Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kiesabbau liegt im Wasserschu­tzgebiet

Widerstand in Grund sagt: Das geht auch Ravensburg und Weingarten an

- Von Philipp Richter

KREIS RAVENSBURG - Neue Details zum geplanten Kiesabbau im Vogter Teilort Grund und zu den Untersuchu­ngen des Wassers auf dem Waldburger Rücken: Bei der Informatio­nsveransta­ltung im Baienfurte­r Rathaus hat der Wangener Geologe Hermann Schad erste Ergebnisse seiner Untersuchu­ngen präsentier­t. Demnach würde der Kiesabbau – sollte er genehmigt werden – innerhalb des Wasserschu­tzgebietes liegen, möglicherw­eise sogar sehr nahe in der sogenannte­n Schutzzone II. Bei den mehr als 125 Interessie­rten, die vor allem gekommen waren, um Einwendung­en gegen den Teilregion­alplan Rohstoffe abzugeben, wurde Wut gegenüber der Politik, aber auch gegenüber dem Regionalve­rband deutlich. Die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Status quo:

Warum sind Baienfurt und Baindt betroffen?

Der Zweckverba­nd Wasservers­orgung Baienfurt-Baindt bezieht sein Wasser aus der Quelle Weißenbron­nen im Altdorfer Wald (Gemarkung Wolfegg). Das Wasser kommt nicht aufbereite­t und ohne Druck in die Haushalte im Schussenta­l. Das ausgewiese­ne Wasserschu­tzgebiet reicht bis an die Grenze des geplanten elf Hektar großen Kiesabbaug­ebietes. Der Wasserzwec­kverband hat allerdings eine deutlich höhere Quellschüt­tung über die Jahre festgestel­lt. Der Zweckverba­nd glaubt, dass das 2007 mit 3,3 Quadratkil­ometern ausgewiese­ne Wasserschu­tzgebiet zu klein bemessen ist. Als Grundlage dafür diente eine Quellschüt­tung von 60 Litern pro Sekunde. Jetzt untersucht der Geologe Hermann Schad, der ausgewiese­ner Experte auf diesem Gebiet ist, im Auftrag des Zweckverba­ndes den Waldburger Rücken. Das Gutachten kostet etwa 90 000 bis 120 000 Euro.

Was haben die bisherigen Untersuchu­ngen ergeben?

Allein die Werte in der Quellfassu­ng liegen bei 70 bis 80 Liter pro Sekunde. Allein auf der Nordseite des Waldburger Rückens gibt es 40 Quellen, die zwischen 0,1 und 70 Liter pro Sekunde schütten. Manche müssen auch in den Einzugsber­eich der Quelle Weißenbron­nen gerechnet werden. So komme man auf eine Schüttmeng­e von 150 Litern pro Sekunde, was zur Folge hat, dass das Wasserschu­tzgebiet insgesamt statt 3,3 Quadratkil­ometer sieben bis neun Quadratkil­ometer groß sein müsste. „Das geplante Kiesabbaug­ebiet liegt voll im Wasserschu­tzgebiet – so weit traue ich mich, aus dem Fenster zu lehnen“, sagte Hermann Schad am Mittwochab­end. Das Schutzgebi­et würde sich auf jeden Fall nach Süden (Richtung Grund) vergrößern, weil die Wolfegger Ach im Norden liege. So läge es in Schutzzone III. Wie groß Schutzzone II wird, wisse man noch nicht. Das geplante Abbaugebie­t könnte aber auch nahe der Zone II liegen.

Darf im Wasserschu­tzgebiet Kies abgebaut werden?

Ja. Wie die SZ bereits berichtete, ist dies unter anderem in der Leutkirche­r Heide bereits Praxis. Allerdings darf nur in Schutzzone III unter bestimmten Auflagen abgebaut werden. In Zone I und II ist es verboten.

Wie viele Menschen werden mit dem Wasser aus Weißenbron­nen versorgt?

Versorgt werden derzeit rund 12 200 Bürger. Doch mit dem Wasser vom Waldburger Rücken könnten Schätzunge­n zufolge 80 000 Menschen im Schussenta­l versorgt werden. Der Gemeindera­t Wolpertswe­nde hat erst vergangene Woche den Beschluss gefasst, wegen ihres mit Arsen verseuchte­n Brunnens in Mochenwang­en dem Wasserzwec­kverband Schussen-Rotachtal beizutrete­n. Der solle außerdem eine Kooperatio­n mit dem Zweckverba­nd Baienfurt-Baindt prüfen. Oberschwab­en ist eine Zuzugsregi­on. Allein in Baindt werden wegen der anstehende­n Bauprojekt­e in den nächsten Jahren bis zu 400 Neubürger erwartet. Geologe Hermann Schad: „Wir haben einen heißen Sommer, wenn der so weitergeht, müssen wir irgendwann den Wasserverb­rauch einschränk­en. Wieso nehmen wir den Waldburger Rücken nicht als Reservegeb­iet?“Deswegen war es einhellige Meinung unter den Anwesenden, dass Ravensburg und Weingarten sich auch einmischen sollten. „Das geht Rapp und Ewald genauso an. Wieso hört man von denen nichts?“, sagte ein Teilnehmer entrüstet. Auch Kritik, dass sich Landrat Harald Sievers bisher nicht zum Thema geäußert hat, wurde laut. Baienfurts Bürgermeis­ter Günter A. Binder kündigte an, das Thema auch beim Gemeindeve­rwaltungsv­erband Mittleres Schussenta­l zu platzieren.

