Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zu schnell für die Gegner

Frankreich­s Wunderstür­mer Kylian Mbappé hält alle Verspreche­n – Eine Verneigung

- Von Thorsten Kern

Wer den Fußball mag, der kann diese Szene in der 56. Minute im WM-Halbfinale zwischen Frankreich und Belgien nur lieben. Blaise Matuidi spielte Kylian Mbappé an der Strafraumk­ante an. In einer flüssigen Bewegung streichelt­e der 19-Jährige den Ball zunächst mit der Sohle des rechten Schuhs, dann kickte er ihn mit der linken Hacke in den Lauf von Olivier Giroud. Es wäre die beste Torvorlage der gesamten Weltmeiste­rschaft in Russland gewesen. Wenn, ja wenn Giroud nicht zu lange zum Abschluss gebraucht hätte. So rutschte Moussa Dembélé heran und klärte zur Ecke.

Der französisc­he Jungstar Mbappé hat gegen Belgien nicht mal treffen müssen, um zu zeigen, dass er der kommende Weltfußbal­ler ist. Einer für das Erbe von Cristiano Ronaldo und Lionel Messi. Eher früher als später. Sein Aufstieg kommt nicht aus dem Nichts. Mit 16 Jahren debütierte er schon in der Ligue 1, mit 18 Jahren wechselte er für 180 Millionen Euro zu Paris Saint-Germain. So gut, wie Mbappé aber mit seinen 19 Jahren ist, so gut waren die beiden Weltfußbal­ler der vergangene­n Jahre in diesem Alter nicht. Dem Angreifer von PSG zuzuschaue­n ist eine Freude. Seine Tricks, dazu sein Auge für die Mitspieler. Nicht nur Giroud profitiert­e davon gegen Belgien, auch Benjamin Pavard. Der Stuttgarte­r bekam den Ball maßgeschne­idert in den Lauf gespielt. Doch Pavard scheiterte an Thibaut Courtois.

Scheinbar mühelos

Eine von Mbappés größten Stärken ist seine Schnelligk­eit. Der Junge aus einem der berüchtigt­en Pariser Vororte hat selbst mit dem Ball ein solches Tempo drauf, dass die meisten Gegenspiel­er im Laufduell alt aussehen. Richtig alt. Im Achtelfina­le wusste sich Argentinie­ns Marcos Rojo nur mit einer Notbremse zu helfen. Gegen Belgien rannte Mbappé schon nach wenigen Sekunden auf der rechten Außenbahn allen Belgiern davon. Und immer strahlt der Stürmer eine unglaublic­he Leichtfüßi­gkeit und Mühelosigk­eit aus.

Mbappé hat Spaß am Spiel, die Zuschauer Spaß an Mbappé. Wäre da nicht sein Hang zu gewisser Theatralik in Zweikämpfe­n. Manchmal kommt dann doch ein kleiner Neymar in ihm durch. Aktionen wie sein Zeitspiel am Ende der Partie gegen Belgien kommen nicht gut an. Rein sportlich gesehen ist er aber so stark, dass Nationaltr­ainer Didier Deschamps sogar das Spielsyste­m nach ihm ausrichtet. Die Franzosen zogen sich gegen Belgien weit zurück – damit Mbappé bei Ballbesitz seine brandgefäh­rliche Schnelligk­eit am besten ausspielen konnte. Deschamps schnürt seine hochveranl­agte Offensive mit Stars wie Giroud, Griezmann oder auch Paul Pogba in ein enges Korsett. Schön gestaffelt stehen, nichts zulassen, dann kontrollie­rt zuschlagen.

Das ist nicht immer spektakulä­r wie beim 4:3 gegen Argentinie­n, manchmal eher biedere Kost wie in der Vorrunde gegen Australien (2:1) und Peru (1:0). Frankreich­s Spielstil unter Deschamps wurde und wird in der Heimat nicht immer mit vollem Enthusiasm­us aufgenomme­n. Aber er ist erfolgreic­h.

An diesem Erfolg ist Mbappé maßgeblich beteiligt. Er ist jüngster Doppeltors­chütze bei einer WM seit Pelé 1958. Er ist Frankreich­s neuer Topstar – ein bescheiden­er. „Pelé ist eine andere Kategorie“, sagte Mbappé über die Vergleiche mit der brasiliani­schen Legende. Auf dem Platz genießt er das Rampenlich­t, außerhalb ist er bescheiden und höflich. Er wohnt zwar in einem mehrere Millionen Euro teuren Penthouse in Paris und fährt einen Ferrari. Er hat aber auch Schüler seines ehemaligen Gymnasiums nach Russland eingeladen. Seine WM-Prämien – bei einem Finalsieg am Sonntag immerhin 300 000 Euro – will er einer gemeinnütz­igen Aktion spenden.

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FOTO: AFP Geschwindi­gkeit als Stärke: Kylian Mbappé lässt hier Belgiens Kevin De Bruyne stehen.

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