Schreiender Mann bedroht Passanten mit Messer
56-Jähriger ist psychisch krank und galt bisher als ungefährlich
BAD SCHUSSENRIED - Großeinsatz am Dienstagabend in Bad Schussenried: Weil ein 56-Jähriger Anwohner und Autofahrer attackierte, rückte die Polizei mit zehn Fahrzeugen an. Wie die Polizei am Mittwoch mitteilte, hatte der Mann gegen 19 Uhr im Bereich der Probst-Burchard-Straße ein Messer gezogen und laut schreiend Passanten attackiert. Ob es sich dabei um ein Jagdmesser oder eine Machete handelte, ist bisher noch unklar.
Die hinzugerufenen Polizisten, darunter auch ein Hundeführer, konnten den 56-Jährigen schließlich überwältigen. Dabei erlitt der Mann leichte Verletzungen. Er wurde in ein psychiatrisches Krankenhaus des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) gebracht. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung beschlagnahmten die Beamten weitere Messer und andere Waffen. Um was für Waffen es sich dabei handelt, darüber gibt die Polizei momentan keine Auskunft. Derzeit werde geprüft, ob es sich dabei um frei verkäufliche Waffen handele oder nicht.
Anwohner sind schockiert
Auch einen Tag später sind Thomas Neu und Renate Simmendinger-Neu immer noch geschockt von dem, was sie erlebten. Das Ehepaar wohnt in der Probst-Burchard-Straße und beobachtete den Vorfall aus nächster Nähe. Sie hatten am Dienstagabend Freunde zu Besuch, mit denen sie auf der Terrasse saßen, als sie plötzlich laute Hilferufe hörten. Kurz darauf rannten zwei Nachbarn an ihrem Garten vorbei und unmittelbar dahinter der 56-Jährige. „Wir kennen diesen Mann, er wohnt seit Jahren in unserer Straße in einem betreuten Wohnprojekt des ZfP“, berichtet Thomas Neu. Bisher habe es nie Probleme gegeben, es handele sich um eine ruhige Wohngegend, in der viele Familien mit kleinen Kinder lebten.
Das Ehepaar war schockiert, reagierte jedoch sofort. Innerhalb von Sekunden zogen sie sich in ihr Haus zurück und schlossen alle Türen. Vom Fenster aus beobachteten sie, wie ihre Nachbarn und andere Menschen, die auf der Straße waren, sich in angrenzende Häuser flüchteten. „Der Mann lief eine halbe Stunde immer wieder die Straße rauf und runter und rüttelte an Fenstern und Türen“, erinnert sich Thomas Neu. „Er versuchte in die Häuser einzudringen und schrie dabei ’Tot! Tot!’ die ganze Zeit. Wir hatten furchtbare Angst.“
Obwohl sie die Polizei unmittelbar informierten, dauerte es nach Einschätzung der Anwohner mehr als eine halbe Stunde, bis die Beamten vor Ort waren. Laut Polizei ging der erste Anruf um 19.12 Uhr auf dem Revier ein. Da die Streife aus Riedlingen bereits gebunden war, wurden mehrere Beamte aus Biberach und anderen Revieren zusammengezogen und nach Bad Schussenried geschickt. Laut Polizei sei die erste Besatzung ungefähr 20 Minuten später vor Ort gewesen.
Mittlerweile hat das ZfP bestätigt, dass es sich bei dem 56-Jährigen um einen Bewohner einer ambulanten Wohngruppe handelt. Der Mann leide unter einer Psychose und sei seit 2003 im ZfP in Behandlung, sagte Christoph Vieten, Regionaldirektor des ZfP in Bad Schussenried, der „Schwäbischen Zeitung“. Der 56-Jährige habe lange Zeit im Abt-SiardHaus gelebt und sei 2009 entlassen worden, da sich sein Zustand gebessert habe. Seitdem werde er ambulant betreut. Es habe im Vorfeld keine Hinweise darauf gegeben, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe.
Unterbringung im ZfP
Der 56-Jährige sei momentan in einer geschlossenen Abteilung untergebracht, das ZfP habe einen Unterbringungsantrag gestellt. „Gegen seinen Willen dürfen wir niemanden festhalten, ein Richter muss entscheiden, ob wir den Mann hier behalten dürfen“, erklärt Vieten. Diese Entscheidung werde erfahrungsgemäß jedoch sehr schnell fallen, meist innerhalb von 24 Stunden.
Parallel prüfe die Staatsanwaltschaft, ob es sich bei dem Vorfall um eine strafbare Handlung handele und ob es ein Verfahren geben werde. Vieten geht davon aus, dass der 56Jährige die nächsten Wochen in der geschlossenen Abteilung verbringen werde. Wie lang genau, könne er jedoch nicht sagen. Genauso wenig, wie es danach weitergeht. „Ein Mensch darf nur dann von uns gegen seinen Willen festgehalten werden, wenn die Gefahr besteht, dass er aufgrund einer psychischen Erkrankung sich oder andere gefährdet“, erklärt Vieten.
Unklar ist im Moment auch noch, wie es mit der Frau weitergeht, die mit dem Mann zusammengelebt hat. Auch sie leidet unter einer Psychose und war zur Tatzeit auf der Straße unterwegs. Da in der Wohnung weitere Waffen gefunden wurden und sie sich psychisch auffällig verhielt, hatten die Beamten sie zuerst mitgenommen, später aber wieder freigelassen. Sie zeigte, so Vieten, keine anderen Symptome als sonst und gelte daher als ungefährlich. Da die Bewohner aber sehr aufgeregt reagierten, als die Frau wenige Stunden nach dem Vorfall wieder in der Straße herumlief, wurde sie von den Beamten nach Absprache mit einem Bereitschaftsrichter in Gewahrsam genommen und verbrachte die Nacht in einer Zelle.