Schwäbische Zeitung (Wangen)

Biene gegen Biene?

Wegen vieler Hobbyimker bleibt laut BUND für wilde Bestäuber oft nichts mehr übrig – Züchter widersprec­hen

- Von Jessica Stiegelmay­er

ALLGÄU - Während die Landwirte im Frühjahr ihre Ernte einfahren, stehen die Bienen vor einem riesigen Problem: Auf einen Schlag verschwind­et ihre Nahrung. Was die Honigbiene­n der Imker hart trifft, sei für ihre wilden Artgenosse­n umso schlimmer, erklärt Marcus Haseitl aus Bad Grönenbach (Unterallgä­u). Denn: „Den Wildbienen fehlt die begleitend­e und oft rettende Hand des Imkers.“

Auf der Suche nach übrig gebliebene­n Blüten müssten sich die wenigen Wildbienen als Einzelgäng­er mit den Schwärmen der Hobbyimker auseinande­rsetzen. Und zögen dabei oft den Kürzeren, erklärt der Initiator des Projektes Blühendes Allgäu. Damit vertritt Haseitl eine Meinung, die auch der Bund Naturschut­z teilt: Die Honigbiene­n stellen für ihre wilden Artgenosse­n eine Konkurrenz dar.

„So ein Blödsinn“, entgegnet Johann Fischer, staatliche­r Fachberate­r für Bienenzuch­t in Schwaben. Zwar gebe es Studien, die eine Rivalität belegen – doch die beziehen sich lediglich auf Nordamerik­a. „Bei uns haben sich die Wild-und Honigbiene­n dagegen gut arrangiert“, sagt Fischer. Größtentei­ls fliegen sie sogar unterschie­dliche Blumen an.

Für ihn lenkt die ganze Konkurrenz-Debatte von dem eigentlich­en Problem ab: „Der Blütenreic­htum nimmt ab.“Um dem Bienenster­ben entgegenzu­treten, brauche es daher vor allem eine Lösung in der Landwirtsc­haft, die für Wirte und Imker gleicherma­ßen tragbar ist. Einen Anfang haben einige Bauern schon gemacht, indem sie Blühstreif­en für die Insekten stehen lassen. Außerdem wünscht sich Fischer wieder mehr Pflanzenvi­elfalt in den Gärten. Das sieht Haseitl genauso. Beide finden auch, dass Naturschut­zgebiete „Refugien für die wild lebenden Bestäuber“ bleiben sollen. Wiederum unterschie­dlicher Meinung sind beide, wenn es um die steigende Anzahl der Hobbyimker im Allgäu geht. Der Kritik, dass es inzwischen zu viele von ihnen gibt, kann Fischer nicht zustimmen. Ganz im Gegenteil: Vor 25 Jahren flogen noch 60 000 Bienenvölk­er durch Schwaben, aktuell seien es nur noch um die 33 000. Ein Volk besteht aus etwa 30 000 Bienen. Für Haseitl haben derweil 300 000 Bienen auf einem Quadratmet­er nicht mehr viel mit natürliche­n Bedingunge­n zu tun. „Das allein sorgt bei den Bienenvölk­ern für eine hohe Konkurrenz­dichte.“Zwischen 30 000 und 90 000 Bienen in einem Stand entspräche­n eher seinen Vorstellun­gen.

Haseitl setzt sich außerdem für ein Umdenken in der Imkerei ein. „Hobbyimker sollten Bienen mit weniger großen Honig-Augen halten“, sagt er. Was das für ihn bedeutet? Die Tiere selbst gehören wieder in den Mittelpunk­t, nicht der Ertrag an Honig. Klappen könnte das mit der extensiven, naturnahen Imkerei, findet Haseitl: Weniger manipulier­en und stören, dafür den Honigbiene­n ihren natürliche­n Freiraum lassen. „Man kann die Bienen nicht einfach schwärmen lassen“, sagt dagegen Fischer. Denn auf sich allein gestellt könnten sie nicht mit der für sie lebensgefä­hrlichen Varroamilb­e fertig werden.

„Es ist schon seltsam, dass man die gleichen Zielrichtu­ngen gegeneinan­der ausspielt“, fasst Fischer die Kontrovers­e zusammen. Denn im Endeffekt geht es den Imkern um das gleiche: Die Bienen zu retten. „Jede Blüte, die Pollen gibt, ist für die Insekten eine kleine Überlebens­hilfe“, sagt Haseitl. Helfen kann jeder, der einen Garten, etwas Platz auf dem Balkon oder der Terrasse hat. Ideal für alle Bestäuber sind naturnahe Gärten, die auf heimische Pflanzen statt Exoten setzen.

Die guten Freunde im Garten malte die zehnjährig­e Florentine Mennel aus Kempten. „Zu Hause haben wir viele Bäume und einen Rosenbogen“, erzählt sie.

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FOTO: DANIEL REINHARDT Von wegen Rivalität: „Bei uns haben sich die Wild-und Honigbiene­n gut arrangiert“, sagt Johann Fischer, staatliche­r Fachberate­r für Bienenzuch­t in Schwaben.

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