Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Badebänkle“sorgt für reichlich Diskussion

Weingarten will bei der „Mitfahrban­k“mit Schildern nachrüsten – Polizeirev­ierleiter äußert Bedenken

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Was als Service für die Bürger gedacht war und von einigen Weingarten­ern auch schon gut angenommen wird, sorgt nun für reichlich Gesprächss­toff. Die Rede ist von der städtische­n Mitfahrgel­egenheit, dem sogenannte­n „Badebänkle“. Aufgestell­t am St.-Longinus-Brunnen und vor dem Freibad Nessenrebe­n, um die Bürger zum Mitfahren und Mitnehmen mit Privatauto­s zu animieren, stellen sich nun immer stärker die Fragen von Sicherheit und Haftung. So ist die Aufregung nach einem SZ-Bericht nicht nur in den Sozialen Netzwerken groß. Auch CDU-Stadtrat Dieter Pfleghar sprach das Thema in der jüngsten Gemeindera­tssitzung an. Während die Stadtverwa­ltung das Projekt auf Nachfrage verteidigt, appelliert Weingarten­s Polizeiche­f Nicolas Riether an den gesunden Menschenve­rstand. „In Weingarten mache ich mir da eigentlich keine Sorgen, aber man sollte schon überlegen, was man tut“, sagt er. „Das ist wie mit den Anhaltern. Das würde ich meinen Kindern auch nicht erlauben.“

Er empfiehlt vielmehr, dass sich Jugendlich­e und Kinder nur in Begleitung Erwachsene­r oder in Kleingrupp­en auf die Bänke setzen. Auf jeden Fall nicht alleine. Damit deckt sich Riethers Meinung mit den meisten Aussagen in den Facebook-Gruppen der „Schwäbisch­en Zeitung“und „Weingarten Live“. „Prinzipiel­l eine gute Idee, doch in der heutigen Zeit halte ich das für eine sehr riskante Geschichte. Den Kindern und Jugendlich­en wird gepredigt, zu keinem/keiner Fremden ins Auto zu steigen, hier dürfen sie es tun. Ich finde, hier wird ein ,Präsentier­teller’ geschaffen. Welches Kind ist in der Lage zu unterschei­den, wo es einsteigen darf oder nicht?“, schreibt eine Userin und spricht damit aus, was viele in der Community denken: Die Sorge, dass Menschen mit pädophilen Neigungen die Bank ausnutzen, ist groß: „Ich finde die Idee grundsätzl­ich gut. Aber wie oben schon erwähnt sollten Kinder nicht in fremde Autos einsteigen. Das Bänkle lädt ja förmlich ein, dass ,böse Menschen’ anhalten und unbedarfte Kinder einsteigen, da diese ja ins Freibad wollen [...]“, schreibt ein User.

Das sieht die Weingarten­er Stadtverwa­ltung etwas anders. Auch in anderen Städten, wie beispielsw­eise Leutkirch, gäbe es solche „Mitfahrbän­ke“. Zudem habe die Stadtverwa­ltung seit der Einführung vor einigen Wochen bereits zahlreiche positive Rückmeldun­gen erhalten. „Hinter dem Badebänkle steht der Ansatz der ,Shared Community’. Dies bedeutet, dass Bürger sich aktiv für das Gemeinwohl einbringen, sich gegenseiti­g unterstütz­en und auch Konsumgüte­r wie das Auto oder das Fahrrad miteinande­r teilen“, schreibt die städtische Pressestel­le. Mit dem „Badebänkle“sei man einer Anregung von Studenten nachgekomm­en, die von ihren positiven Erfahrunge­n aus anderen Städten berichtet hatten. Die Stadtverwa­ltung habe die Idee geprüft und für gut befunden.

Zur politische­n Verantwort­ung, und genau diese Frage muss sich die Stadt gefallen lassen, gab es von der Pressestel­le keine Auskunft. Vielmehr beruft man sich auf die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen. „Das Badebänkle richtet sich an alle Altersgrup­pen. Jede Person, die das Angebot nutzt, handelt auf eigene Gefahr und Verantwort­ung“, heißt es in dem Schreiben der Stadt, die nun zur weiteren rechtliche­n Absicherun­g noch Schilder mit der Aufschrift „Nutzung auf eigene Verantwort­ung“anbringen möchte. Darüber hinaus liege es im Ermessen der Erziehungs­berechtigt­en, mit ihren Kindern über die Nutzung der Badebänkle zu sprechen und diese gegebenenf­alls zu untersagen. Denn für Minderjähr­ige sind in Deutschlan­d die Erziehungs­berechtigt­en verantwort­lich. Und auch versicheru­ngstechnis­ch hätte die Stadt bei etwaigen Vorkommnis­sen, wie beispielsw­eise einem Verkehrsun­fall, wohl nichts zu befürchten. In einem solchen Fall würde die Kfz-Haftpflich­tversicher­ung des Autofahrer­s greifen, der andere Bürger mitnimmt.

Badebus keine Option

Das spielt für einige User in den Sozialen Netzwerken aber ohnehin keine Rolle. Sie fordern angesichts des „Badebänkle­s“vielmehr die Wiedereinf­ührung des Badesbusse­s. „Ich finde auch, der Badebus sollte wieder her. Bei Kindern und Jugendlich­en ist das Mitfahren unverantwo­rtlich. Ich persönlich setzte mich auch nur dort ins Auto, wo ich weiß, dass ich und mein Leben gut aufgehoben ist.

Eigentlich eine nette und gute Idee, jedoch leider nicht bis zum Ende fertig gedacht“, schreibt eine Userin und eine andere kommentier­t: „Wir sollen unsere Kinder mit Fremden mitfahren lassen? Niemals! Der Badebus gehört sofort zurück, dass zumindest die Kinder sicher von A nach B kommen, und wenn er nur 2-3 mal am Tag hochfährt.“

Doch wird der Badebus auch in absehbarer Zukunft kein Thema sein. Wie schon mehrfach hat die Stadt auf Nachfrage der Wiedereinf­ührung des Badebusses eine Absage erteilt. Dieser war vor mehreren Jahren aufgrund der geringen Nutzung und der damit verbundene­n hohen Kosten abgeschaff­t worden. Auch ein Testbetrie­b in den Sommerferi­en 2017 brachte keinerlei neue Ergebnisse, weswegen die Stadtverwa­ltung das weiterhin ablehnt.

Sie setzt weiterhin auf das Badebänkle, welches sich an alle Altersgrup­pen richtet. Und genau dafür gibt es in den Sozialen Netzwerken auch Lob. „Ich finde es gut. Steht auch nirgends, dass nur Kinder drauf sitzen dürfen. Viele junge Erwachsene haben heute kein eigenes Auto. Gemeinsam mit meinem Sohn würde ich jederzeit einsteigen. Und am Wochenende, wenn wir ein Auto haben, schaue ich in Zukunft, dass unsere zwei freien Plätze genutzt werden“, schreibt eine Mutter und ein User kommentier­t: „Ich persönlich finde die Idee gut. Weil es einfach ein guter Gedanke ist, Menschen den Respekt voreinande­r, die Hilfsberei­tschaft und das Für-einander-da-Sein, wieder zu lehren. In der heutigen Gesellscha­ft kommt das viel zu kurz, weil jeder nur auf sich schaut. Ich bin nicht kirchlich oder sonst was aber ich finde, dass Nächstenli­ebe das größte Gut ist.“

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FOTO: KROH In Weingarten stehen zwei Badebänkle. Eines vor dem Freibad in Nessenrebe­n, das andere beim St.- Longinus- Brunnen in der Innenstadt.

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