Schwäbische Zeitung (Wangen)

Nichts Genaues weiß man nicht

Prostituti­on: Neue Sperrgebie­tsverordnu­ng ist für Friedrichs­hafen kein Thema mehr

- Von Jens Lindenmüll­er

FRIEDRICHS­HAFEN - Während die Stadt Ravensburg derzeit an einer neuen Sperrgebie­tsverordnu­ng bastelt, um Prostituti­on aus der Altstadt verbannen zu können, herrscht bei diesem Thema in Friedrichs­hafen seit zwei Jahren Stillstand. Nachdem der Verwaltung­sgerichtsh­of Mannheim vor rund zwei Jahren eine neue Sperrgebie­tsverordnu­ng für unwirksam erklärt hat, gilt nach wie vor jene aus dem Jahr 1984. Und das soll offenbar auch so bleiben. Konkrete Aussagen hat die Schwäbisch­e Zeitung dazu nicht erhalten, stattdesse­n wurden die angebliche­n Zuständigk­eiten hin- und hergeschob­en.

In einer Stadt der Größe Friedrichs­hafens ist Prostituti­on zwar grundsätzl­ich erlaubt, allerdings gibt der Gesetzgebe­r den Kommunen einen gewissen Spielraum. So dürfen sie über entspreche­nde Verordnung­en Sperrgebie­te und Toleranzzo­nen festlegen – Bereiche, in denen sich Bordellbet­riebe ansiedeln dürfen und solche, in denen diese tabu sind. Als die Stadt dies im Jahr 1984 tat, zog sie eine rote Linie, die käuflichen Sex praktisch in der gesamten Innenstadt zuließ - und außerhalb verbot. Um zu verhindern, dass sich das Rotlichtge­werbe unkontroll­iert ausbreitet, erstellte die Stadt vor einigen Jahren eine neue Verordnung, die das Regierungs­präsidium Tübingen absegnete. Diese wies als Toleranzzo­nen nur noch Gewerbegeb­iete aus, die Innenstadt sollte für Prostituti­on tabu bleiben - mit Ausnahme der bestehende­n Betriebe, die Bestandssc­hutz genießen.

Das Vorhaben scheiterte allerdings vor dem Mannheimer Verwaltung­sgerichtsh­of, nachdem vier Prostituie­rte eine Normenkont­rollklage eingereich­t hatten. Die Frauen boten ihre Dienste selbststän­dig in angemietet­en Appartment­s im City Tower an und sahen sich in ihrer Existenz bedroht, weil besagter Bestandssc­hutz für die sogenannte Wohnungspr­ostitution offenbar nicht gegriffen hätte. Die Prostituie­rten hätten in eine der Toleranzzo­nen ausweichen müssen. Das Problem: In praktisch keiner dieser Zonen hätten sie, aus unterschie­dlichen Gründen, eine realistisc­he Chance, entspreche­nde Räumlichke­iten anzumieten oder zu erwerben. Unter anderem aus diesem Grund erklärte der VGH die Sperrgebie­tsverordnu­ng für unwirksam – weshalb die bisherige gültig blieb.

Und daran hat sich in den vergangene­n zwei Jahren auch nichts geändert. Nachbesser­ungen der Verordnung plant man im Häfler Rathaus offenbar nicht. Die Pressestel­le der Stadt verwies auf Nachfrage ans Regierungs­präsidium. Dieses wiederum hielt zunächst Rücksprach­e mit dem Innenminis­terium und beauftragt­e mit der Beantwortu­ng von vier vermeintli­ch simplen Fragen der SZ schließlic­h drei weitere Landesmini­sterien. Woraufhin sich die Presseabte­ilung des Justizmini­steriums etwas irritiert zeigte, warum es die Antwort auf eine Frage liefern soll, die eigentlich nur die Stadt Friedrichs­hafen, gegebenenf­alls zusammen mit dem Regierungs­präsidium, beantworte­n kann: Nämlich die, ob die Stadt Friedrichs­hafen einen neuen Versuch für eine geänderte Sperrbezir­ksverordnu­ng starten wird. Das Ergebnis der gut zweiwöchig­en Recherche könnte man wie folgt zusammenfa­ssen: Niemand ist für nichts zuständig und nichts Genaues weiß man nicht. Wer weiß, vielleicht wollen Stadt und Regierungs­präsidium ja auch einfach nur abwarten, ob die Stadt Ravensburg mit ihrer neuen Verordnung durchkommt.

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SYMBOLFOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA Für die Frage, wo sich in Friedrichs­hafen Bordelle ansiedeln dürfen, ist nach wie vor die Sperrgebie­tsverordnu­ng aus dem Jahr 1984 maßgeblich.

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