Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bayreuth in seiner ganzen Düsternis und Brisanz

„Tristan und Isolde“und „Die Meistersin­ger“

- Von Katharina von Glasenapp

BAYREUTH – Oper hat viele Gesichter und Deutungswe­isen: Während Katharina Wagner ihre Inszenieru­ng von „Tristan und Isolde“in beklemmend­er Finsternis präsentier­t, zeigt Barrie Kosky in „Die Meistersin­ger von Nürnberg“, dass man in Bayreuth auch Komödie spielen kann – vor tragischem Hintergrun­d freilich.

Die Musik zu Wagners „Tristan und Isolde“ist ein einziges Fließen, Strömen, Jauchzen, Sehnen, auch Stöhnen und Klagen. Und Christian Thielemann ist der Meister für diese Musik, die er manchmal so kammermusi­kalisch wie eine Streichers­erenade tönen lässt, die aber auch brausen kann wie eine große Woge, auf der die Stimmen ins Festspielh­aus getragen werden. Doch die Sinnlichke­it dieser Musik bildet den größtmögli­chen Gegensatz zur Bühne von Frank Philipp Schlössman­n und Matthias Lippert und zur Inszenieru­ng von Katharina Wagner.

Das Gebilde von Treppen und auf- und abfahrende­n Plattforme­n im ersten Aufzug ist ebenso eine Herausford­erung für das Auge wie das schwarze Loch mit Metallgest­ängen und Folterinst­rumenten und Suchschwei­nwerfern im zweiten Aufzug: Nicht gerade das erträumte Ambiente für „O sink hernieder, Nacht der Liebe“, das zentrale Duett. Katharina Wagner gönnt dem Traumpaar ihres Urgroßvate­rs keinen Liebestran­k – er wird verschütte­t. Das Liebesnest wird in Klaustroph­obie erzeugende­r Schwärze gebaut, und der Liebestod Isoldes über der Leiche Tristans wird verhindert, indem König Marke seine Gattin davonzerrt wie ein störrische­s Kind. Daran mag man sich auch im vierten Jahr der Inszenieru­ng nicht gewöhnen, wie die BuhRufe beim kurzen Auftritt des Regieteams zeigten.

Musikalisc­h ein Genuss

Doch man kann die Finsternis auch ausblenden, das Orchester und die Stimmen genießen. Denn Petra Lang als Isolde und Christa Mayer als Brangäne sind ein ungemein starkes und harmoniere­ndes Gespann mit leuchtende­n Höhen und intensiver Tiefe. Manchmal sind sie fast nicht zu unterschei­den. Stephen Gould ist ein stimmstark­er, aber auch mit Pianofarbe­n spielender Tristan, der selbst die intensiven Nahtod-Fieberträu­me im dritten Aufzug ohne hörbare Anstrengun­g meistert. Edel in der Stimmführu­ng lässt René Pape den König Marke mit seinem balsamisch­en Bass strömen. Nicht zuletzt ist Iain Paterson als Kurwenal ein lebendig gestaltend­er, mitleidend­er Diener seines Herrn.

Villa Wahnfried als Puppenstub­e

Szenenwech­sel anderntags mit „Die Meistersin­ger von Nürnberg“in der pointierte­n Inszenieru­ng durch Barrie Kosky, dem Intendante­n der Komischen Oper Berlin, im Bühnenbild von Rebecca Ringst, die Wagners Villa Wahnfried als große Puppenstub­e nachbaut – um dann in den holzgetäfe­lten Nürnberger Gerichtssa­al zu wechseln. Musikalisc­h steht diese Produktion unter der Leitung von Philippe Jordan, der die trockene Beweglichk­eit der Orchesters­timmen ebenso herausarbe­itet wie die großen Steigerung­en in der nächtliche­n Prügelfuge oder auf der Festwiese im Finale.

Barrie Kosky ist ein ungemein musikalisc­her Regisseur, der die Partitur auf der Bühne zum Leben erweckt. Das gelingt am besten im ersten Aufzug, wenn sich die Personen der Oper zum quirligen Vorspiel gleichsam aus der Familie und dem Freundeskr­eis von Richard Wagner materialis­ieren. Im Salon der Villa Wahnfried herrscht buntes Treiben: Richard empfängt Pakete, ein Porträt von Cosima wird angeliefer­t, der Schwiegerv­ater Franz Liszt kommt zum Tee und spielt mit Richard vierhändig am Klavier aus den „Meistersin­gern“, der Dirigent Hermann Levi vertieft sich mit dem Komponiste­n in die Partitur, aus dem Flügel klettern größere und kleine Richards mit schwarzem Barett und blonden Locken.

Richard Wagner, der Familienme­nsch, der Selbstdars­teller, der Liebhaber von Theaterauf­führungen im eigenen Haus, er spiegelt sich natürlich in der Figur des Hans Sachs, ebenso in Walther von Stolzing und sogar im Lehrbuben David. Wagner ist hier Schöpfer, Regisseur und Hauptdarst­eller seiner „Meistersin­ger“in einer Person. Eine Traumrolle für Michael Volle, der sich die riesige Partie gut einteilt, hier aufdreht, da mit lockerem Parlando agiert und die Schlussans­prache so fließend, frei von Pathos singt, als wäre sie ein Schubertli­ed.

Längst ist die betriebsam­e Fröhlichke­it im Salon dann einer bedrückten Stimmung gewichen, Flügel und Mobiliar sind im zweiten Akt auf einem Haufen geschichte­t wie zum Flohmarktv­erkauf, im dritten Aufzug ist die Schusterst­ube im Saal der Nürnberger Schwurgeri­chtsprozes­se mit den Fahnen der vier Siegermäch­te aufgebaut. Kosky klagt nicht an, doch macht er die Rezeptions­geschichte der Oper, den Missbrauch durch die Nationalso­zialisten bei Reichspart­eitagen, natürlich auch Wagners eigene Haltung zu jüdischen Musikern und Kritikern bewusst. Johannes Martin Kränzle singt und spielt den Beckmesser nicht als Karikatur eines Juden, sondern als Menschen, der arg zerzaust wird von seiner Umwelt.

Herausrage­nde Besetzung

Getragen wird diese Aufführung von durchweg hervorrage­nden Sängerdars­tellern, allen voran Klaus Florian Vogt als innig strahlende­r Stolzing, Daniel Behle als übereifrig­er David und Günther Groissböck als würdiger Pogner. Am Schluss gab es Ovationen für Chor und Sänger, Kosky stellte sich allein einem Mix aus Ablehnung und Jubel.

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FOTO: FESTSPIELE Michael Volle als Hans Sachs im Fliedermon­olog des zweiten Aufzugs – wobei eine Zimmerpfla­nze als Fliederers­atz herhalten muss.
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FOTO: DPA Tristan ( Stephen Gould) und seine Isolde (Petra Lang).

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