Streit um Struktur des Betriebsrats schwelt weiter
ZF Friedrichshafen und IG Metall suchen mit CGM außergerichtliche Einigung – Verhandlung vertagt
FRIEDRICHSHAFEN (sz) - Der Streit um die Frage, ob die Struktur der Betriebsratsgremien beim Autozulieferer ZF dem Betriebsverfassungsgesetz entspricht, ist weiter offen. Das Arbeitsgericht Ulm hat die für Juli angesetzte Verhandlung vertagt.
Die Verlegung erfolgte auf Antrag der Beteiligten, wie Gerichtssprecher Frank Heilmann der Schwäbischen Zeitung bestätigte. Die streitenden Parteien – die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) auf der einen Seite und das Unternehmen auf der anderen Seite – befinden sich nach Angaben Heilmanns in „konstruktiven Gesprächen“.
Kern des Streits ist die Frage, ob das sogenannte neue Obergremium, das der Tarifvertrag seit der Betriebsratswahl in diesem Frühjahr vorsieht, rechtmäßig ist. Die CGM hatte das Gericht angerufen, weil die Gewerkschaft sich vom neuen Aufbau der Mitarbeitervertretung bei ZF in ihrer Betriebsratsarbeit behindert fühlt. „Wir versuchen nun, eine außergerichtliche Einigung hinzubekommen“, sagt Sebastian Scheder, Geschäftsführer der CGM-Geschäftsstelle Schweinfurt, der die Gewerkschaft bei dem Streit vertritt. Ein erstes Gespräch zwischen der CGM, dem ZF-Arbeitsrechtler Detleg Gagg, ZF-Betriebsratschef Achim Dietrich und Enzo Savarino, dem ersten Bevollmächtigten der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben habe vor einigen Wochen stattgefunden. Die IG Metall hatte der verhandelnde Richter Matthias Lohrmann als Verfahrensbeteiligte hinzugezogen, weil die Gewerkschaft den maßgeblichen Tarifvertrag mit dem Unternehmen ausgehandelt hat.
„Wir sind nicht gegen die neue Struktur an sich“, sagt Scheder, „wir fordern aber, dass das Obergremium auf 16 Personen ausgeweitet und paritätisch besetzt wird. Nur dann ist gewährleistet, dass auch kleine Listen die Chance haben, in das Obergremium zu kommen.“Werde diese Forderung erfüllt, werde die CGM die Klage zurücknehmen. „Anderenfalls treffen wir uns im Herbst vor Gericht“, droht Scheder.
Das Unternehmen ZF wollte sich zu den Forderungen der CGM nicht äußern. „Wir sind in konstruktiven Gesprächen zu einer einvernehmlichen Lösung, die den abgeschlossenen Tarifvertrag in seinen Strukturen erhält“, sagte ein Sprecher der „Schwäbischen Zeitung“.
„Eine Art Klammerfunktion“
IG-Metall-Funktionär Enzo Savarino kommentierte den Stand der Gespräche nicht. Betriebsratschef Achim Dietrich befürwortet die neue Mitbestimmungsstruktur am Standort Friedrichshafen. Das Obergremium „steht nicht über den beiden Betriebsräten und regiert auch nicht in sie hinein“, erläutert Dietrich. „Es hat vielmehr die Aufgabe, in einer Art Klammerfunktion dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbedingungen am Standort Friedrichshafen nicht auseinanderdriften. Dort werden Themen behandelt, die den gesamten Standort betreffen und einheitlich geregelt werden sollen.“
Hintergrund des Zwists ist ein Tarifvertrag, den das Traditionsunternehmen und die IG Metall für den Standort Friedrichshafen im Frühjahr 2017 unterschrieben haben. Der Vertrag regelt die Betriebsratsarbeit neu: Es gibt nicht mehr wie bisher nur ein einziges Betriebsratsgremium an See, sondern zwei – beide sollen per einfachem Mehrheitsbeschluss jeweils vier Vertreter in ein Leitungsgremium entsenden, das bestimmte Angelegenheiten für den Standort Friedrichshafen regelt. Gewerkschaften wie die CGM fühlen sich benachteiligt, weil kleinere Gruppierungen praktische keinerlei Chancen hätten, Betriebsräte in das Obergremium zu entsenden. Eine Liste wie die CGM schaffe es nach Ansicht Scheders zwar, in die beiden normalen Betriebsratsgremien Vertreter zu stellen – aber da sie niemals eine Mehrheit habe, bleibe es der CGM verwehrt, auch im Obergremium mitzuarbeiten.
In einer Verhandlung im Januar hatte ZF-Arbeitsrechtler Gagg die neue Struktur des Betriebsrats verteidigt – und zwar vor allem mit einem Argument: Das Obergremium übernehme nur um koordinative Funktionen, es gehe um Dinge wie Tabletts in der Kantine oder Drehkreuze. „Das Tagesgeschäft dagegen bleibt in den Einzelgremien, da wird alles besprochen, was wichtig ist – Einstellungen, Versetzungen, Arbeitszeiten und Entlassungen“, erklärte Gagg bei der Verhandlung im in Friedrichshafen. „Nur Nebenthemen, die einheitlich geregelt werden müssen, sollen ins Obergremium.“
Auf die Frage, ob sich das Obergremium mit wichtigen oder unwichtigen Themen beschäftigt, ließ sich Richter Lohrmann im Januar allerdings gar nicht ein. „Die Frage ist vielmehr, ob es rechtmäßig ist, ein vom Betriebsverfassungsgesetz nicht vorgesehenes Gremium dazwischenzuschalten“, erklärte Lohrmann. „Wenn es nicht rechtmäßig ist, stellen sich für mich zwei weitere Fragen: Ist nur der Teil des Tarifvertrages mit dem Obergremium nichtig – oder ist der Tarifvertrag insgesamt nichtig.“
Nächster Termin: 25. Oktober
Daraus folgt eine weitere Frage: Sollte der Tarifvertrag ganz oder in Teilen nicht rechtmäßig sein, hätte das Auswirkungen auf die vergangene Betriebsratswahl, bei der die neu geschaffenen Gremien besetzt worden sind? Sollten die Streitenden sich nicht einigen, treffen sie sich am 25. Oktober vor dem Arbeitsgericht in Ravensburg wieder.