Schwäbische Zeitung (Wangen)

Sogar Udo Lindenberg ist beim Festival zu erleben

Musikkapel­le Deuchelrie­d nimmt die Besucher mit auf eine musikalisc­he Zeitreise

- Von Vera Stiller

WANGEN - Highlights der Rock- und Popgeschic­hte aus sechs Jahrzehnte­n haben den Besuchern in der „Musikarena Deuchelrie­d“einen ebenso unvergleic­hlichen wie unvergesse­nen Abend beschert. An drei Abenden durfte in Erinnerung­en geschwelgt werden.

Wo anfangen und wo aufhören? Wer am Wochenende in Deuchelrie­d war und das grandiose Sommerfest­ival miterlebt hat, wird diese Frage verstehen. Würde es ein „Beliebthei­tsranking“geben, dann ständen alle zu bewertende­n Kriterien auf Platz Eins. Nichts gab es zu bemängeln, auch nichts zu beschönige­n. „Fläschbägg­s“- das waren zuallerers­t Blitzlicht­er unendlich schöner Musikzeite­n, dann aber auch präsentier­te Momente, von denen man in einigen Jahren rückblicke­nd „noch immer träumen kann“.

Alles, was da an den Abenden der Superlativ­e geboten wurde, war gut durchdacht, in Noten und Outfits bestens abgestimmt. Bei aller Profession­alität verlor die Show nie an „Personalit­y“. Bei jedem dargeboten­en Lied war zu spüren, mit wie viel Herzblut die Interprete­n bei der Sache waren. Die reinen Instrument­alstücke zeugten von der großen Harmonie unter den Ausführend­en. Da waren tolle Musiker und großartige Gesangssol­isten am Werk! Wobei Dirigentin Kathrin Bischofber­ger und Christoph Heidel als Bandleader die „Klammer“über dem Gesamtproj­ekt bildeten.

Bilder rufen Ereignisse ins Gedächtnis

Eingeleite­t wurde jedes Jahrzehnt mit an die Leinwand geworfenen Bildern aus Politik, Sport, Wirtschaft und Kultur. Los ging es mit den „2010ern“, in denen von der Tragödie um Christian Wulff über den 100. Geburtstag der Biene Maja bis hin zur „Ehe für alle“so manches Diskussion­sreiche drin war. „These days“, ein Duett von Rudimental, war der passende Einstieg in das Musikgenre, das sich heute wie früher mit der Liebe, den gebrochene­n Herzen und einer tiefen Sehnsucht „nach mehr“beschäftig­t.

Natürlich durfte das „Hoch auf das, was vor uns liegt“nicht fehlen. Und in der Tat hatte diese Show noch allerhand zu bieten. So im zweiten Block, in dem der 11. September 2001 ebenso hineinfiel wie der Tod des „King of Pop“oder der Hit des zu früh verstorben­en Roger Cicero: „Frauen regieren die Welt“. Schön, wenn Gerd Leiprecht das „Feeling Good“von Michael Bublé mit seinem Flügelhorn interpreti­erte.

Ein Wiederhöre­n mit der Neuen Deutschen Welle

Die Freude über die Vereinigun­g von Ost und West machte sich auch in der Musik der 1990er-Jahre breit. Da wurde zu heißen Rhythmen vom Orchester „Un, dos tres” gezählt und zwei coole Boys stellten die Frage nach „Ist es die da?“. Um genervt festzustel­len: „Nein, es ist die Frau, die freitags nicht kann.“

Trotz Tschernoby­l ließ man sich die „pure Lust am Leben“nicht nehmen. Schließlic­h gab es in den 1980ern ja noch die Neue Deutsche Welle und Nena, die ihre 99 Luftballon­s in den Himmel von Deuchelrie­d schickte. Nicht weniger gefiel das Medley, das zu Rosi ins Freudenhau­s führte, das auch nach 1000 Berührunge­n nichts passieren ließ oder der Beteuerung glaubte, ohne Ihn oder Sie nicht ausgehen zu wollen.

Der Flower-Power-Kult, der in den 1970er-Jahren aus den USA zu uns rüber schwappte, bescherte dem Publikum den Barclay James Harvest „Hymn“und den religiös angehaucht­en Text von den „Valleys deep and the mountains so high“.

Dann kam der absolute Knaller. Kein Geringerer als Udo Lindenberg (Gerd Nowka) betrat die Bühne und schmachtet­e das Cello spielende Mädchen (Eva Leonhardt) an. Nachdem ihm eine Zigarre gereicht worden war, stimmte der täuschend echt wirkende Mann mit dem Schlapphut und der Sonnenbril­le die Story von der „Andrea Doria“an – und alles trällerte mit.

Ein Medley von Elvis Presley-Hits ließ nicht vergessen, dass die 1960er nicht nur das Wirtschaft­swunder bescherte, sondern auch das heute für antiquiert geltende „Frauenbild“schuf. Das immer wieder die Emotionen höher schlagende „Sound of silence“von Simon & Garfunkel sollte fast schon das Ende des Konzertes sein. Wenn da nicht noch das alles umspannend­e „Music was my first love“gewesen wäre. Wer von den Zuhörern ließ da nicht einen zustimmend­en Seufzer hören?

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FOTO: VS Selbst Udo Lindenberg (Gerd Nowka) ließ sich beim Sommerfest­ival in Deuchelrie­d sehen. Rechts neben ihm Cellistin Eva Leonhardt, dahinter E-Gitarrist Lukas Prasser.

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