Immer mehr Flüchtlinge finden Wohnraum
Viele Zuwanderer absolvieren gerade Sprachkurse – Lob für das „gute Miteinander“
Allerdings ziehen auch ins Alte Spital bald wieder Zuwandererfamilien ein.
WANGEN - Immer mehr in Wangen lebende Flüchtlinge finden auf privatem Weg Wohnraum. Dies ist eine von vielen Erkenntnissen eines Berichts, den der städtische Flüchtlingsbeauftragte Martin Lobinger in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats abgab. Dabei wurde auch deutlich: Schon in Kürze ziehen wieder Zuwanderer ins Alte Spital ein. Und: Die Stimmung in der Stadt wird allgemein als positiv bewertet.
Flüchtlingszahlen:
Zum 1. April waren genau 514 Flüchtlinge in Wangen gemeldet, davon haben 367 Menschen eine Anerkennung – zwei seit rund zwei Jahren relativ konstante Zahlen. Gleichwohl sank die städtische „Erfüllungsquote“innerhalb des Landkreises von auf 98 Prozent 2016 auf 89 Prozent Ende 2017. Laut Martin Lobinger liegt dies an den langsam steigenden Flüchtlingszahlen im Kreis. Hintergrund: Die Städte und Gemeinden im Kreis müssen Flüchtlinge im Proporz ihrer Einwohnerzahl aufnehmen.
Unterbringung:
Nach wie vor gibt es die bekannten Übergangsquartiere an der Zeppelinstraße, zweimal im Herzmannser Weg, an der Oderstraße und am Südring. Allerdings haben sich vielfach Zuständigkeiten und teils die Platzzahlen geändert. Zum einen hat die Stadt eine der beiden Unterkünfte am Herzmannser Weg sowie das Haus in der Oderstraße angemietet. Alle anderen Unterbringungsmöglichkeiten waren schon zuvor in städtischer Hand. Dazu kommen sieben von der Kommune angemietete Privatwohnungen. Beim Kreis verblieben sind nur die Container an der Zeppelinstraße. Zur Erläuterung: Die Stadt ist für die so genannte Anschlussunterbringung zum Beispiel als Flüchtlinge anerkannter Menschen zuständig, der Kreis für die Erst- oder vorläufige Unterbringung.
Zum anderen ist die Zahl der Plätze gesunken – und zwar in der Kreisunterkunft an der Zeppelinstraße. Weil die zwischenzeitlich ausgesetzte Erhöhung der Wohnraumgröße pro Person auf sieben Quadratmeter seit Anfang des Jahres wieder gilt, können dort nicht mehr maximal 150 Menschen aufgenommen werden, sondern nur noch 100.
Bei den städtischen Unterkünften gibt es hingegen eine andere Größenordnung, wie Ordnungs- und Sozialamtsleiter Kurt Kiedaisch im Nachgang zur Ratssitzung erläuterte. Die Verwaltung orientiere sich in der Anschlussunterbringung an rund zehn Quadratmetern. Dies gelte für Flüchtlinge wie ansonsten Obdachlose gleichermaßen. Laut Martin Lobinger bietet die Stadt auf diese Weise rund 420 Menschen ein Dach über dem Kopf. Der Flüchtlingsanteil liege bei 50 Prozent.
Ungeachtet der genannten Unterkünfte hält die Verwaltung seit längerem Übergangswohnraum für Flüchtlingsfamilien im Alten Spital als Reserve frei. Das frühere Altenheim war vor wenigen Jahren bereits einmal entsprechend belegt worden. Zuletzt war aber lange nicht klar, wann es wieder benötigt wird, vor allem wegen der für die Verwaltung nicht kalkulierbaren, aber in weit geringerem Maße als erwartet eingetroffenen Familiennachzügler. Jetzt gibt es eine erste Gewissheit. Wie Lobinger berichtete, werden Ende Juni die ersten zwei Familien dort einziehen.
Längst nicht alle Flüchtlinge leben übrigens in vorübergehenden Unterkünften: Mit knapp 240 Menschen hat fast die Hälfte aller einstigen Neuankömmlinge auf privatem Weg Wohnraum in Wangen gefunden. Laut OB Michael Lang ist dies eine „erstaunliche und gute Zahl“. Dies wertet die Stadt umso positiver, da die Unterbringung in Obdachlosenunterkünften „mit zunehmender Dauer zu einem Anstieg der Probleme im Zusammenwohnen“führe. Negativ wirke sich dies zudem auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen aus.
