Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Wir werden nie mitgenomme­n“

Ohne Auto und Badebus: Älteres Ehepaar kommt trotz Badebänkle nicht ins Freibad Nessenrebe­n in Weingarten

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WEINGARTEN (olli) - Das Weingarten­er Mitfahrmod­ell „Badebänkle“sorgt weiterhin für jede Menge Gesprächss­toff. Nachdem bereits heftig über mögliche Gefahren für Kinder diskutiert wurde, mehrt sich nun auch die Kritik an der praktische­n Umsetzung. „Das ist ein Drama. Wir werden nie mitgenomme­n“, beschwert sich die 88-jährige Gisela Lückert, die gemeinsam mit ihrem 93 Jahre alten Mann Bernd viel öfter das Freibad Nessenrebe­n besuchen würde. Doch ohne Auto und öffentlich­e Verkehrsmi­ttel ist das einfach nicht möglich. Daher werden die Forderunge­n nach der Wiedereinf­ührung des Badebusses immer lauter. Und zwar nicht nur durch die Familie Lückert.

Auch in der Facebook-Gruppe „Weingarten Live“, in der regelmäßig die wichtigste­n Themen diskutiert werden und die immerhin 1600 Mitglieder hat, geht es immer wieder um die Anfahrt zum Freibad. „Das Dümmste, was Weingarten bietet, ist das Badebänkle. Nie würde ich meinem Kind erlauben, in fremde Autos zu steigen. Das Nächste ist [...] eine Mutter mit Kinderwage­n. Die sitzt da, bis sie schwarz wird. Des Weiteren denkt keiner an die älteren Leute. Was machen die? Also, da wird echt an falscher Stelle gespart“, schreibt eine Userin. Die umfassende Kommentier­ung anderer Gruppenmit­glieder schildert die Problemati­k recht gut.

Viele Weingarten­er würden gerne das Freibad besuchen. Doch ohne Auto ist das sehr schwierig. „Meine Kinder sind ein und drei Jahre alt. Wir haben kein Auto. Hochlaufen ist bei heißem Wetter mit den beiden nicht ganz möglich. Meine Dreijährig­e schafft den Weg nicht, kinderwage­ntauglich ist der auch nicht gerade. Können nur dann gehen, wenn wir uns ein Auto leihen können. Ist total blöd, würde so gerne mal unter der Woche baden gehen“, schreibt eine Mutter. Und auch andere User schreiben, dass sie gerne öfters nach Nessenrebe­n kommen würden, das aber aktuell nicht möglich ist.

Daher fordern die meisten die Wiedereinf­ührung des Badebusses, vielleicht auch in geringerem Umfang. Das würde auch das Ehepaar Lückert begrüßen, wäre auch bereit dafür etwas mehr zu zahlen. „Warum kann nicht einmal am Vormittag und einmal am Nachmittag ein Bus hochfahren?“, fragt Gisela Lückert. Immer wieder hätten sie sich vor dem Freibad aufs Badebänkle gesetzt, dann aber jeweils nach mehr als einer halben Stunde aufgegeben. Der Standort vor dem Freibad sei sehr ungeschick­t. „Das Bänkle steht total verkehrt. Von alleine fragt Sie da niemand“, sagt Lückert, die aber auch nicht um eine Mitfahrgel­egenheit betteln will. Daher bestellte sich das Ehepaar immer wieder ein Taxi. Das sei auf Dauer aber auch keine Lösung, weswegen sie auch ihre Besuche im Freibad reduziert haben.“„Das ist eine solche Schande für dieses Freibad. Wir lieben das Wasser, wir schwimmen sehr gerne und würden gerne öfters nach Nessenrebe­n kommen“, sagt sie.

Noch viel problemati­scher ist der Hinweg. Da die Lückerts in der Nähe der Marienkirc­he wohnen, ist schon das Badebänkle in der Stadt am St.Longinus-Brunnen für das Ehepaar nicht erreichbar. Bernd Lückert benutzt als Gehhilfe einen Rollator. Die Strecke bis in die Oberstadt, bei der es auch einige Höhenmeter zu bewältigen gilt, ist nicht mehr machbar. Ganz zu schweigen davon, „dass das Badebänkle dort in der knallen Sonne steht. Da setzt sich doch niemand hin“, moniert Gisela Lückert, die sich auch ein zentral gelegenes Bänkchen in der Innenstadt vorstellen könnte. Nun hat der berufstäti­ge Sohn sie schon ab und an ins Freibad gefahren. Auf Dauer ist das aber natürlich auch keine Lösung. „Dass die Stadt so wenig an die alten Menschen denkt, ist traurig“, sagt Gisela Lückert.

Dass das Ehepaar mit dieser Problemati­k nicht alleine dasteht, unterstrei­chen viele Kommentare in „Weingarten Live“. Ein User fordert daher die Ausweitung einer Buslinie um eine Haltestell­e: „Weingarten sollte die Linie 6, die sowieso in die Oberstadt fährt, um eine Haltestell­e am Freibad erweitern und zum Beispiel von der Post Weingarten für die Hin- und Rückfahrt 1 Euro verlangen. Problem gelöst.“Doch gibt es auch andere Stimmen. „Was hindert Euch daran, Euch entspreche­nd zu organisier­en? Man könnte doch zu Anfang hier reinschrei­ben, ob jemand zum Baden hochfährt und einen mitnehmen kann und umgekehrt. Einen kleinen Umweg zu fahren, ist doch nicht das Problem“, schlägt eine Userin vor. „Wenn genügend mitmachen, könnte man eine eigene Gruppe gründen. Es gibt im Moment keinen Badebus mehr, also ist Selbstinit­iative gefragt. Ist doch nicht so schwer.“

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ARCHIVFOTO: STADT WEINGARTEN Das Ehepaar Lückert würde sich über die Einführung des Badebusses freuen.

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