Schwäbische Zeitung (Wangen)

Frau nimmt Cannabis gegen Schmerzen

Polizei findet 217 Gramm Marihuana – 42-Jährige erhält Bewährungs­strafe

- Von Vera Stiller

WANGEN/LEUTKIRCH - Wegen des Besitzes von Betäubungs­mitteln in nicht geringer Menge ist jetzt eine Frau aus dem Raum Leutkirch zu einer Bewährungs­strafe von sieben Monaten verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die im Haus aufgefunde­ne Menge von 217 Gramm Marihuana nicht vom Freund der Tochter, sondern allein von der 42-Jährigen gebunkert worden war. Trotzdem wurde von einem minderschw­eren Fall ausgegange­n. Die Angeklagte hatte den Stoff allein zur Schmerzbeh­andlung eingesetzt.

„Ich bin austherapi­ert“, sagte die vor dem Wangener Amtsgerich­t sitzende Frau und wies auf die zahlreiche­n ärztlichen Maßnahmen hin, die Linderung bei immer wiederkehr­enden Gelenkentz­ündungen bringen sollten. „Nachdem ich wegen der Einnahme starker Medikament­e eine Magenblutu­ng bekam und ins Krankenhau­s eingeliefe­rt wurde, kam der Freund einer meiner Töchter zu mir und erzählte, dass es noch eine andere Möglichkei­t der Schmerzbeh­andlung geben würde“, berichtete die Angeklagte. Zunächst habe der Mann ihr ein Buch mit dem Titel „Behandlung mit Marihuana“, dann das Kraut selber mitgebrach­t.

Die Frau gab zu, „in der Küche etwas gehabt zu haben“, wies aber den Vorwurf, den Löwenantei­l des Stoffs in acht Einmachglä­sern verstaut unter ihrem Bett aufbewahrt zu haben, kategorisc­h zurück. „Ich hatte Marihuana unter dem Sofa im Erdgeschos­s gefunden und darum gebeten, es wegzuschaf­fen. Als die Polizei das Zeug unter dem Ehebett fand, musste ich davon ausgehen, dass es das vom Sofa-Versteck war.“

Gutachten bestätigt „Chronische­s Schmerzsyn­drom“

Im weiteren Verlauf der Verhandlun­g betonte die Frau, hier aber allein schon deshalb nicht tätig geworden zu sein, weil das Bett sich im Obergescho­ss des Hauses befinden würde und sie wegen der großen Schmerzen nicht in der Lage sei, Treppen zu steigen. Auch war sie sich sicher, von der Tochter gehört zu haben, dass deren Lebensgefä­hrte Marihuana anbaue und es nicht nur selber konsumiere, sondern auch verkaufe.

Mit „Ihre Tochter behauptet aber, dass Sie selber Cannabis anbauen und Sie sich Ihre Version der Geschichte nur ausdenken“, konfrontie­rte der Richter die Angeklagte und hielt ihr vor, die Tüten und Gläser eigenhändi­g etikettier­t zu haben. „Die Schrift auf den Tüten ist von mir, die auf den Gläsern nicht“, entgegnete die Frau. Ein vom Richter verlesenes ärztliches Gutachten bestätigte dann auch die Diagnose „Chronische­s Schmerzsyn­drom“. Der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft hielt die Einlassung des „wohl zu Unrecht belasteten Freundes der Tochter“, der eine Mitschuld weit von sich gewiesen hatte, für glaubhaft. Im Gegenzug nannte er die Anklage für „vollumfäng­lich erwiesen“und beantragte eine Bewährungs­strafe von einem Jahr und vier Monaten sowie eine „geringe Zahl an zu leistenden Arbeitsstu­nden“.

„Meine Mandantin hat das Material in guter Absicht bekommen“, ließ der Verteidige­r hören und wollte den „Zweifelsgr­undsatz“für die Angeklagte angewendet wissen. Zudem erinnerte er mit Blick auf den „Lieferante­n des Marihuanas“und dessen möglichen eigenen Drogenkons­um an die Tatsache, dass ein Zeuge das Recht habe zu lügen. Er gab zu bedenken: „Obwohl der Mann Kooperatio­nswillen signalisie­rt hatte, wollte er keine Haaranalys­e abgeben.“

Gleichzeit­ig wies der Rechtsanwa­lt auf die bescheinig­te Arbeitsunf­ähigkeit der Angeklagte­n hin, sprach sich im Fall einer Bewährungs­strafe vom Absehen eines Bewährungs­helfers aus, nannte die häuslichen Verhältnis­se seiner Mandantin und ihres Ehemanns „geordnet auf niedrigem Niveau“und überrascht­e das Gericht mit einem außergewöh­nlichen Vorschlag: „Für die nicht geforderte Rückgabe des eingezogen­en Betäubungs­mittels müsste nach der neuen Rechtsprec­hung ein Ausgleich in Form einer Gebühr geschaffen werden.“

Der Richter versprach, sich „einzulesen“, folgte in großen Teilen dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft, um deutlich zu machen: „Der Kontakt zwischen der Angeklagte­n und dem Freund der Tochter war seit längerer Zeit abgebroche­n. Sicherlich hätte der Mann noch ein anderes Plätzchen für den Stoff gefunden. Vor allem als er wusste, dass das Verfahren läuft.“

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