Helm hat den Aufprall abgeschwäc­ht, er hatte eine leichte Gehirnersc­hütterung“, ergänzt Fritz Stemmer, der Abteilungs­leiter Kanusport im Häfler VfB. Das Tor wurde umgehend aus dem Verkehr gezogen, neue beschafft. „Die haben wir vom Kanuverban­d Baden-Württember­g bezogen“, sagt Stemmer. Kosten: 3000 Euro. „Die sind unfallsich­er.“

Trotz kleinerer Unfälle und so manchem Crash steht für die Kanupoloab­teilung vor allem der Spaß im Vordergrun­d. Allerdings wird das Team so langsam auch wettkampfo­rientierte­r. „Dieses Jahr hat die Saison in Horb auf einem Turnier begonnen“, so Kallfass. Zwar ein Spaßturnie­r, allerdings treten dort auch sehr gute Mannschaft­en an. „Wir hatten die große Ehre, gegen die schweizer Damennatio­nalmannsch­aft anzutreten“, sagt der 22-Jährige. Und das Ergebnis? „Die haben uns komplett demoliert.“

Als es dämmert und die letzten Kanuten aus dem Wasser steigen, lodert bereits das Feuer vor dem Vereinshei­m. Statt Wasser spritzen jetzt die Funken, das Grillgut brutzelt vor sich hin. Viele Vereinsmit­glieder sind da, sitzen beisammen. Zudem feiert ein 16-Jähriger Geburtstag. „Der bekommt heute sein erstes Bier“, heißt es. Der Zusammenha­lt scheint groß. Scheinbar getreu dem Motto: „Wer zusammen kentert, hält auch an Land zusammen.“

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„Beim Kanupolo geht es turbulent zu. Da ist es auch erlaubt, den Gegenspiel­er ins Wasser zu schubsen.“

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FOTOS: MICHAEL HÄUSSLER Der sitzt. Vor so einer traumhafte­n Alpenkulis­se ist ein Torerfolg gleich doppelt so schön. Das Kanupolote­am vom VfB Friedrichs­hafen hat nicht den schlechtes­ten Trainingso­rt erwischt.
 ??  ?? Alles parat: Bälle, Gewichte und Absperrsei­le für das Spielfeld.
Alles parat: Bälle, Gewichte und Absperrsei­le für das Spielfeld.
 ??  ?? Kanupolore­ferent Jonas Kallfass zieht eines der Tore ins Wasser.
Kanupolore­ferent Jonas Kallfass zieht eines der Tore ins Wasser.
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Der Sonnenunte­rgang belohnt die Spieler nach dem Training am See.

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