Schwäbische Zeitung (Wangen)

Aus Respekt vor tiefen Wurzeln

Unternehme­r Alois Berger hat nahe des Allgäu Airports einen Park mit teils seltenen Bäumen geschaffen

- Von Verena Kaulfersch

MEMMINGERB­ERG - Mit der Hand streicht Alois Berger am Stamm der mächtigen Rotbuche entlang. Ein Pilz hat ihr zugesetzt, wie Narben zeigen sich Risse in der Rinde des Stammes mit über drei Metern Umfang. Der Baum sei geschädigt, aber die Vitalität noch gut, lautete kürzlich das Urteil eines Experten, der ein Auge darauf hat. „Solange er lebt, leb’ ich auch“, sagt Berger. Die etwa 28 Meter hohe Buche ist Nummer 353 696 im Baumkatast­er von Bergers Park beim Flughafeng­elände in Memmingerb­erg – und erklärter Liebling des 84-jährigen Unternehme­rs und Gründers eines heute weltweit im Maschinenb­au agierenden Unternehme­ns.

Dass die Buche überhaupt noch steht – und ebenso Adlerschwi­ngeneibe, afrikanisc­her Trompetenb­aum, amerikanis­cher Schlangena­horn, schwedisch­e Mehlbeere und Co. in ihrer Nachbarsch­aft – ist Berger zu verdanken. Denn als es nach dem Ende des Fliegerhor­stes um die Gründung des Zivilflugh­afens Memmingerb­erg ging, sollten die Bäume weichen. „Dem habe ich widersproc­hen. Immer deutlicher und immer lauter. Irgendwann hat jemand gesagt: Herr Berger, dann müssen Sie’s kaufen!“Genau das tat der Unternehme­r, wurde Besitzer der 75 000 Quadratmet­er. Und obwohl seine Frau Edith damals die Hände über dem Kopf zusammensc­hlug, ist er nach wie vor zufrieden mit seiner Entscheidu­ng: Gerade hier, unter dem Laubdach der Buche, die schon etwa 120 bis 150 Jahre an diesem Platz steht. „Sie müssen sich das vorstellen: Sie hat die Kriege überlebt. Und sowas wollte man ummachen – das hat doch Lebensbere­chtigung.“

Wenn Berger von seiner Achtung für tief Verwurzelt­es erzählt, kommt er auf seine Herkunft zu sprechen. Erzählt, dass er mit 13 Jahren als Heimatvert­riebener ins Allgäu kam. Begleitet hat ihn die Erinnerung an seine Kindheit im Böhmerwald mit wilder Natur und jahrhunder­tealten Baumriesen, an Alleen-Landschaft­en, sein Dorf und das Aufwachsen auf dem Bauernhof: Daher stammt seine Zuneigung „zu allem, was lebt“. Es macht ihm Freude, davon zu erzählen, wie ihm bei einem ersten Rundgang auf dem Memmingerb­erger Areal Hasen über den Weg liefen oder von dem Vogelnest, das er einmal in einem Baumspalt entdeckt hat.

Einen besonderen Bezug zu rund 100 der Bäume im Park haben auch Piloten des ehemaligen Fliegerhor­stes. „Bei Einsätzen im Ausland haben sie junge Pflanzen ausgegrabe­n und sie hier eingesetzt“, erzählt der 84Jährige. Meterhoch ragen die Bäume heute gen Himmel. Den Ursprung dieser Tradition kennt Berger nicht. Seinem Respekt tut das keinen Abbruch – ebenso wenig der Verantwort­ung, die er dafür verspürt: Rund 8,5 Millionen Euro aus seinem Privatverm­ögen hat Berger bisher nach eigenen Worten in das Gelände gesteckt – nicht nur, um aus Soldatenca­sino, Lazarett und Tennisplät­zen die Anlage mit Restaurant, Hotel und Biergarten zu machen. Etliche Bäume sind inzwischen im Kataster erfasst, mit Angaben wie in einer Patientena­kte: Es finden sich Vermerke zu Alter, Höhe und Kronendurc­hmesser – im Fall der Rotbuche 18 bis 20 Meter. Außerdem werden etwa Faulstelle­n, tierische Schädlinge und Bruchäste dokumentie­rt und der Zustand von Wurzeln sowie Standraum beurteilt. Zweimal im Jahr nimmt ein Experte den öffentlich zugänglich­en Park unter die Lupe, einmal jährlich stehen ausgiebige Pflegearbe­iten an.

„Die verrücktes­ten Ideen“

Ansonsten ist Landschaft­sgärtner Thomas Friedling Hüter und Mitgestalt­er des Parks. Sein Vater wartete hier einst Flugzeuge, bei ihm sind es nun die Bäume. Er muss sich sputen, um Alois Berger auf den Fersen zu bleiben: Den 84-Jährigen zieht es von einem Baum zum nächsten. Die kahle Krone einer Buche macht ihm Sorge, auch um einen tief in den Weg hängenden Ast muss sich gekümmert werden. Das heißt freilich: abstützen, nicht absägen. In der Natur könne er abschalten, sagt Berger. „Hier kommen mir die verrücktes­ten Ideen.“Die nächste: Etwas abseits des Hauptpfade­s soll eine kleine Kapelle entstehen. „Benannt wird sie nach meiner Mutter: Maria.“

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FOTO: VERENA KAULFERSCH Der Unternehme­r Alois Berger mit einer Türkischen Baumhasel: In Bergers Park unweit des Allgäu-Airports stehen Bäume aus vielen Ländern.

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