242 Bürger nehmen Stellung
Erste Beteiligung für Baugebiet zwischen Haid und Wittwais abgeschlossen – Baugrund wird untersucht
WANGEN - Das ist●rekordverdächtig: Sage und schreibe 242 Bürger haben schriftlich Stellung bezogen zum Anfang Mai vom Gemeinderat gebilligten Vorentwurf zum Bebauungsplan für das umstrittene Baugebiet zwischen Haid und Wittwais. Im Herbst soll das Thema erneut in den Rat. Unterdessen sind in dieser Woche Baugrunduntersuchungen für das Gebiet gelaufen.
Einen Monat lang hatten Bürger und Behörden Zeit, Position zum geplanten Areal zu beziehen, das unter „Erweiterung Wittwais“firmiert. Am 11. Juli endete diese Frist, und bis dahin gingen bei der Stadt 242 Stellungnahmen von Bürgern ein, wie Claudia Adler von der Stadtplanung im städtischen Bauamt auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“berichtet. Zudem hätten sich 25 Behörden und Institutionen geäußert.
Während die zweite Zahl im üblichen Rahmen liegt, ist die Resonanz der Bürger außergewöhnlich groß. Auch, weil 187 gleiche oder nahezu gleichlautende Stellungnahmen beim Bauamt eingegangen sind. Dafür gesorgt hatten Mitglieder der Interessengemeinschaft (IG) HaidWittwais, die in der Gegend auch von Haus zu Haus gegangen waren, um Unterstützer zu gewinnen. Die nach eigenen Angaben heute 350 Mitglieder starke IG pocht seit ihrer Gründung im August 2016 auf eine Bebauung des Gebiets vornehmlich mit Einfamilienhäusern.
Mindestens 187 Ablehnungen
Bei ihren Rundgängen im Gepäck hatten die Mitglieder auf drei Seiten ausformulierte und zur Unterschrift bereite Vordrucke, an deren Ende es heißt: „Nach alledem kann die Planung in der vorliegenden Form nicht akzeptiert werden.“Dieser Satz und vier vorangehende argumentative Hauptpunkte beziehen sich auf den Inhalt der bisherigen städtischen Planungen für das geplante Baugebiet, die zahlreiche Einfamilien, Doppel-, Reihen- und Kettenhäuser sowie einige Mehrfamiliengebäude vorsehen.
In den „Serienstellungnahmen“begründen die Unterzeichner ihre Ablehnung der städtischen Pläne mit mehreren Aspekten. Ein Kernpunkt ist der Verweis auf den Landesentwicklungsplan, den (derzeit in Überarbeitung befindlichen) Regionalplan sowie den rechtlich daraus mündenden Flächennutzungsplan. All deren Zielen widerspreche der städtische Bebauungsplanentwurf.
So verlange der Landesentwicklungsplan vorrangig eine Entwicklung am Bestand. Die Ziele des Regionalplans strebten „die Erhaltung einer gesunden und anregenden Umwelt“an. Und der Flächennutzungsplan weise für das Areal „Gemeinbedarfsflächen, öffentlichen Grünflächen, geplante Wohnbauflächen sowie Flächen für Landwirtschaft“aus. Nach Ansicht der Unterzeichner hält das Vorhaben diese Ziele in der jetzigen Form nicht ein. Denn, so heißt es in den Schreiben wörtlich: „Der vorliegende Bebauungsplan sieht eine massive Verdichtung im gesamten Plangebiet hinsichtlich der baulichen Nutzung vor.“
Auf Nachfrage erklärt Stadtplanerin Claudia Adler, dass der für die Einhaltung des Regionalplans zuständige Regionalverband in seiner Stellungnahme zu den Plänen „keine Bedenken“geäußert habe. Zum Flächennutzungsplan sagt sie: Dessen Änderung sei möglich – wie in anderen Fällen immer wieder geschehen. Und: „Das ist ganz oft so.“Zudem bediene sich die Stadt des vereinfachten Verfahrens nach Paragraf 13b Baugesetzbuch, der auch „nachrichtliche Änderungen“zulasse. Inhaltliche Einschätzungen zu den Einwendungen will Adler mit Blick auf im Herbst erneut anstehende Debatten im Gemeinderat (siehe Kasten) aktuell nicht preisgeben. Dies erfolge über die dann zu debattierenden Abwägungsvorschläge der Stadtverwaltung.