Vor diesen Hintergründen erinnerte Fraktionschef Paul Müller an den CDU-Antrag vom letzten Herbst zur Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft oder für vergleichbare Aktivitäten – auch wegen des allgemein angespannten Marktes: „Da haben wir noch keine Reaktion der Verwaltung gehört.“
Sprache und Bildung:
„Ohne Sprache geht nun mal nichts.“Auf diesen Nenner brachte Martin Lobinger die Bemühungen der öffentlichen Stellen bei der (Fort-)Bildung der Flüchtlinge – und hob die Rolle der Volkshochschule Wangen hervor: „Die VHS schultert mit Abstand die meisten Angebote und ist sehr präsent.“Unterm Strich gebe es aktuell bei der Grundversorgung der Menschen zum Erlernen der deutschen Sprache „ein zufriedenstellendes und weitgehend bedarfsgerechtes Angebot in Wangen“, wie es in Lobingers Bericht heißt. Dies führe zu einem „großen Schub“, der gerade in den Kursen ist und „jetzt rauskommt“.
Allerdings befürchtet der Flüchtlingsbeauftragte, „dass viele die Abschlüsse nicht schaffen“. Was umso bedauerlicher sei, da sich den Menschen viele Jobs erst öffneten, wenn sie ein gewisses Level erreichten.
Für OB Michael Lang sind zudem die Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK) ein „offenes Thema, weil keine Schule die Möglichkeiten sieht“. Hintergrund: Das Ende der IVK in Niederwangen und an der Anton-von-Gegenbaur-Schule ist derzeit absehbar. Ziel sei aber die Angliederung einer Klasse an eine Schule.
Arbeit:
Unklar ist, wie viele der in Wangen lebenden Flüchtlinge bislang einen Job gefunden haben. Laut Lobinger gibt es dazu an keiner Stelle Daten. Nur so viel: Nicht alle der bislang 367 Anerkannten dürfen auch arbeiten, etwa weil sie Schüler sind. Laut Lobinger sind von dieser Gruppe 108 Menschen jünger als 18 Jahre. Geht man von den vorhandenen, heruntergebrochenen Landkreisdaten aus, seien im Oktober 2017 gut 50 in Wangen lebende Flüchtlinge sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. „Ein weiterer Anstieg der Beschäftigung ist absehbar“, so der Flüchtlingsbeauftragte.
Integration:
Jobs, Wohnung, Teilhabe an der Gesellschaft, Unabhängigkeit von Sozialleistungen: Für Martin Lobinger sind dies Ziele, die eng mit dem Gelingen der Integration verknüpft sind. Dabei sind Integrationsmanager zentrale Ansprechpartner. Jeder Flüchtling werde angesprochen, damit auf dieser Basis ein gemeinsamer Plan auf „bedarfsorientierter und freiwilliger Basis“aufgestellt werden kann. Aktuell laufe dieses Integrationsmanagement an.
Dazu gibt es nach wie vor die „sehr gut“laufende Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Asyl mit runden Tischen und besonderen Veranstaltungen, etwa 2017 einem Infoabend für Arbeitgeber oder einem Registrierungstag für Flüchtlinge zur Jobvermittlung.
Allerdings bleiben nicht alle Zugewanderten auch in Wangen. Manche zöge es in größere Städte, und „vereinzelt“gebe es Abschiebungen. „Die Zahl der freiwilligen Rückkehrer können Sie an einer Hand abzählen“, so Lobinger.
Stimmung:
Im Ratssaal gab es – seltenen – Applaus, als Siegfried Spangenberg (GOL) die vergleichsweise gute Stimmung in der Wangener Bevölkerung zum Flüchtlingsthema hervor hob und die Gründe nannte: „Alle relevanten Kräfte arbeiten positiv zusammen“, so das Mitglied der Leitungsebene des Netzwerks Asyl. Unter anderem habe sich OB Lang „auf die Seite der Schwachen gestellt“. SPD-Stadtrat Hermann Seifried wiederum lobte das Netzwerk: „Auch deshalb können wir relativ wenige Straffällige verzeichnen“, so der Rechtsanwalt.
Lang selbst erwähnte, „das gute Miteinander“sei Ergebnis vieler Faktoren – auch des Ehrenamts. Mit Blick auf die Integrationsarbeit mahnte er aber: „Die wahre Aufgabe läuft jetzt.“