Kiesabbau liegt im Wasserschutzgebiet
Widerstand in Grund sagt: Das geht auch Ravensburg und Weingarten an
KREIS RAVENSBURG - Neue Details zum geplanten Kiesabbau im Vogter Teilort Grund und zu den Untersuchungen des Wassers auf dem Waldburger Rücken: Bei der Informationsveranstaltung im Baienfurter Rathaus hat der Wangener Geologe Hermann Schad erste Ergebnisse seiner Untersuchungen präsentiert. Demnach würde der Kiesabbau – sollte er genehmigt werden – innerhalb des Wasserschutzgebietes liegen, möglicherweise sogar sehr nahe in der sogenannten Schutzzone II. Bei den mehr als 125 Interessierten, die vor allem gekommen waren, um Einwendungen gegen den Teilregionalplan Rohstoffe abzugeben, wurde Wut gegenüber der Politik, aber auch gegenüber dem Regionalverband deutlich. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Status quo:
Warum sind Baienfurt und Baindt betroffen?
Der Zweckverband Wasserversorgung Baienfurt-Baindt bezieht sein Wasser aus der Quelle Weißenbronnen im Altdorfer Wald (Gemarkung Wolfegg). Das Wasser kommt nicht aufbereitet und ohne Druck in die Haushalte im Schussental. Das ausgewiesene Wasserschutzgebiet reicht bis an die Grenze des geplanten elf Hektar großen Kiesabbaugebietes. Der Wasserzweckverband hat allerdings eine deutlich höhere Quellschüttung über die Jahre festgestellt. Der Zweckverband glaubt, dass das 2007 mit 3,3 Quadratkilometern ausgewiesene Wasserschutzgebiet zu klein bemessen ist. Als Grundlage dafür diente eine Quellschüttung von 60 Litern pro Sekunde. Jetzt untersucht der Geologe Hermann Schad, der ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet ist, im Auftrag des Zweckverbandes den Waldburger Rücken. Das Gutachten kostet etwa 90 000 bis 120 000 Euro.
Was haben die bisherigen Untersuchungen ergeben?
Allein die Werte in der Quellfassung liegen bei 70 bis 80 Liter pro Sekunde. Allein auf der Nordseite des Waldburger Rückens gibt es 40 Quellen, die zwischen 0,1 und 70 Liter pro Sekunde schütten. Manche müssen auch in den Einzugsbereich der Quelle Weißenbronnen gerechnet werden. So komme man auf eine Schüttmenge von 150 Litern pro Sekunde, was zur Folge hat, dass das Wasserschutzgebiet insgesamt statt 3,3 Quadratkilometer sieben bis neun Quadratkilometer groß sein müsste. „Das geplante Kiesabbaugebiet liegt voll im Wasserschutzgebiet – so weit traue ich mich, aus dem Fenster zu lehnen“, sagte Hermann Schad am Mittwochabend. Das Schutzgebiet würde sich auf jeden Fall nach Süden (Richtung Grund) vergrößern, weil die Wolfegger Ach im Norden liege. So läge es in Schutzzone III. Wie groß Schutzzone II wird, wisse man noch nicht. Das geplante Abbaugebiet könnte aber auch nahe der Zone II liegen.
Darf im Wasserschutzgebiet Kies abgebaut werden?
Ja. Wie die SZ bereits berichtete, ist dies unter anderem in der Leutkircher Heide bereits Praxis. Allerdings darf nur in Schutzzone III unter bestimmten Auflagen abgebaut werden. In Zone I und II ist es verboten.
Wie viele Menschen werden mit dem Wasser aus Weißenbronnen versorgt?
Versorgt werden derzeit rund 12 200 Bürger. Doch mit dem Wasser vom Waldburger Rücken könnten Schätzungen zufolge 80 000 Menschen im Schussental versorgt werden. Der Gemeinderat Wolpertswende hat erst vergangene Woche den Beschluss gefasst, wegen ihres mit Arsen verseuchten Brunnens in Mochenwangen dem Wasserzweckverband Schussen-Rotachtal beizutreten. Der solle außerdem eine Kooperation mit dem Zweckverband Baienfurt-Baindt prüfen. Oberschwaben ist eine Zuzugsregion. Allein in Baindt werden wegen der anstehenden Bauprojekte in den nächsten Jahren bis zu 400 Neubürger erwartet. Geologe Hermann Schad: „Wir haben einen heißen Sommer, wenn der so weitergeht, müssen wir irgendwann den Wasserverbrauch einschränken. Wieso nehmen wir den Waldburger Rücken nicht als Reservegebiet?“Deswegen war es einhellige Meinung unter den Anwesenden, dass Ravensburg und Weingarten sich auch einmischen sollten. „Das geht Rapp und Ewald genauso an. Wieso hört man von denen nichts?“, sagte ein Teilnehmer entrüstet. Auch Kritik, dass sich Landrat Harald Sievers bisher nicht zum Thema geäußert hat, wurde laut. Baienfurts Bürgermeister Günter A. Binder kündigte an, das Thema auch beim Gemeindeverwaltungsverband Mittleres Schussental zu platzieren.
