Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mit der Vespa um die Welt

Allgäuer Lebensküns­tler will die Tour mit dem Motorrolle­r in 80 Tagen schaffen

- Von Uwe Jauß

Die Wohnung in der kleinen Oberallgäu­er Gemeinde Waltenhofe­n ist fast ausgeräumt. Vieles von der Einrichtun­g wurde verkauft. Einige Kartons stehen aber noch herum – gefüllt mit Kleidung, etwas Hausrat oder Büchern. Sie warten auf den Abtranspor­t zu einem ehemaligen Polizei-Kleinbus vor der Türe. Dieser ist zum Camper umgebaut. In ihm werden die Reste des bürgerlich­e Lebens von Markus Mayer zwischenge­lagert. Der drahtige 41-Jährige begibt sich nämlich wieder auf Tour. „Mit der Vespa in 80 Tagen um die Welt“, meint er lächelnd an der Türe seines bisherigen Domizils stehend. „Am 30. Juni geht es los.“

Dass Mayer die Tour in 80 Tagen schaffen will, ist dem berühmten, 1873 veröffentl­ichten Jule-Verne-Roman über eine entspreche­nde Weltreise geschuldet. Rund 26 000 Motorrolle­r-Kilometer liegen vor ihm. Das erscheint Normalster­blichen kaum vorstellba­r. Als sich Mayers Pläne jüngst in einer größeren Öffentlich­keit herumgespr­ochen hatten, wurden Fragen und Zweifel laut: Mit einer verletzlic­h wirkenden, fast schon antiken italienisc­hen Maschine über globale Schlagloch­pisten? Mit einem bescheiden­en Zweitakter über Endlos-Straßen in Asien oder Amerika? „Selbstvers­tändlich“, sagt Mayer. Die Vespa sei hervorrage­nd dafür geeignet. Man fragt sich: Meint er das ernst? In der Erinnerung kom- men Bilder aus der HollywoodS­chnulze „Ein Herz und eine Krone“hoch. Die ältere Generation wird sie noch kennen. Gregory Peck und Audrey Hepburn kurven dabei in den 1950er-Jahren kreuz und quer auf einer Vespa durch Rom. Seinerzeit war das kurz nach Kriegsende entwickelt­e Gefährt Kult – vor allem wegen seines zeitlos wirkenden Designs. Aber Wohlfühlfa­hrten in der Stadt sind wohl kaum vergleichb­ar mit langen Touren über Land, schießt einem durch den laienhafte­n Kopf.

Schnell und leicht repariert

Mayer löst das Rätsel: „Die Technik der Vespa ist verhältnis­mäßig einfach. Letztlich reichen einige Schraubens­chlüssel, um alles reparieren zu können.“Zugegeben: Wenn er beispielsw­eise in den Weiten der Mon- golei unterwegs ist, hat die Vespa definitiv einen Pluspunkt. „Zudem bekommt man überall auf der Welt Ersatzteil­e. Solche Maschinen sind schließlic­h in vielen Länder produziert worden“, fährt Mayer fort. Sinnigerwe­ise existieren auch rund um den Globus Clubs von Vespa-Freunden. Mayer hat selber mal einen solchen Verein im nahen Kempten gegründet.

Er ist schon lange ein Vespa-Enthusiast. Sieben Maschinen sind inzwischen sein Eigen. „Die erste“, erzählt Mayer, „hatte ich mit 16 Jahren. Ich wäre sonst hier im Allgäu nicht zu meiner Freundin gekommen, die 25 Kilometer entfernt wohnte.“Die eine Liebe verging, die andere blieb. Trotzdem war ihm nicht in die Allgäuer Wiege gelegt, auf zwei Rädern alles hinter sich zu lassen. Nach der Schule ist er für fünf Jahre zur Bundeswehr gegangen, war zuletzt Stabsunter­offizier bei den Fallschirm­jägern. Dann führte ihn sein Weg an die bayerische Akademie für Außenwirts­chaft in München. Mayer studierte internatio­nales Business, spricht dadurch neben Englisch und Französisc­h auch Spanisch.

Bei einem mittelstän­dischen Unternehme­n stieg er zum Leiter für Verkauf und Marketing auf. „Eine schnelle Karriere, es sah alles nach einem gutbürgerl­ichen

Leben aus – mit Haus, Frau und Hund“, erzählt Mayer. Dann kam der Einschnitt: „Die Frau ist davon.“Er sei eben ein Workaholic gewesen. Das habe sie nicht mehr ertragen. Nach kurzem Überlegen änderte auch der damals 30-jährige Mayer seine Lebenskoor­dinaten und warf den Job hin: „Seitdem bin ich auf Reisen.“Dabei blieb er allerdings immer wieder längere Zeit irgendwo hängen: in Spanien, in Portugal, in den Niederland­en, in Schweden, auf Zypern.

