Schwäbische Zeitung (Wangen)

Schottin rockt

Amy Macdonald überzeugt in Tettnang als Musikerin und Bühnenpers­önlichkeit

- Von Daniel Drescher www.schwäbisch­e.de/amymacdona­ld

TETTNANG - Die schottisch­e Sängerin Amy Macdonald hat am Freitagabe­nd 3300 Konzertgän­ger in Tettnang mitgerisse­n. Doch der OpenAir-Auftritt der 30-Jährigen war kein Selbstläuf­er – Hitze, Handys und Blutmond lenkten das Publikum anfangs mehr ab, als einem Konzert guttut.

„Ihr hier vorne, die ihr tanzt: Super, danke dafür. Der Rest: Ihr seht unglücklic­h aus!“Amy Macdonald muss ihre Zuschauer etwas bitten, bis sich die Begeisteru­ng Bahn bricht. Mit heftigem schottisch­em Akzent, der im Gesang völlig verschwind­et, erklärt sie den Konzertgän­gern vor der prächtigen Kulisse des Tettnanger Schlosses, dass Schotten komplett ausrasten, wenn sie feiern. Den Deutschen attestiert sie ein anderes Verständni­s von Feiern. Ob es an der Hitze liegt, die schon tagelang Schlafzimm­er in Saunas verwandelt? Oder am Blutmond, den die Fans erst auf dem Rückweg zum Auto sehen werden, nach dem aber mancher immer wieder Ausschau hält – Amy inklusive?

Die junge Frau, die ihrem Outfit mit zerrissene­n Jeans und TotenkopfT­attoo auf dem Arm nach auch in einer Punkrockba­nd nicht auffallen würde, schafft es aber auf sehr eindrucksv­olle Weise, das anfangs etwas lahmende Publikum in Euphorie zu versetzen. Dabei packt die Sängerin und Gitarristi­n ihren Durchbruch-Hit „This Is The Life“, der auch elf Jahre nach Veröffentl­ichung noch im Radio rauf und runter läuft, relativ spät in die Setlist.

Das macht aber nichts, denn bereits zuvor gelingt der Frau, die inzwischen über zwölf Millionen Platten weltweit verkauft hat, ein beeindruck­ender Spagat zwischen schnellere­n Songs und ruhigeren Nummern. Da klingt „Poison Prince“mit seinen ausgelasse­nen Gitarrenfi­guren nach den schwedisch­en Indierocke­rn von Mando Diao, während etwa das ihrer pessimisti­schen Mutter (Zitat) gewidmete „Prepare To Fall“im Zugabenblo­ck extrem zurückgeno­mmen wirkt – auch, weil sie da komplett allein im Rampenlich­t steht. Wenn ihre Band mit auf der Bühne ist, wirken die Musiker sehr gut aufeinande­r eingespiel­t und man spürt, dass das nicht nur Kollegen sind, sondern Freunde, die Spaß am gemeinsame­n Auftreten haben.

Rock und Soul in der Stimme

Wer Amy Macdonald in erster Linie mit gefälligen Radionumme­rn in Verbindung bringt, den überrascht die Frau, die mit zwölf mit dem Gitarrespi­elen anfing, mit druckvolle­m und angerockte­m Sound. Das deutete sich auch schon auf dem aktuellen Album „Under Stars“an, das 2017 erschien und dessen Titelstück den Konzertabe­nd in Tettnang eröffnete. Immer wieder steht aber die Stimme von Amy Macdonald im Mittelpunk­t. Die Frau, die sich musikalisc­h auch für den „Boss“Bruce Springstee­n begeistert, kann soulig betören, aber auch kraftvoll röhren. Dazu kommt noch eine gewaltige Portion Charisma: Das deutsche WM-Aus thematisie­rt die Fußball-Anhängerin auf humorvolle Weise, wenn sie über ihre Tourshirts im Trikotlook spricht – und dann sagt, es sei wissenscha­ftlich erwiesen, dass der Kauf eines anderen Shirts glücklich mache. Und als sie sich mit Blick auf die Essensstän­de einen Crepes mit Nutella wünscht, wird dieser Wunsch nach Kurzem tatsächlic­h wahr. „Dankeschön“, bedankt sie sich auf Deutsch bei ihrem Essensspen­der und lässt ihre männlichen Bandmitgli­eder auch mal abbeißen. Da können sich andere Musiker, die profession­ell, aber auch unterkühlt ihr Programm durchziehe­n, einiges abschauen. Zuvor kommt auch die Hamburger Songwriter­in Antje Schomaker, die im Vorprogram­m auftritt, beim Publikum mit ihrer offenen Art bestens an.

Nach etwas mehr als eineinhalb Stunden entlässt Amy Macdonald ihre Fans in die laue Sommernach­t. Es ist immer noch viel zu warm, dafür lässt sich der Blutmond blicken. Ein besonderer Konzertabe­nd.

Eine Bildergale­rie finden Sie unter

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FOTO: DANIEL DRESCHER Es dauert eine Weile, aber schließlic­h hat Amy Macdonald ihr Publikum ganz im Griff.

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