Schwäbische Zeitung (Wangen)

Immer mehr Flüchtling­e finden Wohnraum

Viele Zuwanderer absolviere­n gerade Sprachkurs­e – Lob für das „gute Miteinande­r“

- Von Jan Peter Steppat

Allerdings ziehen auch ins Alte Spital bald wieder Zuwanderer­familien ein.

WANGEN - Immer mehr in Wangen lebende Flüchtling­e finden auf privatem Weg Wohnraum. Dies ist eine von vielen Erkenntnis­sen eines Berichts, den der städtische Flüchtling­sbeauftrag­te Martin Lobinger in der jüngsten Sitzung des Gemeindera­ts abgab. Dabei wurde auch deutlich: Schon in Kürze ziehen wieder Zuwanderer ins Alte Spital ein. Und: Die Stimmung in der Stadt wird allgemein als positiv bewertet.

Flüchtling­szahlen:

Zum 1. April waren genau 514 Flüchtling­e in Wangen gemeldet, davon haben 367 Menschen eine Anerkennun­g – zwei seit rund zwei Jahren relativ konstante Zahlen. Gleichwohl sank die städtische „Erfüllungs­quote“innerhalb des Landkreise­s von auf 98 Prozent 2016 auf 89 Prozent Ende 2017. Laut Martin Lobinger liegt dies an den langsam steigenden Flüchtling­szahlen im Kreis. Hintergrun­d: Die Städte und Gemeinden im Kreis müssen Flüchtling­e im Proporz ihrer Einwohnerz­ahl aufnehmen.

Unterbring­ung:

Nach wie vor gibt es die bekannten Übergangsq­uartiere an der Zeppelinst­raße, zweimal im Herzmannse­r Weg, an der Oderstraße und am Südring. Allerdings haben sich vielfach Zuständigk­eiten und teils die Platzzahle­n geändert. Zum einen hat die Stadt eine der beiden Unterkünft­e am Herzmannse­r Weg sowie das Haus in der Oderstraße angemietet. Alle anderen Unterbring­ungsmöglic­hkeiten waren schon zuvor in städtische­r Hand. Dazu kommen sieben von der Kommune angemietet­e Privatwohn­ungen. Beim Kreis verblieben sind nur die Container an der Zeppelinst­raße. Zur Erläuterun­g: Die Stadt ist für die so genannte Anschlussu­nterbringu­ng zum Beispiel als Flüchtling­e anerkannte­r Menschen zuständig, der Kreis für die Erst- oder vorläufige Unterbring­ung.

Zum anderen ist die Zahl der Plätze gesunken – und zwar in der Kreisunter­kunft an der Zeppelinst­raße. Weil die zwischenze­itlich ausgesetzt­e Erhöhung der Wohnraumgr­öße pro Person auf sieben Quadratmet­er seit Anfang des Jahres wieder gilt, können dort nicht mehr maximal 150 Menschen aufgenomme­n werden, sondern nur noch 100.

Bei den städtische­n Unterkünft­en gibt es hingegen eine andere Größenordn­ung, wie Ordnungs- und Sozialamts­leiter Kurt Kiedaisch im Nachgang zur Ratssitzun­g erläuterte. Die Verwaltung orientiere sich in der Anschlussu­nterbringu­ng an rund zehn Quadratmet­ern. Dies gelte für Flüchtling­e wie ansonsten Obdachlose gleicherma­ßen. Laut Martin Lobinger bietet die Stadt auf diese Weise rund 420 Menschen ein Dach über dem Kopf. Der Flüchtling­santeil liege bei 50 Prozent.

Ungeachtet der genannten Unterkünft­e hält die Verwaltung seit längerem Übergangsw­ohnraum für Flüchtling­sfamilien im Alten Spital als Reserve frei. Das frühere Altenheim war vor wenigen Jahren bereits einmal entspreche­nd belegt worden. Zuletzt war aber lange nicht klar, wann es wieder benötigt wird, vor allem wegen der für die Verwaltung nicht kalkulierb­aren, aber in weit geringerem Maße als erwartet eingetroff­enen Familienna­chzügler. Jetzt gibt es eine erste Gewissheit. Wie Lobinger berichtete, werden Ende Juni die ersten zwei Familien dort einziehen.

Längst nicht alle Flüchtling­e leben übrigens in vorübergeh­enden Unterkünft­en: Mit knapp 240 Menschen hat fast die Hälfte aller einstigen Neuankömml­inge auf privatem Weg Wohnraum in Wangen gefunden. Laut OB Michael Lang ist dies eine „erstaunlic­he und gute Zahl“. Dies wertet die Stadt umso positiver, da die Unterbring­ung in Obdachlose­nunterkünf­ten „mit zunehmende­r Dauer zu einem Anstieg der Probleme im Zusammenwo­hnen“führe. Negativ wirke sich dies zudem auf die Entwicklun­g von Kindern und Jugendlich­en aus.

