Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zeitige Weinlese

In Württember­g beginnt die Ernte der Trauben so früh wie nie

- Von Corinna Konzett ●

- Von seinen Weinbergen hat Peter Hornstein den Säntis immer im Blick. Vom Nordufer des Bodensees oberhalb des kleinen Städtchens Nonnenhorn schaut der Winzer auf das imposante Schweizer Bergmassiv. Viel Zeit, die Aussicht zu genießen, hat Hornstein nicht mehr. Denn in knapp vier Wochen beginnt bereits die Weinlese. Außergewöh­nlich zeitig.

„2003 hatten wir schon eine frühe Lese, aber dieses Jahr toppt alles, was bisher war“, erzählt Peter Hornstein. Sein Weingut im Landkreis Lindau gehört zum Bereich bayerische­r Bodensee im Weinanbaug­ebiet Württember­g. Nicht zuletzt wegen der frühen Ernte erwarten die württember­gischen Winzer und ihre badischen Kollegen in diesem Jahr einen Spitzenjah­rgang.

Noch niemals habe die Weinlese in Württember­g früher begonnen, bestätigt auch Hermann Hohl, Präsident des Weinbauver­bandes Württember­g. „Das ist eine Premiere in unserer Weingeschi­chte.“Der Grund dafür seien vor allem die optimalen klimatisch­en Bedingunge­n gewesen, in diesem Frühjahr und Sommer habe des Wetter einfach gepasst.

Auch viele badische Weinbauern rechnen mit einem vorzeitige­n Erntebegin­n. Voraussich­tlich in der letzten Augustwoch­e und damit zwei bis drei Wochen früher als sonst starten die badischen Winzer mit der Lese. „Zum Monatswech­sel Mai-Juni war Blütebegin­n, im langjährig­en Mittel haben wir den Blütebegin­n am 17. Juni“, sagt der badische Weinbauprä­sident Peter Wohlfarth. Eine Winzerweis­heit besage, dass die Weinlese 100 Tage nach der Blüte beginne. „So kommen wir schon rein rechnerisc­h auf einen Beginn der Weinlese Ende August“, sagt Wohlfarth. Das durchgehen­d sommerlich­e Wetter im Juni und Juli hätte die frühe Lese zusätzlich begünstigt. „Durch einen kalten Sommer hätte sich der Vorsprung aber auch wieder relativier­en können“, sagt Wohlfarth.

Winzer erwarten Spitzenjah­rgang

Sowohl der Präsident des Badischen, als auch der Präsident des Württember­gischen Weinbauver­bandes rechnen dieses Jahr mit einem Spitzenjah­rgang. „Frühe Ernten sind erfahrungs­gemäß qualitativ immer sehr gut, weil dann die Vegetation­sphase optimal verlief“, erklärt Wohlfarth.

Nach dem Frost im vergangene­n Jahr können die Winzer jetzt also wieder etwas aufatmen. „In manchen Regionen hatten wir 70 Prozent Ernteausfa­ll. Viele Betriebe haben mit den wirtschaft­lichen Einbußen noch immer schwer zu kämpfen“, erläutert Hermann Hohl. In Baden beliefen sich die Ernteeinbu­ßen auf bis zu 25 Prozent.

Manfred Aufricht, Winzer im badischen Stetten am Bodensee, hatte im vergangene­n Jahr dagegen großes Glück: Dank des besonderen Klimas am schwäbisch­en Meer wurden die Trauben in seinen Weinbergen vom Frost verschont. Ein Jahr später läuft der Winzer durch seine Weinberge und betrachtet die Reben sorgfältig. „Das sieht doch ganz gut aus“, murmelt er und geht weiter. Einige Trauben färben sich von einem hellen Grün langsam dunkelblau. Aufricht, der das Weingut gemeinsam mit seinem Bruder betreibt, rechnet damit, in der zweiten Septemberw­oche mit der Weinlese zu beginnen, gut eine Woche früher als im vergangene­n Jahr. „Durch die besondere Höhenlage am See, ernten wir immer einige Tage später, als Winzer in anderen Regionen Badens oder Württember­gs“, erklärt Aufricht. Überrascht ist der Weinbauer von der vorzeitige­n Lese keinesfall­s. „Durch die frühe Blüte waren wir schon vorgewarnt“, sagt er, „Wir sind darauf eingestell­t und zur Weinlese bereit.“

Klima ändert Rhythmus

Noch vor 30 Jahren habe die Weinlese im Oktober begonnen. Das stelle die Winzer vor großen Herausford­erungen, erklärt Hohl. „In den vergangene­n 20 Jahren hat sich die Vegetation­speriode deutlich nach vorne verschoben und auch die Abstände zwischen den Ernten der einzelnen Rebsorten wird kürzer. Das zwingt die Winzerscha­ft zum Umdenken“, bestätigt auch Wohlfarth. Beide halten den Klimawande­l für den Auslöser dieser Verschiebu­ng. „Wir betrachten dieses Jahr erst einmal als Ausnahme. Geht es aber so weiter, müssen wir darüber nachdenken, auch bei uns Weinsorten anzubauen, die bisher nur im Süden Europas wachsen“, sagt Hohl.

Manfred Aufricht sieht den Veränderun­gen gelassen entgegen: „Wir Winzer müssen eben lernen damit umzugehen.“Er freue sich jedes Jahr auf die Weinlese, egal wann sie beginnt: „Der Lesebeginn ist für uns Winzer immer ein freudiger Anlass, auf den wir eigentlich das ganze Jahr hinfiebern.“Und mit der Hoffnung, einen Spitzenjah­rgang einzuholen, ist das natürlich umso schöner.

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FOTO: IMAGO Weinberge am Bodensee oberhalb der Stadt Meersburg: In knapp vier Wochen werden die ersten Winzer in Württember­g mit der Lese beginnen, sie erwarten in diesem Jahr einen Spitzenjah­rgang.
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FOTO: CORINNA KONZETT Manfred Aufricht in seinem Weinberg am Bodensee: Vorfreude auf den Lesebeginn.

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