Mindesthaltbarkeitsdatum: Einfach ignorieren?
Vielleicht ist es einfach eine ziemlich deutsche Verliebtheit in gesetzliche Bestimmungen und Kennzeichungen aller
Art. Seit das Mindesthaltbarkeitsdatum auf diverse Lebensmittel aufgedruckt ist, gilt es vielen als ultimatives Verfallsdatum, da können Experten und Umweltschützer reden, was sie wollen. Als würden die munter rechtsund linksrum drehenden Bakterien im Joghurt pünktlich und kollektiv Selbstmord begehen, sobald der Todestag da ist.
Als hätte uns Mutter Natur nicht ziemlich gut mit Sensoren für Verdorbenes ausgestattet. Fähigkeiten zum Riechen und Schmecken, die uns gut und gern ein paar Hunderttausend Jährchen durch die Evoluti- on gelotst haben bis zu jenem 22. Dezember 1981, dem Inkrafttreten der vermaledeiten Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung. Seitdem fürchtet so mancher Homo sapiens, sich beispielsweise mittels einer gut zehn Monate abgelaufenen Packung Reis zu vergiften. Dies ist nicht möglich, soviel kann ich nach eigener Erfahrung sagen. Also bitte: im Zweifelsfall den eigenen Sinnen und sich selbst was trauen. Man muss es ja nicht gleich machen wie die irren Isländer, die einen Hai 12 Wochen im Sand verbuddeln, bis er stinkt wie die Hölle, bevor sie ihn als Delikatesse verzehren. Da macht dann auch der Mitteleuropäer: Hu!
Hypochonder – Kenner der griechischen Sprache und mein Hausarzt wissen das ganz genau – sind bemitleidenswerte Menschen, die jedes Wehwehchen zumindest für eine tödliche Infektion halten und sich auch sonst gern Krankheiten einbilden. Der gemeine Hypochonder – ich weiß, wovon ich rede – hat’s also nicht ganz leicht. Gilt es doch rund um die Uhr, jede auch nur halbwegs denkbare Ansteckungsquelle zum Versiegen zu bringen. Für Lebensmittel, die böswillig das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, kann ich da – leider, leider – keine Ausnahme machen. Zu groß ist schließlich die Angst, dass sich irgendwie und irgendwo doch fiese, geruch- und ge- schmacklose Bakterien und Viren eingeschlichen haben könnten. Experten und Umweltschützer bedenken ja nie, wie empfindlich ich reagiere.
Einmal jedoch habe ich – vorsichtshalber mit einer Schachtel Antibiotikum in der Hosentasche ausgerüstet – das Risiko gesucht und einer Tafel Schokolade eine Chance gegeben, die ihre besten Tage schon über drei Monate hinter sich hatte. Geschmacklich eine mittlere Katastrophe, keine Spur von zartem Schmelz. Bäh, die 600 überflüssigsten Kalorien meines Lebens! Da kaufe ich doch lieber täglich und gezielter ein. Bewegung ist ja überdies gesund.
Immer der eigenen Nase nach.
Von Petra Lawrenz Der gemeine Hypochonder hat’s nicht leicht.
Von Dirk Uhlenbruch