Schottin rockt
Amy Macdonald überzeugt in Tettnang als Musikerin und Bühnenpersönlichkeit
TETTNANG - Die schottische Sängerin Amy Macdonald hat am Freitagabend 3300 Konzertgänger in Tettnang mitgerissen. Doch der OpenAir-Auftritt der 30-Jährigen war kein Selbstläufer – Hitze, Handys und Blutmond lenkten das Publikum anfangs mehr ab, als einem Konzert guttut.
„Ihr hier vorne, die ihr tanzt: Super, danke dafür. Der Rest: Ihr seht unglücklich aus!“Amy Macdonald muss ihre Zuschauer etwas bitten, bis sich die Begeisterung Bahn bricht. Mit heftigem schottischem Akzent, der im Gesang völlig verschwindet, erklärt sie den Konzertgängern vor der prächtigen Kulisse des Tettnanger Schlosses, dass Schotten komplett ausrasten, wenn sie feiern. Den Deutschen attestiert sie ein anderes Verständnis von Feiern. Ob es an der Hitze liegt, die schon tagelang Schlafzimmer in Saunas verwandelt? Oder am Blutmond, den die Fans erst auf dem Rückweg zum Auto sehen werden, nach dem aber mancher immer wieder Ausschau hält – Amy inklusive?
Die junge Frau, die ihrem Outfit mit zerrissenen Jeans und TotenkopfTattoo auf dem Arm nach auch in einer Punkrockband nicht auffallen würde, schafft es aber auf sehr eindrucksvolle Weise, das anfangs etwas lahmende Publikum in Euphorie zu versetzen. Dabei packt die Sängerin und Gitarristin ihren Durchbruch-Hit „This Is The Life“, der auch elf Jahre nach Veröffentlichung noch im Radio rauf und runter läuft, relativ spät in die Setlist.
Das macht aber nichts, denn bereits zuvor gelingt der Frau, die inzwischen über zwölf Millionen Platten weltweit verkauft hat, ein beeindruckender Spagat zwischen schnelleren Songs und ruhigeren Nummern. Da klingt „Poison Prince“mit seinen ausgelassenen Gitarrenfiguren nach den schwedischen Indierockern von Mando Diao, während etwa das ihrer pessimistischen Mutter (Zitat) gewidmete „Prepare To Fall“im Zugabenblock extrem zurückgenommen wirkt – auch, weil sie da komplett allein im Rampenlicht steht. Wenn ihre Band mit auf der Bühne ist, wirken die Musiker sehr gut aufeinander eingespielt und man spürt, dass das nicht nur Kollegen sind, sondern Freunde, die Spaß am gemeinsamen Auftreten haben.
Rock und Soul in der Stimme
Wer Amy Macdonald in erster Linie mit gefälligen Radionummern in Verbindung bringt, den überrascht die Frau, die mit zwölf mit dem Gitarrespielen anfing, mit druckvollem und angerocktem Sound. Das deutete sich auch schon auf dem aktuellen Album „Under Stars“an, das 2017 erschien und dessen Titelstück den Konzertabend in Tettnang eröffnete. Immer wieder steht aber die Stimme von Amy Macdonald im Mittelpunkt. Die Frau, die sich musikalisch auch für den „Boss“Bruce Springsteen begeistert, kann soulig betören, aber auch kraftvoll röhren. Dazu kommt noch eine gewaltige Portion Charisma: Das deutsche WM-Aus thematisiert die Fußball-Anhängerin auf humorvolle Weise, wenn sie über ihre Tourshirts im Trikotlook spricht – und dann sagt, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass der Kauf eines anderen Shirts glücklich mache. Und als sie sich mit Blick auf die Essensstände einen Crepes mit Nutella wünscht, wird dieser Wunsch nach Kurzem tatsächlich wahr. „Dankeschön“, bedankt sie sich auf Deutsch bei ihrem Essensspender und lässt ihre männlichen Bandmitglieder auch mal abbeißen. Da können sich andere Musiker, die professionell, aber auch unterkühlt ihr Programm durchziehen, einiges abschauen. Zuvor kommt auch die Hamburger Songwriterin Antje Schomaker, die im Vorprogramm auftritt, beim Publikum mit ihrer offenen Art bestens an.
Nach etwas mehr als eineinhalb Stunden entlässt Amy Macdonald ihre Fans in die laue Sommernacht. Es ist immer noch viel zu warm, dafür lässt sich der Blutmond blicken. Ein besonderer Konzertabend.
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