Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wenn der Familienal­ltag von Heroin geprägt ist

Ein Ehepaar steht in Lindau wegen des Erwerbs der Droge vor Gericht – tiefe Einblicke in das Leben der Familie

- Von Olaf Winkler

LINDAU - Tiefe Einblicke ist das Leben einer von Drogen geprägten Familie gaben jetzt eine 31-Jährige aus dem Landkreis und ihr 33-jähriger Ehemann vor dem Amtsgerich­t Lindau. Dort stand das Ehepaar aufgrund des Erwerbs und des Besitzes von Heroin. Das hatte das Paar in mindestens 50 Fällen von ihrem Dealer in Lindau erhalten und selbst konsumiert. Denn Drogen prägten den Alltag der Angeklagte­n schon seit frühester Jugend.

Bereits mit 13 Jahren habe sie mit dem „Kiffen“angefangen, sagte die 31-Jährige aus. Auch einen heftigen ANZEIGEN Alkoholkon­sum habe es gegeben. Schon ein Jahr später habe sie ihren heutigen Ehemann kennengele­rnt und mit ihm weiter Drogen ausprobier­t. „Mit 17 habe ich dann das erste Mal Heroin genommen“, berichtete sie Richterin Ursula Brandt und den beiden Schöffen. Zunächst fand der Konsum nur am Wochenende statt, „dann mehr, weil es der Körper gebraucht hat“. Seit 2009 hat dann ein täglicher Heroin-Konsum stattgefun­den. Zuletzt lag der Bedarf der beiden Angeklagte­n bei jeweils einem halben Gramm pro Tag. Über viele Jahre hatte sich das Paar seine Drogen in der Schweiz besorgt, Anfang 2017 dann aber eine Quelle in Lindau aufgetan. Dort gab es regelmäßig Nachschub, so dass sie meist nur den Bedarf für ein oder Tage kauften. Bei Preisen zwischen 40 und 50 Euro pro Gramm benötigten sie dafür bis zu 1500 Euro im Monat. Finanziert hat das vor allem der Ehemann, der während der gesamten Zeit berufstäti­g war. Die Ehefrau kümmerte sich um die heute zehnund 14-jährigen Kinder und hatte zusätzlich einen Nebenjob. Gereicht hat das Geld freilich nicht, so dass beide immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt kamen. Vorstrafen wegen des Erwerbs von Drogen sowie Diebstahls und Betrugs brachten beide Angeklagte­n mit in den Gerichtssa­al. Zudem haben sie zusammen Schulden in Höhe von rund 50 000 Euro angehäuft und stehen vor einem Privatinso­lvenz-Verfahren.

Der Wendepunkt kam Ende Juli 2017. Damals waren Kripo-Beamte aufgrund eines Hinweises auf das Ehepaar und deren Rauschgift­händler aufmerksam geworden. In der Folge kam es zu einer Hausdurchs­uchung und schon wenige Tage später zu einer stationäre­n Entgiftung des Ehepaars.

Die Kinder kamen in die Obhut der Großeltern. Seither laufe alles viel besser. Das Methadon-Programm befreie sie von der HeroinSuch­t, der Ehemann geht wieder seiner Arbeit nach und die Kinder sind inzwischen in die Familie zurückgeke­hrt. „Wir hätten unseren Kindern ein ganz anderes Leben bieten können“, stellte der 33-Jährige fest. Denn aufgrund der hohen Ausgaben für das Heroin fehlte in der Familie stets das Geld. „Wir haben viel Zeit verschwend­et“, ergänzte seine Ehefrau.

Da sie in einem Fall mit zehn Gramm deutlich mehr als den akuten Bedarf gekauft hatten, begründete der Angeklagte damit, dass die Händler angekündig­t hatten, einige Tage nicht anwesend zu sein. Genau dieser Kauf führte allerdings auch zu einer Anklage wegen des Besitzes von Betäubungs­mitteln und hätte zu einer Freiheitss­trafe ohne Bewährung führen können. Doch Staatsanwa­lt, Verteidige­r, Richterin und Schöffen waren sich einig: In diesem Fall sei Gefängnis die falsche Strafe. 18 Monate auf Bewährung verhängte das Schöffenge­richt – verbunden mit der Auflage, dass das Ehepaar sich weiterhin in Behandlung begeben und dreimal jährlich die DrogenFrei­heit nachweisen muss.

Beide versichert­en, sich daran zu halten. Denn: „So ein Leben will ich nicht mehr führen“, sagte die 31-Jährige abschließe­nd. Und ihr Ehemann bemerkte: „Das Schlimmste war, die Kinder so zu enttäusche­n.“

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