Schwäbische Zeitung (Wangen)

Skifahrer im Windenseil: Verfahren eingestell­t

Pistenraup­enfahrer hatte früher als angekündig­t mit dem Präpariere­n begonnen – Tourengehe­r verletzte sich schwer

- Von Michael Munkler

SONTHOFEN - Mit einem Winterspor­tunfall, der bereits mehr als eineinhalb Jahre zurücklieg­t, hat sich nun das Amtsgerich­t Sonthofen beschäftig­t. Auf der Anklageban­k saßen ein 57 Jahre alter Pistenraup­enfahrer und sein 45-jähriger Kollege. Beide hatten gegen einen Strafbefeh­l wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung Einspruch eingelegt. Das Verfahren gegen die Männer wurde gegen Zahlung einer Geldauflag­e in Höhe von je 600 Euro eingestell­t. Das Geld soll dem Kinderschu­tzbund Immenstadt zugutekomm­en.

Rückblende: Ein heute 61 Jahre alter Skitoureng­eher aus dem Raum Neu-Ulm war am 9. Januar 2017 im Grünten-Skigebiet oberhalb von Rettenberg-Kranzegg (Oberallgäu) unterwegs. Gegen 16.45 Uhr fuhr er im Bereich eines Ziehwegs abwärts und bemerkte das Windenseil einer Pistenraup­e nicht, deren Fahrer bereits die Abfahrten präpariert­e. Das Windenseil schnellte unvermitte­lt hoch und traf den Winterspor­tler an der Brust. Er stürzte nach hinten, brach sich vier Rippen und zog sich eine Schulterve­rletzung zu.

An den Folgen leide er heute noch, sagte der heute 61-Jährige gestern im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Mann war nach dem Unfall per Hubschraub­er ins Krankenhau­s geflogen worden, wo er zehn Tage lag. Mehrere Monate sei er arbeitsunf­ähig gewesen, sagte der Nebenklage-Vertreter in der gestrigen Verhandlun­g.

Am Parkplatz angebracht­e Schilder wiesen seit Anfang 2016 auf die Pistensper­rung ab 17 Uhr bis 7 Uhr am jeweiligen nächsten Morgen hin. Wörtlich heißt es im Strafbefeh­l: „Hierdurch wird der Eindruck erweckt, dass außerhalb des Sperrzeitr­aums kein solcher Windenseil­einsatz stattfinde­t.“Der Unfall hatte sich bereits gegen 16.45 Uhr ereignet. Der Winterspor­tler habe mit dem Einsatz von Seilwinden nicht gerechnet, sagte der Staatsanwa­lt.

Verteidige­r: „Nicht für das System verantwort­lich“

Gegen die Strafbefeh­le in Höhe von jeweils 30 Tagessätze­n zu je 40 Euro (insgesamt also 1200 Euro) wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung hatten die Liftarbeit­er Einspruch eingelegt. Zwar meinte der Richter, unter Umständen könne man ihnen schon eine Fahrlässig­keit nachweisen, doch stimmte er der vom Staatsanwa­lt vorgeschla­genen Einstellun­g des Verfahrens zu. Einer der beiden Verteidige­r sagte, die beiden Arbeiter würden wohl für Missstände in einem Betrieb verantwort­lich gemacht, die eigentlich ganz andere zu verantwort­en hätten. „Der Raupenfahr­er ist nicht für das System verantwort­lich“, sagte der Jurist. Zudem stellte sich die Verteidigu­ng auf den Standpunkt: Wenn der diensthabe­nde Skiwächtle­r die letzte Kontrollfa­hrt gemacht habe, könne mit dem Präpariere­n der Pisten begonnen werden.

Pistenraup­en mit Seilwinden sind in immer mehr Skigebiete­n unterwegs. Dabei hängen die Raupen an einem bis zu 1000 Meter langen und oben befestigte­n Seil. So ist das Präpariere­n auch an Steilhänge­n möglich.

Wenig begeistert vom Einstellen des Verfahrens zeigte sich der Vertreter der Nebenklage. Er wundere sich, „wie locker“hier über den Unfall und die Folgen für seinen Mandanten gesprochen werde. Wäre das Seil etwas höher eingeschla­gen, hätte es den Winterspor­tler regelrecht köpfen können.

Der Rechtsstre­it nach dem Unfall dürfte damit noch nicht beendet sein. Der Skitourenf­ahrer werde wohl weitere zivilrecht­liche Ansprüche gegenüber den Grüntenlif­ten geltend machen, klang in der gestrigen Verhandlun­g an.

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FOTO: RALF LIENERT An der Kasse in Parkplatzn­ähe werden die Winterspor­tler darauf hingewiese­n, dass ab 17 Uhr Pistenraup­en mit Winden im Einsatz sind.

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