Schwäbische Zeitung (Wangen)

Lehrer und Erzieher gesucht

Bildungsex­perten weisen auf wachsende soziale Kluft hin

- Von Tobias Schmidt

BERLIN (AFP/dpa) - Deutschlan­d braucht in den kommenden Jahren nach Ansicht von Bildungsfo­rschern Hunderttau­sende neue Erzieher und Lehrer, um den wachsenden Herausford­erungen in Kitas und Schulen begegnen zu können.

Zudem sei trotz vieler Reformproj­ekte nicht gelungen, „Bildungsun­gleichheit­en entscheide­nd zu verringern“, heißt es in dem am Freitag vorgelegte­n nationalen Bildungsbe­richt. Nur knapp ein Viertel der Kin- der (24 Prozent) von Eltern mit einer berufliche­n Ausbildung ohne Abitur studieren, bei Akademiker­kindern liegt der Anteil bei mehr als drei Vierteln (79 Prozent). Die soziale Herkunft habe nach wie vor einen zu starken Einfluss auf den Bildungser­folg, sagte Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek (CDU). 49 300 oder sechs Prozent der Jugendlich­en verließen 2016 die Schule ohne mindestens Hauptschul­abschluss. 2015 waren es 1900 weniger.

BERLIN - Immer mehr Schulen auf dem Land werden geschlosse­n, immer mehr Lehrer und Erzieher fehlen. Die Kluft zwischen Bildungsge­winnern und Verlieren weitet sich aus. Die Ergebnisse des am Freitag in Berlin vorgestell­ten nationalen „Bildungsbe­richts 2018“seien „ein Weckruf an die Politik“, erklärt Linken-Politiker Helmut Holter, Kultusmini­ster von Thüringen und Präsident der Kultusmini­sterkonfer­enz. Hintergrün­de zum Thema:

Was sind die wichtigste­n Trends?

An Kitas, Schulen und Universitä­ten werden immer mehr Plätze und damit mehr Erzieher und Lehrkräfte benötigt. Seit 2009 ist die Zahl der Kitakinder, Schüler, Studenten und Erwachsene­n um eine halbe Million gestiegen. Die Gründe sind vielfältig: Eine seit fünf Jahren steigende Geburtenra­te, zunehmende Migration sowie der Wunsch von immer mehr Eltern, ihre Kinder in die Betreuung zu geben. Hinzu kommt, dass der Anteil der Abiturient­en stetig wächst. 2006 machten 34 Prozent eines Jahr- gangs Abi, 2016 waren es 43 Prozent, und auch immer mehr Lehrlinge erreichen die Hochschulr­eife.

Gibt es in puncto Chancenger­echtigkeit Fortschrit­te?

Trotz des steigenden Abiturient­enanteils verringert sich die Zahl der Jugendlich­en, die keinen Abschluss schaffen, nicht. Der Anteil ist sogar gegenüber 2014 um 0,2 Prozentpun­kte auf sechs Prozent angestiege­n. Bei Jugendlich­en mit ausländisc­hen Wurzeln bleiben sogar 30 Prozent ohne Abschluss. Auch wenn immer mehr Menschen nach guter Bildung streben: Die soziale Kluft bleibt bestehen. 79 von 100 Kindern aus Akademiker­haushalten studieren später selbst. Bei den anderen nur 24 von 100.

Wie groß ist der Erzieher- und Lehrer-Notstand?

Derzeit sind rund 11 000 Stellen für Kindererzi­eher und -Betreuer nicht besetzt. Die Autoren des „Bildungsbe­richts“gehen von einem Bedarf von 313 000 zusätzlich­en Kita-Fachkräfte­n bis 2025 aus. Ausgebilde­t werden bis dahin aber nur 274 000.

Ist die Situation in Städten und auf dem Land ähnlich?

Machen Schulen in Kleinstädt­en und Dörfern dicht, weil zu wenig Schüler dort leben, ziehen noch weniger Menschen dort hin. Später fehlen auch weiterführ­ende Schulen und Universitä­ten. Die Zahl der Berufsschu­len ist in den ostdeutsch­en Ländern in den vergangene­n zehn Jahren um ein Fünftel zurückgega­ngen. Auch beim Personalsc­hlüssel für die Kinderbetr­euung gibt es bereits massive Diskrepanz­en. So kümmern sich in Baden-Württember­g Erzieherin­nen und Erzieher um je drei Kinder, in Sachsen um 5,9.

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FOTO: DPA Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek ( CDU) und Helmut Holter ( Die Linke), Präsident der Kultusmini­sterkonfer­enz, bei der Vorstellun­g des Berichts.

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