Rummenigge rechnet mit DFB ab
Bayern-Boss Rummenigge attackiert „Amateure“in DFB-Führung – Löw kritisiert Lahm
MÜNCHEN (SID) - Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hat harsche Kritik am Deutschen Fußball-Bund (DFB) und dessen Präsident Reinhard Grindel geübt. „Mir fehlt im Moment die klare professionelle Handhabe der Krisensituation. Es wundert mich aber auch nicht, der DFB ist nur noch durchsetzt von Amateuren“, sagte er am Freitag in München.
FRANKFURT (dpa/SID) - Im weißen Hemd und in schwarzer Anzughose erschien Joachim Löw äußerlich so elegant wie meistens. Innerlich aber wirkte der Bundestrainer bei seinem ersten Statement zur Russland-Blamage nach drei Wochen Schweigen angespannt. Nach dem ersten Vorrunden-Aus eines deutschen Nationalteams bei einer WM räumte er erstmals konkret große Baustellen in seiner Mannschaft ein: „Zwei ganz wesentliche Punkte, an denen wir ansetzen wollen, liegen in der Einstellung und in unserer Spielauffassung“, erklärte Löw auf der DFB-Homepage.
„Es muss uns wieder gelingen, wie in den Jahren zuvor, dass man unseren Spielern die Freude, den Spaß, die Leidenschaft für Deutschland zu spielen anmerkt – auf und neben dem Platz“, fügte der 58-Jährige an. Zuvor hatte er dem DFB-Präsidium erste Erkenntnisse seiner WM-Aufarbeitung präsentiert. Auf seinen Ex-Kapitän Philipp Lahm (34), der ihm zu einem anderen Führungsstil geraten hatte, war Löw nicht gut zu sprechen. „Ich weiß schon, wie man mit Spielern kommuniziert und welchen Führungsstil die Spieler brauchen“, konterte Löw. Lahms Privat-Analyse sei daher „nicht sehr erfreulich“gewesen.
Lediglich drei Minuten redete der Bundestrainer vor der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes in Frankfurt. Von 9.30 Uhr bis zum Nachmittag hatte der 58-Jährige dem DFB-Präsidium zuvor erste Ergebnisse der WMAufarbeitung präsentiert.
Derweil tobt im deutschen Fußball der Kampf alle gegen alle. Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hatte am Morgen die DFB-Spitze um Präsident Reinhard Grindel scharf kritisiert und geäußert, dass der DFB „eigentlich nur noch durchsetzt von Amateuren“sei. Zudem schlug er ausgerechnet Lahm als idealen Mann für den DFB vor. „Ich halte Philipp Lahm und seinen Berater Roman Grill als perfekt passend für den DFB, weil Philipp diese Qualität hat, möglicherweise für einen Verband zu arbeiten“, sagte der 62-Jährige. Rummenigge könnte sich für den langjährigen Bayern-Kapitän etwa eine Stelle als Vizepräsident vorstellen, „um dem Präsidium ein Stück mehr Professionalität zu geben“. Im Moment fehle ihm „so ein bisschen die Fußballkompetenz“im DFB. Dass Löw sich Lahm ebenfalls in einer solchen Position vorstellen kann, ist nach dessen Kritik eher unwahrscheinlich.
Sicher ist, dass es personelle Veränderungen im und um das Nationalteam herum geben wird. Löw sei „ein durch und durch anständiger Mann“, der sich Zeit nehmen wolle, seine Entscheidungen im Gespräch mit den Betroffenen zu erläutern, sagte Grindel. Diese Zeit werde man ihm geben. Löw sagte: „Ich werde ab jetzt auch die Gespräche suchen und führen, dann werden wir die Entscheidungen in personeller Hinsicht treffen.“Am 29. August wird er laut Grindel erläutern, mit wem er künftig auf und neben dem Platz arbeiten will – und mit wem nicht. Anlass sind die Länderspiele gegen Weltmeister Frankreich am 6. September in der UEFA Nations League und gegen Peru am 9. September.
Grindel versucht sich in Diplomatie
Möglich ist etwa, dass es Thomas Schneider oder Marcus Sorg, also einen der Co-Trainer, treffen wird. Auch im Scouting-Bereich, der unter der Leitung des Schweizers Urs Siegenthaler steht, könnte es zu Neubesetzungen kommen. Zudem schloss Löw nicht aus, dass er auch Spieler aus dem Kader streichen könnte. Löw habe klargemacht, dass das Ziehen von Konsequenzen auch personelle Veränderungen bedeute, betonte Grindel.
Geht es nach Rummenigge, muss sich vor allem die DFB-Führung hinterfragen. Der Bayern-Chef erinnerte an 2000, als das Nationalteam bei der EM ebenfalls in der Vorrunde gescheitert war. In der Folge habe damals ein „Profi“wie Gerhard Mayer-Vorfelder als DFB-Boss „die Kurve gekriegt“. Grindel sei kein „Profi“, sagte Rummenigge. „Ich bin nicht überzeugt, „dass mit diesen Leuten die richtigen Ansätze gefunden werden. Ich lese immer, es soll analysiert werden, aber vorher werden die ganzen Dinge schon festgezurrt“, sagte der „erstaunte und irritierte“Rummenigge.
Grindel bemühte sich um Deeskalation. Er lobte die gute Zusammenarbeit mit Rummenigge gerade bei sportpolitischen Themen und dessen Hilfe bei der Bewerbung um die EM 2024. „Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Und ich bin ganz sicher, dass wir an dieser guten Zusammenarbeit festhalten werden“, sagte der DFB-Präsident.
Mull hört auf: Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt alias „Mull“beendet nach mehr als 20 Jahren seine Tätigkeit als DFB-Teamarzt. Leiter des Ärzteteams beim FC Bayern will der 75-Jährige aber bleiben. Er sprach von „23 fantastischen Jahren“im Kreise des DFB. Größter Erfolg war der WM-Titel 2014.