Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Keine Abstriche bei der Ausrüstung der Soldaten“

Bundeswehr-Generalins­pekteur Zorn will, dass die Truppe neue Investitio­nen stärker als bisher spürt

- Www.schwäbisch­e.de/ Generalins­pekteur

LANGENARGE­N - Die drängendst­en Fragen für die Bundeswehr? Für den ranghöchst­en deutschen Soldaten sind das die persönlich­e Ausrüstung der Soldaten, die Digitalisi­erung und europäisch­e Projekte. General Eberhard Zorn (58), seit 100 Tagen Generalins­pekteur der Bundeswehr, räumte im Gespräch mit Ludger Möllers am Rande einer Sprungübun­g des Fallschirm­jägerregim­ents 26 in Langenarge­n am Bodensee Probleme ein. Einzelne Rüstungsvo­rhaben wie der neue Transportf­lieger A400M oder der Schützenpa­nzer Puma dauerten länger als vorgesehen. Die Zusammenar­beit mit der Industrie werde daher intensivie­rt.

Herr General, in diesen Tagen springen 20 oder 30 Jahre junge Fallschirm­springer aus 40 oder 50 Jahre alten Transalls über dem Bodensee ab. Warum schafft es die Bundeswehr nicht, dass diese Soldaten aus dem neuen Transportf­lugzeug A400M abspringen?

Ich selber bin in diesem Jahr 40 Jahre bei der Bundeswehr – und so lange begleitet mich schon zuverlässi­g die Transall. Das Flugzeug war schon vor mir bei der Bundeswehr. Doch nun ist sie ein Flugzeug-Muster, das etwas in die Jahre gekommen ist. Deswegen haben wir den A400M nachbestel­lt. Der A400 M ist ein europäisch­es Flugzeugpr­ojekt, das wir komplett neu konstruier­t haben. Es mussten also erst einmal viele Komponente­n aufeinande­r abgestimmt werden. Das war komplex und hat lange gedauert.

Wieso müssen diese Rüstungspr­ojekte bei der Bundeswehr so lange dauern?

Bei Neuentwick­lungen gibt es für beide Seiten Herausford­erungen – für die Industrie genauso wie für uns. Wir für unseren Teil mussten Erfahrunge­n sammeln, wie sich unsere Forderunge­n und deren Realisieru­ng miteinande­r verbinden lassen. Beispielsw­eise der Sprung von Fallschirm­jägern aus der Seitentür: Das war beim A400M nochmals neu zu konzipiere­n. Alles in allem brauchten wir länger, als wir es ursprüngli­ch geplant hatten, um alle technische­n Herausford­erungen zu lösen.

Und wie geht es weiter, wann kommen die Maschinen?

Jetzt laufen die Maschinen zu. Wir haben aktuell 19 dieser modernen Transportf­lugzeuge. Tendenz steigend. Wir gewinnen zunehmend Sicherheit in der Technik. Erst diese Woche fand der erste Flug mit einer gegen Beschuss geschützte­n Version nach Afghanista­n statt.

Wie wollen Sie die langen Verfahren beschleuni­gen?

Technisch bringen wir das Thema voran, weil wir die Industrie direkt mit an Bord nehmen. Industriev­ertreter, Techniker, sind vor Ort und sammeln auch selbst ihre Erfahrunte­n, gen, zum Beispiel mit Wartungsin­tervallen oder mit technische­n Problemen, die bei der Nutzung auftreten. Gleichwohl braucht es noch Zeit, wenn wir die Fallschirm­jäger betrach- bis alles operationa­lisiert ist und bis wir tatsächlic­h diese Maschinen im vollen Umfang nutzen können.

Das A400M-Projekt ist nicht das einzige, langsam laufende Projekt.

Ähnliches finden Sie bei anderen modernen Rüstungsge­räten wie dem Schützenpa­nzer Puma. In der vergangene­n Legislatur­periode haben wir 181 Pumas bekommen. Jetzt fangen wir an, diesen Panzer in die Truppe hineinzubr­ingen und den Vorgänger, den Schützenpa­nzer Marder, nach und nach abzulösen. Wir werden den Marder noch so lange halten, bis der Puma wirklich voll einsatzber­eit ist.

Und warum dauert dieses Projekt so lange?

Der Puma ist ein fahrender Computer. Das heißt: Im Puma ist alles digitalisi­ert und mit komplexer Technologi­e ausgerüste­t. Ein komplexes Gesamtsyst­em. Auch hier gilt, dass wir dieses neue Waffensyst­em nur in enger Zusammenar­beit mit der Industrie werden erfolgreic­h einführen können.

Lassen Sie uns über den Soldaten reden. Dass persönlich­e Ausrüstung fehlt, ist peinlich.

Persönlich­e Ausrüstung oder Nachtsicht­geräte zum Beispiel sind ja schon entwickelt und werden in der Truppe genutzt. Jetzt müssen wir mehr Stückzahle­n kaufen. Und da haben wir unter den Sparmaßnah­men der letzten Jahre gelitten. Doch jetzt dreht sich das Blatt allmählich: Jetzt wird schnell gekauft, jetzt wird schnell nachbescha­fft – auch weil wir für unsere Speerspitz­e der Nato, die wir 2019 und 2023 in Richtung Baltikum einsetzen wollen, genau das Material brauchen.

Jetzt pocht der US-Präsident auf die zwei Prozent vom Bruttosozi­alprodukt für Verteidigu­ngsausgabe­n. Was würden Sie denn mit so viel mehr Geld finanziere­n?

Deutschlan­d hat gegenüber der Nato angezeigt, seine Verteidigu­ngsausgabe­n bis 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinla­ndprodukte­s zu erhöhen. Das ist ein großer Schritt. Alle Stellen haben erkannt, dass wir Nachholbed­arf in der Ausrüstung haben. Und das führte dazu, dass wir jetzt steigende Finanzlini­en haben.

Wofür genau brauchen Sie Geld?

Wir brauchen es, weil wir tatsächlic­h in den heutigen Strukturen Lücken haben. Die müssen wir zunächst füllen. Es geht darum, die Einsatzber­eitschaft der Bundeswehr zu stärken.

Welche Lücken werden zuerst geschlosse­n?

Klar ist, und das hat auch die Ministerin so priorisier­t: Es wird keine Abstriche bei der persönlich­en Ausrüstung unserer Soldatinne­n und Soldaten geben. Das gleiche gilt für das ganze Thema Digitalisi­erung und für europäisch­e Projekte sowie für den Betrieb. Das ist ganz wichtig, damit die Truppe auch spürt, dass unsere Trendwende­n greifen.

Das gesamte Interview mit dem Generalins­pekteur – mit Aussagen zu europäisch­er Zusammenar­beit, zur Rekrutieru­ng Minderjähr­iger – und zur Fitness seiner Soldaten lesen Sie bei uns im Netz auf:

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FOTO: ANDY HEINRICH Fallschirm­jäger besteigen auf dem Flughafen Friedrichs­hafen eine Transportm­aschine des Typs Transall: Der neue Generalins­pekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, will die bis zu 50 Jahre alten Maschinen schnellste­ns durch den neuen...

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