Biederes Porträt eines großen Meisters
Margarethe von Trotta hat zum 100. Geburtstag von Ingmar Bergman einen Dokumentarfilm gedreht
Vor 100 Jahren wurde Ingmar Bergman geboren. Als er 1997 starb war er eine lebende Legende, zugleich aber schon etwas aus der Zeit gefallen. Der 100. Geburtstag am 14. Juli ist jetzt ein guter Anlass, sich diesem Werk wieder einmal zuzuwenden – nicht weniger als vier Dokumentarfilme wurden zu dem Datum fertig. Margarethe von Trottas „Auf der Suche nach Ingmar Bergman“ist der deutsche Beitrag.
„Wie bin ich geworden, was ich bin?“, fragt der alte Isak Berg, die Hauptfigur in Ingmar Bergmans „Wilde Erdbeeren“von 1957 sich selbst einmal. Von Friedrich Nietzsche stammt die moralische Aufforderung „Du sollst der werden, der du bist“, und es ist sozusagen diese zur Frage gekehrte Forderung des Philosophen, die zum Leitmotiv dieses Films wird, einem in vieler Hinsicht zentralen Werk in Bergmans großem OEuvre.
1957 war ein Schlüsseljahr in Bergmans Leben: Nicht weniger als vier Filme drehte der Workaholic. „Wilde Erdbeeren“, 1958 bei der Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet, beschreibt einen Tag im Leben Isaks, eine Reise von seinem Wohnort Stockholm ins südliche Lund, wo der bekannte Professor zu seinem 50. Promotionsjubiläum ein Ehrendoktorat erhält. Diese Reise wird zur Passage in die Vergangenheit, begleitet von vielen mitunter schmerzhaften Erinnerungen und – nicht immer angenehmen – Träumen. Sie wird unterbrochen von kleinen Ereignissen und neuen Begegnungen, und mündet in eine Art Lebensbilanz des alten Mannes, der sich mit dem nahenden Tod konfrontiert sieht. Er versöhnt sich mit dem eigenen Sohn und findet eine Form von Erlösung, die hier allerdings auch identisch wird mit der Aufgabe des Kampfes gegen den Tod.
Selbst wer in den Siebzigern noch ein Kind war, kannte den Namen Ingmar Bergman, hatte von dem „Skandalregisseur“gehört, wie solche Leute damals genannt wurden. Man wusste, dass es da einen Film gab, der „Szenen einer Ehe“hieß, in den die Eltern rein gingen und sich danach noch mehr stritten als vorher.
Eine Hommage folgt der anderen
Margarethe von Trotta war in den 1970er-Jahren schon erwachsen, und man würde von einem Film von dieser großen Regisseurin über Ingmar Bergman erwarten, dass sie darin auch ihre persönliche Sicht der Dinge erzählt, dass sie uns Zuschauern eine Vorstellung davon verschafft, wie man damals diese Filme sah, als junge Frau, als Verheiratete, als Linke. Dass wir rückblickend verstehen, worin in dem Jahrzehnt nach 1968 – für das die Filmemacherin Trotta vor allem steht – die ganz besondere Faszination für diesen Regisseur lag, warum man sich den Launen seines Protestantismus aussetzte, seiner Bürgerlichkeit, seiner moralischen Rechthaberei und seinem – ja: Sadis- mus. Die schönen Kameraeinstellungen seiner Filme erklären das nicht allein.
Vielleicht wäre es auch nach unzähligen TV-Porträts und nach einer Handvoll überaus wohlwollender Hommagen durch kollegiale Bewunderer wie Michael Winterbottom und Olivier Assayas mal an der Zeit, einen Film zu machen, der Bergman nicht immer wieder als „Genie“und „größten Filmemacher aller Zeiten“porträtiert, sondern solche Etiketten zumindest ein bisschen in Frage stellt und relativiert.
Margarethe von Trotta hat leider so einen Film nicht gemacht. Stattdessen ist „Auf der Suche nach Ingmar Bergman“ein Film, den man sich sehr gut ansehen kann, der einem einiges über Bergman erzählt. Ein Film, der sehr ehrenwert ist, wie man so sagt, aber doch auch überraschend bieder und ein bisschen langweilig. Ein Roadmovie, bei dem Trotta an der schwedischen Küste steht und dann – Schnitt – ein junger Max von Sydow in einem Bergman-Film an etwa der gleichen Küstenstelle aus dem Wasser steigt. Ein Film, bei dem Trotta mit Liv Ullmann im Wohnzimmer und mit Stig Björkman auf dem Balkon sitzt und über Bergman redet und wie toll er war. Sätze, die dem großen Meister nicht gefallen hätten, fallen hier nie. Ein Film wie er für das Jubiläumsjahr zu Bergmans 100. Geburtstag eben gemacht wird.
Keine spannenden Fragen
Natürlich ist es großartig, was zum Beispiel Olivier Assayas im Interview sagt – was aber eben an Assayas liegt, der immer großartig ist. Auch Ullman und anderen hört man gern zu. Aber das alles kratzt kaum an der Oberfläche.
Margarethe von Trotta gibt nicht nur zu wenig Antworten, sie stellt auch nicht die wirklich spannenden Fragen. Spannend wäre gar nicht die Majestätsbeleidigung, sondern vielleicht die Frage: Warum spielen Bergmans Ästhetik und Geschichten im aktuellen Kino keine Rolle? Was denken jüngere Regisseure heute über Bergmans Filme? Aber solche Fragen tun weh, auch der Regisseurin, und darauf hatte sie offensichtlich keine Lust.
„Auf der Suche nach Ingmar Bergman“, Regie: Margarethe von Trotta, Deutschland 2018, 99 Minuten, FSK: ab 12 Jahren..