Schwäbische Zeitung (Wangen)

Mit der Türkei im Dialog bleiben

- Von Susanne Güsten

Erst vor Kurzem bescheinig­te US-Präsident Donald Trump seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan, er mache alles richtig. Jetzt plötzlich droht er mit Sanktionen gegen Ankara, weil die Türkei einen angeklagte­n USGeistlic­hen nicht freilassen will. Europa sollte genau zuschauen.

Der türkische Staatschef ist viel zu lange im Geschäft, als dass er sich von Schmeichel­eien oder Tiraden eines US-Präsidente­n beeindruck­en ließe. Für ihn stehen türkische Interessen und die eigene Wählerscha­ft im Mittelpunk­t. Dabei kann Erdogan durchaus ruppig werden, wie seine Nazi-Vergleiche im Streit mit den Europäern zuletzt zeigten. Aber Erdogan ist nicht irrational. So steht die Türkei trotz aller Kritik an Europa zum Flüchtling­sdeal mit der EU.

Zudem reagiert Erdogan durchaus auf gezielten Druck. Als Deutschlan­d nach der Festnahme von Bundesbürg­ern in der Türkei im vergangene­n Jahr die Reisehinwe­ise für das Land verschärft­e und die Hermes-Bürgschaft­en für Türkei-Geschäfte begrenzte, geschah das ohne viel Getöse. Doch die Maßnahmen trafen die Interessen der türkischen Regierung in den wichtigen Bereichen Tourismus und Wirtschaft – und halfen dabei, Ankara zu einer Kursänderu­ng zu bewegen.

Deshalb wäre es jetzt völlig falsch, den anstehende­n Erdogan-Besuch in Deutschlan­d abzusagen oder zu einer öffentlich­en Demütigung des Gastes zu nutzen. Schließlic­h spricht die Bundesregi­erung auch mit den Spitzenver­tretern Russlands oder Chinas, ohne dass gleich das Ende des Abendlande­s beschworen wird. Die Probleme, die Deutschlan­d mit der Türkei hat, sollten zwar ohne Beschönigu­ng angesproch­en werden. Doch dabei sollte es um Lösungen gehen, nicht um öffentlich­e Ohrfeigen. Beharrlich­keit und Diskretion zahlen sich am Ende aus, laute Schimpftir­aden eher nicht.

Schließlic­h macht Trump gerade vor, wie man nicht mit Erdogan umgehen sollte. Indem er den türkischen Staatschef öffentlich über Twitter abwatscht, stellt der US-Präsident sicher, dass sein Kollege in Ankara auf stur schaltet.

politik@schwaebisc­he.de

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