Vier Schülerinnen beweisen Zivilcourage
Kißlegger Realschülerinnen reagieren bei dramatischem Autounfall im Schulhof richtig
KISSLEGG - Vier Schülerinnen der Realschule Kißlegg haben bei einem dramatischen Unfall im Schulhof richtig reagiert und sind jetzt dafür geehrt worden. Vor knapp zwei Monaten verlor eine ältere Dame die Kontrolle über ihr Auto, kam von der Fahrbahn ab und fuhr, von der Adlerstraße kommend, den Radweg Richtung Schulhof entlang. Das Auto prallte gegen einen Stein, überschlug sich und blieb auf dem Dach liegen. Vier Schülerinnen leisteten geistesgegenwärtig erste Hilfe, beruhigten die Frau und holten den Notarzt. Die Johanniter, die Schule und die Gemeinde dankten den vier Schülerinnen nun für diesen Einsatz.
Eigentlich wollten die vier Zehntklässlerinnen Corinna, Nina, Stefanie und Annalena gerade in Ruhe für eine Prüfung lernen. Kurz nach der Pause schnappten sie sich dafür ihre Lernkarten und gingen an die frische Luft auf den Pausenhof, um Englisch zu pauken. Doch dann kam plötzlich ein Auto auf sie zugefahren, erinnert sich Corinna: „Das Auto kam den Hügel beim Fahrradkeller herunter, der Motor lief noch und es fuhr halb auf dem Radweg.“Dann prallte der Wagen gegen einen Stein, überschlug sich und blieb auf dem Dach liegen.
„Können sie nicht liegen lassen“
Die vier Klassenkameradinnen eilten ohne lange nachzudenken zur Unfallstelle. „Wir können die Frau da nicht liegen lassen“, war ihr erster Gedanke, erzählt Nina. Sie hörte die Stimme der Verunglückten aus dem Wageninneren. Diese bat um Hilfe, wollte aus dem Auto rauskommen. Beruhigend sprach Nina auf sie ein und öffnete die Tür. Annalena und Stefanie schafften es, auf der anderen Wagenseite die Tür zu öffnen, zogen den Schlüssel und der Motor des Autos ging endlich aus. Währenddessen schauten die vier Schülerinnen immer, dass die ältere Frau im Auto nicht alleine war und keine Panik bekam.
Mittlerweile kamen auch Lehrer aus dem Schulgebäude zur Hilfe. Gemeinsam schafften sie es, den Gurt der Frau lösen, erzählen die Schülerinnen. Notarzt und Feuerwehr waren bereits durch die vier Ersthelferinnen alarmiert. Mit ihren bunten Lernkarten stellten sie sich an die Straße, um dem Sanitätswagen der Johanniter den Weg zur Unfallstelle zu zeigen. Die Unfallfahrerin konnte daraufhin leicht verletzt geborgen und von den hinzugerufenen Rettungssanitätern versorgt werden.
„Sie haben alles richtig gemacht“, lobt Robert Lohr, Ortsbeauftragter der Johanniter, bei einem Treffen in der Realschule. Als er von seinen Kollegen vom Einsatz der vier Schülerinnen hörte, war er tief beeindruckt und wollte diese Leistung würdigen, erzählt der Sanitäter. „Sie haben nicht nur geschaut, sondern gehandelt. Der Frau hat es gut getan, dass jemand da war“, so Lohr weiter.
Sowieso habe er das Gefühl, dass es bei den Schulsanitätern in der Realschule gut laufe. Zwölf Schüler sind als Schulsanitäter ausgebildet und erhalten alle zwei Wochen eine Schulung durch einen Sanitäter der Kißlegger Johanniter. Wenn es einem Schüler im Unterricht etwa schlecht geht, kann dieser jederzeit zur Behandlung zu den Schulsanitätern gebracht werden. Doch diese können nicht überall sein, sagt Lohr: „Darum ist es so wichtig, dass jeder helfen kann.“Eben so, wie die vier Zehntklässlerinnen, die vor kurzem alle einen Erste-Hilfe-Kurs für ihren Führerschein absolviert haben.
„100 glückliche Umstände“
Auch Rektor Franz Biggel-Blaschko und Konrektor Martin Weishaupt danken ihren Schülerinnen im Namen der Schule für den Einsatz. „Es kamen 100 glückliche Umstände zusammen, dass niemand verletzt wurde“, sagt Biggel-Blaschko. „Nur zehn Minuten früher und der Pausenhof wäre voller Schüler gewesen.“Die Schülerinnen hätten genau richtig regiert, denn es gehe darum, bei einem Unfall zu handeln und nicht die Kamera zu zücken, ergänzt Weishaupt.
Für die Gemeinde Kißlegg dankt Bürgermeister Dieter Krattenmacher den Zehntklässlerinnen: „Ihr habt Zivilcourage bewiesen.“Es freue ihn, dass so viele Jugendliche in Kißlegg sich bei den Johannitern und bei der Jugendfeuerwehr engagieren. „Ich habe ein gutes Gefühl für die Zukunft“, sagt Krattenmacher.
Corinna, Nina, Annalena und Stefanie werden den Schulsanitätern an der Realschule zwar nicht beitreten, da sie die Schule bald verlassen. Doch Sanitäter Robert Lohr ist optimistisch, dass sie ihr hohes Maß an Engagement auch künftig für den Sanitätsdienst einsetzen werden – ob an einer weiterführenden Schule oder privat.
Wo der Unfall an der Kißlegger Realschule genau passiert ist, sehen Sie in einem Video unter www.schwäbische.de/ schulsanitäter