Skifahrer im Windenseil: Verfahren eingestellt
Pistenraupenfahrer hatte früher als angekündigt mit dem Präparieren begonnen – Tourengeher verletzte sich schwer
SONTHOFEN - Mit einem Wintersportunfall, der bereits mehr als eineinhalb Jahre zurückliegt, hat sich nun das Amtsgericht Sonthofen beschäftigt. Auf der Anklagebank saßen ein 57 Jahre alter Pistenraupenfahrer und sein 45-jähriger Kollege. Beide hatten gegen einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung Einspruch eingelegt. Das Verfahren gegen die Männer wurde gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von je 600 Euro eingestellt. Das Geld soll dem Kinderschutzbund Immenstadt zugutekommen.
Rückblende: Ein heute 61 Jahre alter Skitourengeher aus dem Raum Neu-Ulm war am 9. Januar 2017 im Grünten-Skigebiet oberhalb von Rettenberg-Kranzegg (Oberallgäu) unterwegs. Gegen 16.45 Uhr fuhr er im Bereich eines Ziehwegs abwärts und bemerkte das Windenseil einer Pistenraupe nicht, deren Fahrer bereits die Abfahrten präparierte. Das Windenseil schnellte unvermittelt hoch und traf den Wintersportler an der Brust. Er stürzte nach hinten, brach sich vier Rippen und zog sich eine Schulterverletzung zu.
An den Folgen leide er heute noch, sagte der heute 61-Jährige gestern im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Mann war nach dem Unfall per Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen worden, wo er zehn Tage lag. Mehrere Monate sei er arbeitsunfähig gewesen, sagte der Nebenklage-Vertreter in der gestrigen Verhandlung.
Am Parkplatz angebrachte Schilder wiesen seit Anfang 2016 auf die Pistensperrung ab 17 Uhr bis 7 Uhr am jeweiligen nächsten Morgen hin. Wörtlich heißt es im Strafbefehl: „Hierdurch wird der Eindruck erweckt, dass außerhalb des Sperrzeitraums kein solcher Windenseileinsatz stattfindet.“Der Unfall hatte sich bereits gegen 16.45 Uhr ereignet. Der Wintersportler habe mit dem Einsatz von Seilwinden nicht gerechnet, sagte der Staatsanwalt.
Verteidiger: „Nicht für das System verantwortlich“
Gegen die Strafbefehle in Höhe von jeweils 30 Tagessätzen zu je 40 Euro (insgesamt also 1200 Euro) wegen fahrlässiger Körperverletzung hatten die Liftarbeiter Einspruch eingelegt. Zwar meinte der Richter, unter Umständen könne man ihnen schon eine Fahrlässigkeit nachweisen, doch stimmte er der vom Staatsanwalt vorgeschlagenen Einstellung des Verfahrens zu. Einer der beiden Verteidiger sagte, die beiden Arbeiter würden wohl für Missstände in einem Betrieb verantwortlich gemacht, die eigentlich ganz andere zu verantworten hätten. „Der Raupenfahrer ist nicht für das System verantwortlich“, sagte der Jurist. Zudem stellte sich die Verteidigung auf den Standpunkt: Wenn der diensthabende Skiwächtler die letzte Kontrollfahrt gemacht habe, könne mit dem Präparieren der Pisten begonnen werden.
Pistenraupen mit Seilwinden sind in immer mehr Skigebieten unterwegs. Dabei hängen die Raupen an einem bis zu 1000 Meter langen und oben befestigten Seil. So ist das Präparieren auch an Steilhängen möglich.
Wenig begeistert vom Einstellen des Verfahrens zeigte sich der Vertreter der Nebenklage. Er wundere sich, „wie locker“hier über den Unfall und die Folgen für seinen Mandanten gesprochen werde. Wäre das Seil etwas höher eingeschlagen, hätte es den Wintersportler regelrecht köpfen können.
Der Rechtsstreit nach dem Unfall dürfte damit noch nicht beendet sein. Der Skitourenfahrer werde wohl weitere zivilrechtliche Ansprüche gegenüber den Grüntenliften geltend machen, klang in der gestrigen Verhandlung an.