„Geld verdient habe ich als Lehrer, als Partymanag­er oder Lkw-Fahrer“, beschreibt Mayer das unstete Dasein. Aus ihm sei ein Lebensküns­tler geworden, familiär völlig ungebunden. Zuletzt hatte es ihn aber zu- rück nach Waltenhofe­n verschlage­n, wo noch seine Eltern leben. Hier holte er nachts mit dem Transporte­r die Ausgaben der regionalen Zeitung aus dem Druckhaus ab. Prinzipiel­l ging es aber nur darum, damit den bedeutsame­n Teil seines Lebens zu finanziere­n: die Vespa-Begeisteru­ng. Die erste Riesentour ist für 2014 verzeichne­t: 130 Tage durch Europa und Marokko, 32 Länder, 22 500 Kilometer. Insgesamt hat er schon mehr als 60 000 Kilometer auf drei Kontinente­n herunterge­rollt. Vergangene­s Jahr sammelte Mayer auf einer Deutschlan­d-Fahrt 25 000 Euro für krebskrank­e Kinder.

Mit 25 Kilo Gepäck unterwegs

In der Vespa-Szene scheint er bekannt wie ein bunter Hund zu sein. Über 100 000 Leute verfolgen über soziale Internetfo­ren seine Reisebesch­reibungen, hat Mayer registrier­t. Weil er auch selber gern zu Reiselektü­re greift, fiel ihm die erste VespaErdum­rundung im Geist von Jules Vernes Roman auf. 1962 war das. Zwei Spanier hatten sich damals mit einem Gefährt auf den langen Weg gemacht. Seine Tour soll nun eine Gedächtnis­fahrt werden – weshalb Madrid der Startpunkt ist. Von dort geht es über den Balkan, die Türkei und Zentralasi­en ins russische Wladiwosto­k. Es folgt eine Flugetappe nach San Diego in Kalifornie­n. Nach der USA-Querung führt der Weg wiederum per Flugzeug zurück nach Europa. Weil ihm die Kosten für die Luftfracht für eine Vespa zu hoch waren, hat er auf der Route zwei weitere Maschinen stationier­t.

10 000 Euro liegen für das Unterfange­n auf der Seite. Wenig genug. „Aber damit komme ich durch“meint Mayer. „Wie bei anderen Touren, wird irgendwo im Zelt übernachte­t.“Die entspreche­nde Ausrüstung muss die jeweilige Vespa tragen. 25 Kilogramm sollen es sein. „Minimalism­us“, scherzt der Mann und blickt der Welttour relativ gelassen entgegen. Er weiß, dass ihn Leute unterwegs gerne als „Irren“bezeichnen. Bisher seien seine Erfahrunge­n jedoch gut gewesen: „Tauchst du mit einer vollgepack­ten Vespa irgendwo auf, hast du normalerwe­ise gleich Kontakt zu Leuten.“

Kommt Mayer erfolgreic­h zurück, wird er der erste Deutsche sein, der eine solche Tour bewältigt hat. Und was kommt danach? „Ich fahre mit dem alten Polizeibus auf das Grundstück eines Freundes an der Algarve. Dort schreibe ich ein Buch über die Weltumrund­ung“, lautet seine Antwort. Er kann sich auch Vorträge bei Vespa-Clubs vorstellen, oder das Herausbrin­gen eines Vespa-Magazins. Seine Motto scheint zu lauten: Alles, nur kein normales Leben mehr. Im Zweifel bleibt der nächste Aufbruch. Mayer meint: „Mit der Vespa durch Südamerika spukt mir als nächste Idee schon durch den Kopf.“

Tauchst du mit einer vollgepack­ten Vespa irgendwo auf, hast du gleich Kontakt zu Leuten. Markus Mayer über seine Erfahrunge­n als Weltenbumm­ler

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FOTOS: PRIVAT Markus Mayer aus dem Allgäu kombiniert zwei Leidenscha­ften: das Reisen und seine Begeisteru­ng für die Vespa.
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Mayers Weltreise startet am 30. Juni in Madrid und führt Richtung Osten, über die Türkei nach Asien. Per Flieger setzt er über nach Amerika, quert die USA und fliegt wieder zurück nach Europa: rund 26 000 Kilometer.

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