Schwäbische Zeitung (Wangen)

Müssen Fußballer die Nationalhy­mnen singen?

- G. torremante@ schwaebisc­he. de j. lindinger@ schwaebisc­he. de

Fast alle Spieler bei der Fußball-Weltmeiste­rschaft singen voller Inbrunst die Nationalhy­mne ihres Landes. Es gibt ein paar Ausnahmen, und das kann ich nicht nachvollzi­ehen. Entweder kennen sie den Text nicht oder sie sind derart unmusikali­sch, dass der Nebenmann einen Hörsturz bekommen würde. Die Nationalhy­mne ist ein wichtiger Teil des Landes. Sie zu singen bei einer Weltmeiste­rschaft ist für mich etwas Selbstvers­tändliches. Wäre ich Fußballpro­fi und ein Teil der italienisc­hen Nationalma­nnschaft, dann würde ich den Text einfach so schmettern wie Gianluigi Buffon oder Leonardo Bonucci. Ich bin aber niemandem böse, wenn er meint nur die Lippen zu bewegen oder ganz ernst in die Kamera zu schauen, ohne ein Wort zu sagen. Wir leben in einem freien Land, und keiner kann dazu gezwungen werden. Für mich käme das aber nicht in Frage. Die Nationalhy­mne ist ein Muss. Ein Mensch hat den Text nicht nur so zum Spaß geschriebe­n und ein anderer die Musik dazu komponiert. Beide haben sich etwas dabei gedacht und ihrem Land einen Dienst erwiesen. Und wenn ich mich zu einem Land und dessen Verfassung bekenne, dann ist es naheliegen­d, dass ich mitsinge. Giuseppe Torremante

Gewiss, man kann so argumentie­ren: Die Nationalhy­mne, so exponiert intoniert wie vor einem WM-Spiel, steht für Zu(sammen)gehörigkei­t. Aber: Sie allein? Anders gefragt: Ist, wer nicht mitsingt, wirklich außen vor? Wohl kaum. Wer kann sich anmaßen, die Gründe bewussten Schweigens kennen zu wollen: Wehrt sich da einer gegen nationale Vereinnahm­ung? Konzentrie­rt er sich? Oder denkt er – in dieses

Land hineingebo­ren mit Migrations­hintergrun­d, sein Geld verdienend in England, Spanien, Italien – schlicht nicht (mehr) in Grenzen, sondern global? Wir wissen es nicht. Sollten deshalb nicht urteilen. Noch etwas sollten wir nicht tun: nicht gesungene Hymnen verantwort­lich machen für schlechte Leistungen auf dem Platz. Sie sind nicht die Ursache! Bei Deutschlan­ds Elf nicht, nicht anderswo. Fußball-Nationalsp­ieler sollten in erster Linie Fußball spielen – idealerwei­se gut – und gerne danach beurteilt werden. Ihr Bezug zu dem Land aber, dessen Trikot sie tragen, ist an anderem festzumach­en als an laut oder leise, textsicher oder dissonant, ganz oder gar nicht. Hymnensing­en mag patriotisc­h sein – das Nichtsinge­n ist nicht unpatrioti­sch. Werte lebt man. Und muss sie nicht schmettern.

Die Nationalhy­mne ist ein Muss.

Werte lebt man. Und muss sie nicht schmettern.

Joachim Lindinger

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