„Ein Ankerzentrum der guten Stimmung“
Winfried Kretschmann hält erstmals Ansprache beim Historischen Festzug in Biberach
BIBERACH - Von den Staufern über die Bauern bis hin zur Bismarck-Ära: Tausende Besucher haben beim Historischen Festzug am Schützendienstag am Wegesrand gestanden, um mit den vorbeilaufenden Gruppen durch die Epochen zu reisen. Besonderheit in diesem Jahr war, dass nicht Oberbürgermeister Norbert Zeidler für das Grußwort ans Mikrofon trat, sondern Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Mit seinen Spitzen erheiterte er das Publikum auf dem Marktplatz hörbar.
Für Kretschmann ist Biberach kein unbekanntes Terrain, besucht er die Stadt doch mindestens einmal im Jahr beim Politischen Aschermittwoch der Grünen. Doch auf der Ehrentribüne beim Schützenfest saß er in seiner Funktion als Ministerpräsident bis dato nicht. Das änderte sich am Dienstag – und das Grußwort durfte der 70-Jährige gleich auch noch sprechen. „Herrgott, ihr habt’s schön“, sagte er beim Blick in die vielen glücklichen Gesichter und angesichts des traumhaften Wetters. „Das gute Wetter habe ich mitgebracht“, so Kretschmann humorvoll.
Er hoffe, dass auch die Gäste aus Bayern ohne Probleme über die Grenze gekommen seien: „Hier, ins Ankerzentrum der guten Stimmung.“Das Schützenfest sei ein großes und besonderes Kinder- und Heimatfest im Land. Er lobte in seiner Ansprache auch das breite und tiefe Programm, welches ohne ehrenamtliches Engagement so nicht möglich sei. Kretschmann ist nach eigener Aussage beeindruckt davon, wie sich die Veranstaltung von einem konfessionell getrennten Fest hin zu einer Feier für alle Bürger entwickelt hat.
Die Welt sei im Wandel, Umbrüche kämen auf einen zu, sagte der Ministerpräsident:. „Umso wichtiger ist es, dass es Feste wie diese gibt, die Halt und Orientierung bieten.“Gleichzeitig müsse trotz des Wandels etwas bleiben. Auch, um den Zusammenhalt zu stärken: „Das ist das Wichtigste, was wir in Zeiten wie diesen haben.“Dass die Biberacher genau dies mit dem Schützenfest haben – darüber freue er sich „von ganzem Herzen“.
Oft sei er gefragt worden, warum er erst jetzt zum Schützenfest komme: „Dienstagvormittag ist immer Kabinettssitzung.“Ausnahmsweise habe er diese ausfallen lassen, um mit den Biberachern zu feiern. „Und i frei mi saumäßig drauf “, sagte Kretschmann abschließend.
Dass die Welt schon immer im Wandel war, führte anschließend der Historische Festzug eindrucksvoll vor Augen. Rainer Fuchs, Vorsitzender der Stiftung Schützendirektion, kommentierte den Zug und stellte ihn unter das Zitat: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“Etwa 250 Pferde sowie Tiere und noch viel mehr Menschen verwandelten die Innenstadt in ein lebendiges Bilderbuch.
„Die Funky Kids von früher“
Da erinnerte die Spital-Gruppe an eines der bedeutendsten Ereignisse in der Frühgeschichte der Stadt: die im Jahr 1239 erfolgte Gründung des Spitals. Der Baltringer Haufen, die unfreien Bauern des 16. Jahrhunderts, nahmen die Ehrentribüne ein und forderten lautstark „Nieder mit der Leibeigenschaft“. Die Gruppe „Shakespeares Sturm“(Fuchs: „Die Funky Kids von früher, wie mir gerade zugeflüstert wurde.“) stellten mit einem Theaterwagen dar, wie Dichter Christoph Martin Wieland mit der evangelischen bürgerlichen Komödiantengesellschaft in Biberach unter dem Titel „Der Sturm“oder „Der erstaunliche Schiffbruch“ein Shakespeare-Drama auf die Bühne brachte.
Zwei besonders hungrige Schafe führte die Bauerngruppe Bergerhausen mit sich. Während das eine Schaf den Blumenschmuck des anderen anknabberte, machte sich das zweite Schaf an einem bunten Blumenstrauß zu schaffen. Zwischen den einzelnen Gruppen sorgten Trommlerkorps, Spielmannszüge und Musikkapellen, darunter auch einige aus dem Umland, für die musikalische Untermalung des Festzugs. Für einen turbulenten Abschluss sorgte – wie in jedem Jahr– die Räuberbande des Schwarzen Veri. Die Bande forderte mit einem großen Transparent den Erhalt der Märchenwagen, genauer gesagt des Max- und MoritzWagens.
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