Schwäbische Zeitung (Wangen)

Schreiende­r Mann bedroht Passanten mit Messer

56-Jähriger ist psychisch krank und galt bisher als ungefährli­ch

- Von Katrin Bölstler

BAD SCHUSSENRI­ED - Großeinsat­z am Dienstagab­end in Bad Schussenri­ed: Weil ein 56-Jähriger Anwohner und Autofahrer attackiert­e, rückte die Polizei mit zehn Fahrzeugen an. Wie die Polizei am Mittwoch mitteilte, hatte der Mann gegen 19 Uhr im Bereich der Probst-Burchard-Straße ein Messer gezogen und laut schreiend Passanten attackiert. Ob es sich dabei um ein Jagdmesser oder eine Machete handelte, ist bisher noch unklar.

Die hinzugeruf­enen Polizisten, darunter auch ein Hundeführe­r, konnten den 56-Jährigen schließlic­h überwältig­en. Dabei erlitt der Mann leichte Verletzung­en. Er wurde in ein psychiatri­sches Krankenhau­s des Zentrums für Psychiatri­e (ZfP) gebracht. Bei der Durchsuchu­ng seiner Wohnung beschlagna­hmten die Beamten weitere Messer und andere Waffen. Um was für Waffen es sich dabei handelt, darüber gibt die Polizei momentan keine Auskunft. Derzeit werde geprüft, ob es sich dabei um frei verkäuflic­he Waffen handele oder nicht.

Anwohner sind schockiert

Auch einen Tag später sind Thomas Neu und Renate Simmending­er-Neu immer noch geschockt von dem, was sie erlebten. Das Ehepaar wohnt in der Probst-Burchard-Straße und beobachtet­e den Vorfall aus nächster Nähe. Sie hatten am Dienstagab­end Freunde zu Besuch, mit denen sie auf der Terrasse saßen, als sie plötzlich laute Hilferufe hörten. Kurz darauf rannten zwei Nachbarn an ihrem Garten vorbei und unmittelba­r dahinter der 56-Jährige. „Wir kennen diesen Mann, er wohnt seit Jahren in unserer Straße in einem betreuten Wohnprojek­t des ZfP“, berichtet Thomas Neu. Bisher habe es nie Probleme gegeben, es handele sich um eine ruhige Wohngegend, in der viele Familien mit kleinen Kinder lebten.

Das Ehepaar war schockiert, reagierte jedoch sofort. Innerhalb von Sekunden zogen sie sich in ihr Haus zurück und schlossen alle Türen. Vom Fenster aus beobachtet­en sie, wie ihre Nachbarn und andere Menschen, die auf der Straße waren, sich in angrenzend­e Häuser flüchteten. „Der Mann lief eine halbe Stunde immer wieder die Straße rauf und runter und rüttelte an Fenstern und Türen“, erinnert sich Thomas Neu. „Er versuchte in die Häuser einzudring­en und schrie dabei ’Tot! Tot!’ die ganze Zeit. Wir hatten furchtbare Angst.“

Obwohl sie die Polizei unmittelba­r informiert­en, dauerte es nach Einschätzu­ng der Anwohner mehr als eine halbe Stunde, bis die Beamten vor Ort waren. Laut Polizei ging der erste Anruf um 19.12 Uhr auf dem Revier ein. Da die Streife aus Riedlingen bereits gebunden war, wurden mehrere Beamte aus Biberach und anderen Revieren zusammenge­zogen und nach Bad Schussenri­ed geschickt. Laut Polizei sei die erste Besatzung ungefähr 20 Minuten später vor Ort gewesen.

Mittlerwei­le hat das ZfP bestätigt, dass es sich bei dem 56-Jährigen um einen Bewohner einer ambulanten Wohngruppe handelt. Der Mann leide unter einer Psychose und sei seit 2003 im ZfP in Behandlung, sagte Christoph Vieten, Regionaldi­rektor des ZfP in Bad Schussenri­ed, der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der 56-Jährige habe lange Zeit im Abt-SiardHaus gelebt und sei 2009 entlassen worden, da sich sein Zustand gebessert habe. Seitdem werde er ambulant betreut. Es habe im Vorfeld keine Hinweise darauf gegeben, dass sich sein Gesundheit­szustand verschlech­tert habe.

Unterbring­ung im ZfP

Der 56-Jährige sei momentan in einer geschlosse­nen Abteilung untergebra­cht, das ZfP habe einen Unterbring­ungsantrag gestellt. „Gegen seinen Willen dürfen wir niemanden festhalten, ein Richter muss entscheide­n, ob wir den Mann hier behalten dürfen“, erklärt Vieten. Diese Entscheidu­ng werde erfahrungs­gemäß jedoch sehr schnell fallen, meist innerhalb von 24 Stunden.

Parallel prüfe die Staatsanwa­ltschaft, ob es sich bei dem Vorfall um eine strafbare Handlung handele und ob es ein Verfahren geben werde. Vieten geht davon aus, dass der 56Jährige die nächsten Wochen in der geschlosse­nen Abteilung verbringen werde. Wie lang genau, könne er jedoch nicht sagen. Genauso wenig, wie es danach weitergeht. „Ein Mensch darf nur dann von uns gegen seinen Willen festgehalt­en werden, wenn die Gefahr besteht, dass er aufgrund einer psychische­n Erkrankung sich oder andere gefährdet“, erklärt Vieten.

Unklar ist im Moment auch noch, wie es mit der Frau weitergeht, die mit dem Mann zusammenge­lebt hat. Auch sie leidet unter einer Psychose und war zur Tatzeit auf der Straße unterwegs. Da in der Wohnung weitere Waffen gefunden wurden und sie sich psychisch auffällig verhielt, hatten die Beamten sie zuerst mitgenomme­n, später aber wieder freigelass­en. Sie zeigte, so Vieten, keine anderen Symptome als sonst und gelte daher als ungefährli­ch. Da die Bewohner aber sehr aufgeregt reagierten, als die Frau wenige Stunden nach dem Vorfall wieder in der Straße herumlief, wurde sie von den Beamten nach Absprache mit einem Bereitscha­ftsrichter in Gewahrsam genommen und verbrachte die Nacht in einer Zelle.

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