Dabei dürften auch andere Aspekte der „Serienstellungnahme“Thema werden. So wird darin der Entwurf zur „Erweiterung Wittwais“mit den Vorgaben der rechtskräftigen Bebauungspläne für die angrenzenden Wohngebiete Haid Mitte und Wittwais verglichen – und zwar unter anderem bezüglich der jeweils zulässigen Höhen der Bebauung. Quintessenz hier: Die in der „Erweiterung Wittwais“vorgesehenen zulässigen Gebäudehöhen liegen teils deutlich über jenen in den Bestandsgebieten. Ergo füge sich die geplante Bebauung nicht ins Gesamtbild ein – auch was Trauf- und Firsthöhen angeht. Besonders aber werden in der „Serienstellungnahme“geringere Wandhöhen gefordert. Also niedrigere Häuser.
„Anwohnern entgegen gekommen“
Neben einer Kritik an der verkehrstechnischen Erschließung und möglichen Mängeln beim Lärmschutz in Richtung des GesundheitszentrumParkplatzes drücken die Unterzeichner auch Befürchtungen vor Mehrfamilienhäusern nahe am bestehenden Baugebiet Haid aus und fordern dort „die Zulassung ausschließlich von Einfamilienhäusern“. Allerdings: In keinem bislang von der Stadt vorliegenden Planentwurf war und ist genau dort bis dato von Geschossbauten die Rede gewesen. Nach aktuellem Stand stellt sich die Verwaltung diese eher in Bereichen vor, die vergleichsweise weit entfernt von bestehenden Häusern der Haid sind.
Dabei soll es nach Ansicht der Stadt auch bleiben, wie Stadtplanerin Claudia Adler auf Nachfrage erklärt: „Wir sind den Anwohnern da ein großes Stück entgegen gekommen.“Dies zeige sich auch an der Größe der fraglichen Grundstücksparzellen Anfang nächsten Jahres möglich. Parallel laufen bauliche Vorbereitungen: Zwölf in diesen Tagen gelaufenen Probebohrungen zur Baugrunduntersuchung sollen bis zum Herbst ein entsprechendes geologisches Gutachten und die daraus resultierende Erschließungsplanung folgen, so Martin Jörg vom Tiefbauamt. Nach einem möglichen Satzungsbeschluss Anfang 2019 könnte die Erschließung ausgeschrieben werden. Mit der rechnet Jörg aber erst 2020. Denn angesichts prall gefüllter Auftragsbücher plagt die Stadt derzeit die Sorge, ob sie überhaupt Bauunternehmen findet – und das auch noch zu einem angemessenen Preis. (jps) hin zur Haid. Sie seien so bemessen, dass sie eigentlich nur Eigenheime zuließen.
Stellungnahmen zum Bebauungsplanentwurf eingereicht haben aber nicht nur Anwohner oder IG-Mitstreiter, sondern auch andere Wangener. Dazu gehört beispielsweise der Architekt Michael Scheidler. Er kritisiert die städtischen Pläne ebenfalls – allerdings aus völlig anderem Blickwinkel. Diese bezeichnet er zwar „auf den ersten Blick ausgewogen und gefällig“, schreibt aber auch: „Von einer klaren städtebaulichen Struktur kann keine Rede sein“. Es handele sich lediglich um einen „Mix von Hausformen und -größen“, bei dem „das Primat von ,Häusle mit Garten’“bestehen bleibe und die Förderung kompakter Wohnformen nicht zu erkennen sei.
Die Geschichte des Streits
Zur Erinnerung: Scheidler hatte im Sommer 2016 gemeinsam mit seinem Berufskollegen Matthias Vetter Geschosswohnungsbauvarianten für das Gebiet vorgeschlagen. Um diese bereits im Keim zu verhindern, bildete sich kurz danach die IG. Später gehörte Scheidler zu den Mitbegründern des Wohnungsbauforums Wangen, das sich für ein Umdenken bei der Baupolitik einsetzt. Die Beweggründe gehen auch aus seiner Stellungnahme zur „Erweiterung Wittwais“hervor: „Dabei halte ich fest, dass es mir nicht um das rigorose ,Zubauen’ des Areals geht, sondern um die Suche zu vorderst nach einer Lösung für die drängende Wohnungsnot in einer städtebaulich gelungenen und nachhaltigen Form.“