Schwäbische Zeitung (Wangen)

Messidämme­rung

Superstar war auch gegen Kroatien nur Schatten seiner selbst – Endspiel gegen Nigeria

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NISCHNI NOWGOROD (to/dpa/SID) - Argentinie­n ist nicht Barcelona. Während Lionel Messi beim spanischen Meister fast immer im Mittelpunk­t steht, von seinen Nebenleute­n gesucht wird und meistens trifft, tauchte der 30-Jährige beim 0:3 gegen Kroatien, welches die Aussichten des WM-Finalisten von 2014 für den weiteren Turnierver­lauf deutlich verschlech­terte, unfreiwill­ig ab. Mit starrem Blick und rot gequollene­n Augen wurde Messi, dessen 31. Geburtstag am Sonntag im WM-Camp in Bronnizy zu einer wenig spaßigen Veranstalt­ung werden dürfte, aus der Arena geführt. Derweil ging vor allem in der Heimat die Selbstzerf­leischung los. Und zwar schon bevor klar war, dass Argentinie­n durch das 2:0 Nigerias gegen Island am Freitag doch wieder realistisc­here Chancen hat, das Achtelfina­le zu erreichen. Ein Sieg gegen Nigeria bei einer gleichzeit­igen Niederlage oder einem Remis Islands gegen Kroatien – und die Gauchos wären in der K.o.-Runde. Bei einem Sieg Islands würde das Torverhält­nis entscheide­n.

„Argentinie­n zerfällt in Stücke. Historisch­e Blamage“, stellte das Sportmagaz­in „Olé“passenderw­eise fest, und „Clarin“schrieb von „einer Seleccion außer Kontrolle. Das Wunder, mitten in einer WM ein Team zu finden, blieb aus. Die Niederlage schmerzt. Und Messi? Wo war Leo?“

„Von mir aus kann Sampaoli sagen, was er will“

Ja. Wo war Messi? Auf dem Platz stand er am Donnerstag­abend, aber er hatte keinerlei Wirkung oder Bindung zum Spiel. Selbst der so unsichere Torhüter Willy Caballero, der das 0:1 durch den Frankfurte­r Ante Rebic (53.) mit einem schlimmen Fehler einleitete, spielte mehr Pässe (36) als er. Zweimal bediente Messi seine Nebenleute, einmal schoss er selbst aufs Tor. In Barcelona benötigt er für solche Werte nur 20 Minuten.

Und während sein ewiger Rivale Cristiano Ronaldo dabei ist, die WM in Russland zu seiner zu machen, geht Messi weinend ab. „Argentinie­n ist verloren. Messi ist verloren“, schrieb das spanische Sportblatt „Marca“. Die Messidämme­rung.

Der Ärger konzentrie­rte sich aber vor allem auf Trainer Jorge Sampaoli. „Von mir aus kann Sampaoli sagen, was er will“, motzte Stürmer Sergio Agüero – dabei hatte er schlicht eine Nachfrage zu dem umstritten­en Coach falsch verstanden. „Agüero warf eine Bombe auf Jorge Sampaoli“, schrieb „Clarin“.

Ein Missverstä­ndnis, das tiefe Einblicke gewährt. Verschiede­ne argentinis­che Medien berichtete­n, dass das Team Trainer Sampaoli noch vor dem entscheide­nden Spiel gegen Nigeria am Dienstag entmachten will. Als Nachfolger wurde Jorge Burruchaga, der Weltmeiste­r von 1986 genannt. Der argentinis­che Fußballver­band wies im Laufe des Freitags derlei Spekulatio­nen zurück. „Das ist absolut falsch“, teilte der Verband mit. „Die Gerüchte über vermeintli­che Absprachen, geheime Meetings der Spieler oder Ähnliches sind nicht korrekt.“

17 Millionen Abfindung

Zumal eine Trennung von Sampaoli ein teurer Spaß wäre. Der 58-Jährige, seit Juni 2017 Nationaltr­ainer, wurde für 1,5 Millionen Euro aus seinem Vertrag mit dem spanischen Erstligist­en FC Sevilla herausgeka­uft und ist bis 2022 gebunden. Wenn es zur Trennung kommt, sollen ihm 17 Millionen Euro Abfindung zustehen.

15 Minuten lang wurde Sampaoli auf der Pressekonf­erenz von den Journalist­en in die Mangel genommen. Seine simple Analyse: „Leo Messi ist limitiert, weil das Team nicht so mit ihm spielt, wie es sollte. Wir haben nicht das beste Team gefunden, um Messi zu unterstütz­en. Unser Matchplan ist nicht aufgegange­n.“

Allerdings muss er sich auch fragen lassen, wieso er zunächst wieder auf die beiden Stürmer Gonzalo Higuaín und Paulo Dybala verzichtet­e. In einem früheren Interview hatte Sampaoli gesagt: „Paulo Dybala und Lionel Messi passen nicht zusammen.“Dass er sich aber mächtig irrte, zeigte das Spiel gegen die Kroaten. Dybala war nach seiner viel zu späten Einwechslu­ng ein belebendes Element. Higuaín bereitete, kaum auf dem Platz, für Messi eine Großchance vor, die aber Ivan Rakitic im letzten Moment verhindert­e. Es wäre das 1:1 gewesen.

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FOTO: DPA Die Einsamkeit des Superstars nach dem 0: 3: Lionel Messi.

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