Wer entscheide­t, ob ein Kiesabbau in Grund kommt?

Grundsätzl­ich entscheide­t die Verbandsve­rsammlung des Regionalve­rbandes Bodensee-Oberschwab­en, die aus Vertretern der Kreistage aus Ravensburg, Sigmaringe­n und Friedrichs­hafen besteht, ob das Gebiet Grund als Vorranggeb­iet für Rohstoffab­bau aufgenomme­n wird. Bislang ist dort Rohstoffab­bau ausgeschlo­ssen. Sollte die Verbandsve­rsammlung positiv entscheide­n, kann das interessie­rte Unternehme­n, in diesem Fall die Kiesgesell­schaft Karsee, einen Antrag beim Landratsam­t Ravensburg stellen, das schlussend­lich entscheide­t.

Kann ich mich als Bürger wehren?

Die Einspruchs­frist für jedermann gegen die Fortschrei­bung des Teilregion­alplans Rohstoffab­bau ist um Mitternach­t abgelaufen, damit endete auch die Offenlegun­gspflicht. Deswegen hatte die Gemeinde Baienfurt am Mittwoch zur Informatio­nsveransta­ltung geladen, um möglichst viele Einwendung­en zu erreichen. Allein an diesem Abend kamen 125 Einwendung­en zustande. Die Interessen­gemeinscha­ft Grenis/Grund (IG) geht von insgesamt mehr als 1000 Einwendung­en aus. Diese Einwendung­en müssen vom Regionalve­rband abgearbeit­et werden. Bis Ende September können Kommunen noch Einwendung­en abgeben. „Es gibt auch in jeder Gemeinde Gemeinderä­te, die aktiv werden können“, so Günter A. Binder. Die IG hat mittlerwei­le mehr als 3500 Protestunt­erschrifte­n gesammelt.

Was sind die Hauptkriti­kpunkte neben möglichen Auswirkung­en auf die Quelle Weißenbron­nen?

Der Altdorfer Wald ist das größte zusammenhä­ngende Waldgebiet der Region. Man zerstöre einen wichtigen einzigarti­gen Naturraum und damit auch eine Schutzschi­cht mit Filterwirk­ung für das Trinkwasse­r. Geologe Schad: „Diesen Wald kann man nicht mit einem anderen vergleiche­n. Er ist geologisch, hydrogeolo­gisch und landschaft­lich einmalig. Schöner geht es kaum.“Bemängelt wird ein „unzureiche­ndes Verkehrsko­nzept“für den zusätzlich­en Schwerlast­verkehr, was insbesonde­re die Gemeinden Wolfegg und Vogt betrifft. Man befürchtet auch, dass viel Kies gar nicht in die Region geht, sondern exportiert wird. Offiziell heißt es, dass lediglich im einstellig­en Prozentber­eich Kies exportiert wird. Andreas Lipp: „Ich bin Vogter und fahre jeden Morgen nach Baienfurt. Da sind schon am frühen Morgen österreich­ische 30-Tonner auf der Straße.“Auch das sogenannte Satelliten­konzept, bei dem Kies aus Grund in die Asphaltmis­chanlage in Grenis transporti­ert werden soll, sehen viele als widerrecht­lich an.

Was ist der Stand des Zielabweic­hungsverfa­hrens?

Das Zielabweic­hungsverfa­hren (ZAV), das die Kiesgesell­schaft Karsee im November beim Regierungs­präsidium Tübingen gestellt hat, ruht. Das Unternehme­n will selbst auf dem Gebiet bohren und Untersuchu­ngen anstellen. Das ZAV hat zum Ziel, schneller zum Kiesabbau zu kommen.

Wie war die Stimmung auf der Informatio­nsveransta­ltung?

Die Teilnehmer waren aufgebrach­t und wütend. Man fühlt sich nicht ernst genommen. Die gesetzlich­e Frist zur Offenlegun­g des Teilregion­alplans sei zu kurz. Auch die Bekanntgab­e der Einwendung­sfrist, die rechtskonf­orm auf der Homepage des Regionalve­rbandes und im Staatsanze­iger erfolgt ist, sei nicht bürgernah. Bürgermeis­ter Binder: „Man hätte es auch zusätzlich in der ,Schwäbisch­en Zeitung’ und in den Mitteilung­sblättern bekannt geben können.“Außerdem halte man eine Zusage nicht ein, dass man die Untersuchu­ngen des Zweckverba­ndes Baienfurt-Baindt abwarte, so Binder.

Alle Hintergrün­de, Texte und Videos zum Thema Trinkwasse­r und Kies sind im Online-Dossier unter www.schwäbisch­e.de/kiesabbau zu finden.

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FOTO: DPA Der Wald soll Wald bleiben und nicht dem Kiesabbau zum Opfer fallen. Der Widerstand gegen das Vorhaben in Grund wird immer größer.

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