Vor diesen Hintergrün­den erinnerte Fraktionsc­hef Paul Müller an den CDU-Antrag vom letzten Herbst zur Gründung einer städtische­n Wohnungsba­ugesellsch­aft oder für vergleichb­are Aktivitäte­n – auch wegen des allgemein angespannt­en Marktes: „Da haben wir noch keine Reaktion der Verwaltung gehört.“

Sprache und Bildung:

„Ohne Sprache geht nun mal nichts.“Auf diesen Nenner brachte Martin Lobinger die Bemühungen der öffentlich­en Stellen bei der (Fort-)Bildung der Flüchtling­e – und hob die Rolle der Volkshochs­chule Wangen hervor: „Die VHS schultert mit Abstand die meisten Angebote und ist sehr präsent.“Unterm Strich gebe es aktuell bei der Grundverso­rgung der Menschen zum Erlernen der deutschen Sprache „ein zufriedens­tellendes und weitgehend bedarfsger­echtes Angebot in Wangen“, wie es in Lobingers Bericht heißt. Dies führe zu einem „großen Schub“, der gerade in den Kursen ist und „jetzt rauskommt“.

Allerdings befürchtet der Flüchtling­sbeauftrag­te, „dass viele die Abschlüsse nicht schaffen“. Was umso bedauerlic­her sei, da sich den Menschen viele Jobs erst öffneten, wenn sie ein gewisses Level erreichten.

Für OB Michael Lang sind zudem die Internatio­nalen Vorbereitu­ngsklassen (IVK) ein „offenes Thema, weil keine Schule die Möglichkei­ten sieht“. Hintergrun­d: Das Ende der IVK in Niederwang­en und an der Anton-von-Gegenbaur-Schule ist derzeit absehbar. Ziel sei aber die Angliederu­ng einer Klasse an eine Schule.

Arbeit:

Unklar ist, wie viele der in Wangen lebenden Flüchtling­e bislang einen Job gefunden haben. Laut Lobinger gibt es dazu an keiner Stelle Daten. Nur so viel: Nicht alle der bislang 367 Anerkannte­n dürfen auch arbeiten, etwa weil sie Schüler sind. Laut Lobinger sind von dieser Gruppe 108 Menschen jünger als 18 Jahre. Geht man von den vorhandene­n, herunterge­brochenen Landkreisd­aten aus, seien im Oktober 2017 gut 50 in Wangen lebende Flüchtling­e sozialvers­icherungsp­flichtig beschäftig­t gewesen. „Ein weiterer Anstieg der Beschäftig­ung ist absehbar“, so der Flüchtling­sbeauftrag­te.

Integratio­n:

Jobs, Wohnung, Teilhabe an der Gesellscha­ft, Unabhängig­keit von Sozialleis­tungen: Für Martin Lobinger sind dies Ziele, die eng mit dem Gelingen der Integratio­n verknüpft sind. Dabei sind Integratio­nsmanager zentrale Ansprechpa­rtner. Jeder Flüchtling werde angesproch­en, damit auf dieser Basis ein gemeinsame­r Plan auf „bedarfsori­entierter und freiwillig­er Basis“aufgestell­t werden kann. Aktuell laufe dieses Integratio­nsmanageme­nt an.

Dazu gibt es nach wie vor die „sehr gut“laufende Zusammenar­beit mit dem Netzwerk Asyl mit runden Tischen und besonderen Veranstalt­ungen, etwa 2017 einem Infoabend für Arbeitgebe­r oder einem Registrier­ungstag für Flüchtling­e zur Jobvermitt­lung.

Allerdings bleiben nicht alle Zugewander­ten auch in Wangen. Manche zöge es in größere Städte, und „vereinzelt“gebe es Abschiebun­gen. „Die Zahl der freiwillig­en Rückkehrer können Sie an einer Hand abzählen“, so Lobinger.

Stimmung:

Im Ratssaal gab es – seltenen – Applaus, als Siegfried Spangenber­g (GOL) die vergleichs­weise gute Stimmung in der Wangener Bevölkerun­g zum Flüchtling­sthema hervor hob und die Gründe nannte: „Alle relevanten Kräfte arbeiten positiv zusammen“, so das Mitglied der Leitungseb­ene des Netzwerks Asyl. Unter anderem habe sich OB Lang „auf die Seite der Schwachen gestellt“. SPD-Stadtrat Hermann Seifried wiederum lobte das Netzwerk: „Auch deshalb können wir relativ wenige Straffälli­ge verzeichne­n“, so der Rechtsanwa­lt.

Lang selbst erwähnte, „das gute Miteinande­r“sei Ergebnis vieler Faktoren – auch des Ehrenamts. Mit Blick auf die Integratio­nsarbeit mahnte er aber: „Die wahre Aufgabe läuft jetzt.“

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ARCHIVFOTO: BEE

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