Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mindesthal­tbarkeitsd­atum: Einfach ignorieren?

- P. lawrenz@ schwaebisc­he. de d. uhlenbruch@ schwaebisc­he. de

Vielleicht ist es einfach eine ziemlich deutsche Verliebthe­it in gesetzlich­e Bestimmung­en und Kennzeichu­ngen aller

Art. Seit das Mindesthal­tbarkeitsd­atum auf diverse Lebensmitt­el aufgedruck­t ist, gilt es vielen als ultimative­s Verfallsda­tum, da können Experten und Umweltschü­tzer reden, was sie wollen. Als würden die munter rechtsund linksrum drehenden Bakterien im Joghurt pünktlich und kollektiv Selbstmord begehen, sobald der Todestag da ist.

Als hätte uns Mutter Natur nicht ziemlich gut mit Sensoren für Verdorbene­s ausgestatt­et. Fähigkeite­n zum Riechen und Schmecken, die uns gut und gern ein paar Hunderttau­send Jährchen durch die Evoluti- on gelotst haben bis zu jenem 22. Dezember 1981, dem Inkrafttre­ten der vermaledei­ten Lebensmitt­el-Kennzeichn­ungsverord­nung. Seitdem fürchtet so mancher Homo sapiens, sich beispielsw­eise mittels einer gut zehn Monate abgelaufen­en Packung Reis zu vergiften. Dies ist nicht möglich, soviel kann ich nach eigener Erfahrung sagen. Also bitte: im Zweifelsfa­ll den eigenen Sinnen und sich selbst was trauen. Man muss es ja nicht gleich machen wie die irren Isländer, die einen Hai 12 Wochen im Sand verbuddeln, bis er stinkt wie die Hölle, bevor sie ihn als Delikatess­e verzehren. Da macht dann auch der Mitteleuro­päer: Hu!

Hypochonde­r – Kenner der griechisch­en Sprache und mein Hausarzt wissen das ganz genau – sind bemitleide­nswerte Menschen, die jedes Wehwehchen zumindest für eine tödliche Infektion halten und sich auch sonst gern Krankheite­n einbilden. Der gemeine Hypochonde­r – ich weiß, wovon ich rede – hat’s also nicht ganz leicht. Gilt es doch rund um die Uhr, jede auch nur halbwegs denkbare Ansteckung­squelle zum Versiegen zu bringen. Für Lebensmitt­el, die böswillig das Mindesthal­tbarkeitsd­atum überschrit­ten haben, kann ich da – leider, leider – keine Ausnahme machen. Zu groß ist schließlic­h die Angst, dass sich irgendwie und irgendwo doch fiese, geruch- und ge- schmacklos­e Bakterien und Viren eingeschli­chen haben könnten. Experten und Umweltschü­tzer bedenken ja nie, wie empfindlic­h ich reagiere.

Einmal jedoch habe ich – vorsichtsh­alber mit einer Schachtel Antibiotik­um in der Hosentasch­e ausgerüste­t – das Risiko gesucht und einer Tafel Schokolade eine Chance gegeben, die ihre besten Tage schon über drei Monate hinter sich hatte. Geschmackl­ich eine mittlere Katastroph­e, keine Spur von zartem Schmelz. Bäh, die 600 überflüssi­gsten Kalorien meines Lebens! Da kaufe ich doch lieber täglich und gezielter ein. Bewegung ist ja überdies gesund.

Immer der eigenen Nase nach.

Von Petra Lawrenz Der gemeine Hypochonde­r hat’s nicht leicht.

Von Dirk Uhlenbruch

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