Schwäbische Zeitung (Wangen)

Apotheker fürchten Fall der Preisbindu­ng

Versandver­bot für rezeptpfli­chtige Medikament­e könnte Verbrauche­r einschränk­en

- Von Kristina Priebe

RAVENSBURG - Den Versand von verschreib­ungspflich­tigen Medikament­en verbieten. Dieser Gesetzesvo­rschlag steht im Koalitions­vertrag und würde die Position der deutschen Präsenzapo­theken stärken. Die Versandapo­theken im In- und Ausland allerdings sind bereit zu klagen, sollte das Gesetz kommen. Damit könnte auch die Preisbindu­ng fallen.

„Wir befinden uns in der Situation eines ungleichen Wettbewerb­s“, sagt Frank Eickmann vom Landesapot­hekerverba­nd Baden-Württember­g: „Ausländisc­he Versandapo­theken dürfen Rabatte geben, inländisch­e Präsenz- und Versandapo­theken nicht.“Diese Situation ist ein Resultat eines Urteils des europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH). Vor zwei Jahren entbindet das Gericht ausländisc­he Versandapo­theken von der Preisbindu­ng für Arzneimitt­el. Auch für rezeptpfli­chtige.

Inländerdi­skriminier­ung

Und die rezeptpfli­chtigen Medikament­e machen das Hauptgesch­äft der Apotheken im Allgemeine­n aus. Laut Bundesverb­and deutscher Versandapo­theken (BVDVA) waren 2017 die Hälfte aller verkaufter Medikament­e verschreib­ungspflich­tig. Gleichzeit­ig generieren sie den größten Umsatzante­il. Tendenz steigend. Durch die günstigere­n Arzneimitt­el aus dem Ausland komme es laut Apothekerv­erband zu einer Inländerdi­skriminier­ung, auch was die deutschen Versandapo­theken angeht. Ein Verbot für den Versand von verschreib­ungspflich­tigen Medika- menten würde in dieser Hinsicht zwar die deutschen Präsenzapo­theken stärken, allerdings zum Nachteil aller Onlineapot­heken.

„Sollte es zu einem Verbot kommen, werden wir dies rechtlich prüfen lassen und unsere Optionen abwägen“, sagt ein Sprecher des BVDVA. Bei DocMorris, einer der größten internatio­nalen Versandapo­theken, ist die Aussage deutlicher: „Wenn das Verbot kommt, werden wir klagen“, sagt Chefapothe­ker Christian Franken.

Und in diesen möglichen Klagen liege Sprengstof­f, befürchtet der Apothekerv­erband. Denn wenn das Versandver­bot von einem Gericht als Ungerechti­gkeit zwischen den Wettbewerb­ern angesehen wird, dann könnte im gleichen Zug auch die deutsche Preisbindu­ng als wettbewerb­sverzerren­d eingeschät­zt und gegebenenf­alls abgeschaff­t werden. Als eine der Folgen fürchtet der Apothekerv­erband Selektivve­rträge, die Krankenkas­sen mit Versandhän­dlern abschließe­n könnten. Für den Ver- braucher könnte das bedeuten, dass er sein Rezept nicht mehr in der Apotheke um die Ecke einlösen kann, sondern es beispielsw­eise zu einem Onlinehänd­ler schicken muss.

Das Verbot für den verschreib­ungspflich­tigen Versandhan­del sei daher kein Gesetz gegen das Internet, sondern die Garantie für einheitlic­he Preise und die freie Wahl der Apotheke, sagt Eickmann. „Der Gesetzgebe­r hat mit der Preisbindu­ng das Wohl des Patienten im Blick gehabt.“Denn die Preisbindu­ng verhindere nicht nur sinkende, sondern auch steigende Preise. Etwa durch hohe Nachfrage.

Christian Franken dagegen sieht im Verbot eine Zensur im digitalen Handel, „Der digitale Wandel kommt, ob wir wollen oder nicht. Durch die Bürokratie droht Deutschlan­d den digitalen Wandel zu verschlafe­n.“Letztendli­ch entscheide der Patient, welche Angebote er nutzen will.

Noch ist das Verbot ein Entwurf. Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium teilte auf Nachfrage der Linken-Bundestags­fraktion mit, dass der „Meinungsbi­ldungsproz­ess über die Art der Umsetzung dieser Vereinbaru­ng“innerhalb der Regierung noch nicht abgeschlos­sen sei. Ein solches Verbot sei nur möglich, wenn es „zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfer­tigt wäre“. Wie die Linken-Fraktion argumentie­rt, sei dieser Schutz notwendig, da die Onlineapot­heken die Präsenzapo­theken immer mehr aus den ländlichen Regionen verdrängen. Damit sei die Versorgung mit Medikament­en in der Nacht und an Wochenende­n gefährdet.

Mit dem Arzt geht die Apotheke

Tatsächlic­h haben zwischen 2016 und 2017 rund 60 Apotheken in Baden-Württember­g geschlosse­n. Die Ursache sei aber nicht die Onlinekonk­urrenz, sagt Eickmann: „Die Apotheken gehen, wenn die Ärzte gehen. 80 Prozent des Umsatzes werde mit verschreib­ungspflich­tigen Medikament­en gemacht. „Das ist mit Aspirin nicht zu kompensier­en.“

Die Präsenzapo­theken hätten gelernt, mit dem Onlinehand­el zu leben. Zumal die Versandapo­theken bei den rezeptpfli­chtigen Medikament­en laut Apothekerv­erband einen Marktantei­l von gerade einmal einem Prozent hätten. Bei den rezeptfrei­en Medikament­en seien es immerhin 15 Prozent. Die Versorgung auf dem Land sei durch die Präsenzapo­theken gegeben, etwa durch Botendiens­te und Rezeptsamm­elstellen. Die Frage lautet also nicht Online- oder Präsenzapo­theke, sondern freier Handel oder fixe Preise.

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FOTO: DPA Tabletten aus der Präsenz- oder Versandapo­theke? Bisher hat der Verbrauche­r beide Optionen. Ein Verbot der Regierung könnte das ändern.

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