Wer entscheidet, ob ein Kiesabbau in Grund kommt?
Grundsätzlich entscheidet die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben, die aus Vertretern der Kreistage aus Ravensburg, Sigmaringen und Friedrichshafen besteht, ob das Gebiet Grund als Vorranggebiet für Rohstoffabbau aufgenommen wird. Bislang ist dort Rohstoffabbau ausgeschlossen. Sollte die Verbandsversammlung positiv entscheiden, kann das interessierte Unternehmen, in diesem Fall die Kiesgesellschaft Karsee, einen Antrag beim Landratsamt Ravensburg stellen, das schlussendlich entscheidet.
Kann ich mich als Bürger wehren?
Die Einspruchsfrist für jedermann gegen die Fortschreibung des Teilregionalplans Rohstoffabbau ist um Mitternacht abgelaufen, damit endete auch die Offenlegungspflicht. Deswegen hatte die Gemeinde Baienfurt am Mittwoch zur Informationsveranstaltung geladen, um möglichst viele Einwendungen zu erreichen. Allein an diesem Abend kamen 125 Einwendungen zustande. Die Interessengemeinschaft Grenis/Grund (IG) geht von insgesamt mehr als 1000 Einwendungen aus. Diese Einwendungen müssen vom Regionalverband abgearbeitet werden. Bis Ende September können Kommunen noch Einwendungen abgeben. „Es gibt auch in jeder Gemeinde Gemeinderäte, die aktiv werden können“, so Günter A. Binder. Die IG hat mittlerweile mehr als 3500 Protestunterschriften gesammelt.
Was sind die Hauptkritikpunkte neben möglichen Auswirkungen auf die Quelle Weißenbronnen?
Der Altdorfer Wald ist das größte zusammenhängende Waldgebiet der Region. Man zerstöre einen wichtigen einzigartigen Naturraum und damit auch eine Schutzschicht mit Filterwirkung für das Trinkwasser. Geologe Schad: „Diesen Wald kann man nicht mit einem anderen vergleichen. Er ist geologisch, hydrogeologisch und landschaftlich einmalig. Schöner geht es kaum.“Bemängelt wird ein „unzureichendes Verkehrskonzept“für den zusätzlichen Schwerlastverkehr, was insbesondere die Gemeinden Wolfegg und Vogt betrifft. Man befürchtet auch, dass viel Kies gar nicht in die Region geht, sondern exportiert wird. Offiziell heißt es, dass lediglich im einstelligen Prozentbereich Kies exportiert wird. Andreas Lipp: „Ich bin Vogter und fahre jeden Morgen nach Baienfurt. Da sind schon am frühen Morgen österreichische 30-Tonner auf der Straße.“Auch das sogenannte Satellitenkonzept, bei dem Kies aus Grund in die Asphaltmischanlage in Grenis transportiert werden soll, sehen viele als widerrechtlich an.
Was ist der Stand des Zielabweichungsverfahrens?
Das Zielabweichungsverfahren (ZAV), das die Kiesgesellschaft Karsee im November beim Regierungspräsidium Tübingen gestellt hat, ruht. Das Unternehmen will selbst auf dem Gebiet bohren und Untersuchungen anstellen. Das ZAV hat zum Ziel, schneller zum Kiesabbau zu kommen.
Wie war die Stimmung auf der Informationsveranstaltung?
Die Teilnehmer waren aufgebracht und wütend. Man fühlt sich nicht ernst genommen. Die gesetzliche Frist zur Offenlegung des Teilregionalplans sei zu kurz. Auch die Bekanntgabe der Einwendungsfrist, die rechtskonform auf der Homepage des Regionalverbandes und im Staatsanzeiger erfolgt ist, sei nicht bürgernah. Bürgermeister Binder: „Man hätte es auch zusätzlich in der ,Schwäbischen Zeitung’ und in den Mitteilungsblättern bekannt geben können.“Außerdem halte man eine Zusage nicht ein, dass man die Untersuchungen des Zweckverbandes Baienfurt-Baindt abwarte, so Binder.
Alle Hintergründe, Texte und Videos zum Thema Trinkwasser und Kies sind im Online-Dossier unter www.schwäbische.de/kiesabbau zu finden.