Mit der Türkei im Dialog bleiben
Erst vor Kurzem bescheinigte US-Präsident Donald Trump seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan, er mache alles richtig. Jetzt plötzlich droht er mit Sanktionen gegen Ankara, weil die Türkei einen angeklagten USGeistlichen nicht freilassen will. Europa sollte genau zuschauen.
Der türkische Staatschef ist viel zu lange im Geschäft, als dass er sich von Schmeicheleien oder Tiraden eines US-Präsidenten beeindrucken ließe. Für ihn stehen türkische Interessen und die eigene Wählerschaft im Mittelpunkt. Dabei kann Erdogan durchaus ruppig werden, wie seine Nazi-Vergleiche im Streit mit den Europäern zuletzt zeigten. Aber Erdogan ist nicht irrational. So steht die Türkei trotz aller Kritik an Europa zum Flüchtlingsdeal mit der EU.
Zudem reagiert Erdogan durchaus auf gezielten Druck. Als Deutschland nach der Festnahme von Bundesbürgern in der Türkei im vergangenen Jahr die Reisehinweise für das Land verschärfte und die Hermes-Bürgschaften für Türkei-Geschäfte begrenzte, geschah das ohne viel Getöse. Doch die Maßnahmen trafen die Interessen der türkischen Regierung in den wichtigen Bereichen Tourismus und Wirtschaft – und halfen dabei, Ankara zu einer Kursänderung zu bewegen.
Deshalb wäre es jetzt völlig falsch, den anstehenden Erdogan-Besuch in Deutschland abzusagen oder zu einer öffentlichen Demütigung des Gastes zu nutzen. Schließlich spricht die Bundesregierung auch mit den Spitzenvertretern Russlands oder Chinas, ohne dass gleich das Ende des Abendlandes beschworen wird. Die Probleme, die Deutschland mit der Türkei hat, sollten zwar ohne Beschönigung angesprochen werden. Doch dabei sollte es um Lösungen gehen, nicht um öffentliche Ohrfeigen. Beharrlichkeit und Diskretion zahlen sich am Ende aus, laute Schimpftiraden eher nicht.
Schließlich macht Trump gerade vor, wie man nicht mit Erdogan umgehen sollte. Indem er den türkischen Staatschef öffentlich über Twitter abwatscht, stellt der US-Präsident sicher, dass sein Kollege in Ankara auf stur schaltet.
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