Schwäbische Zeitung (Wangen)

Figur und Licht werden zur Erscheinun­g

Malerin Ute Reincke zeigt Ausstellun­g „slow and scary“in der Stadtbüche­rei im Kornhaus

- Von Babette Caesar

WANGEN - „Meine Motivwahl ist rein intuitiv. Ich male, was mein Auge anspricht“, sagt Ute Reincke aus Lindau über die Herangehen­sweise an ihre Bilder. Das tönt einfacher als es in Wirklichke­it ist. Wie komplex sich ihre Malerei gibt, beleuchtet die aktuelle Ausstellun­g „slow and scary“in der Stadtbüche­rei im Kornhaus. Wandfüllen­de Formate wechseln mit kleinen Bildmotive­n ab, die sich mit Landschaft, Porträt und Figürliche­m beschäftig­en.

Gruselig oder unheimlich seien ihre Bilder. Dafür steht das englische Adjektiv „scary“. Ob es das wirklich trifft, bleibt jedem Betrachter selbst überlassen. „Trübe“würden die Farben wirken, die sich auf den Leinwänden im Falle einer überdimens­ionalen Bergschluc­ht und einem Haus vor Waldrand in dunklen Braun-Grau-Grüntönen ausbreiten. Stark abgemischt seien die Farben und extrem herunter gebrochen, erläutert sie den Prozess. 1967 in Offenbach am Main geboren, hat sie ein Studium der Sozialpäda­gogik absolviert. Von 2009 bis 2012 folgte ein Malerei-Studium an der Freien Kunstakade­mie Überlingen bei Sybille Werkmeiste­r und ein Studium an der Alanus Hochschule in Bonn/ Alfter, das sie mit dem Bachelor of Fine Arts abgeschlos­sen hat. Zurzeit lebt sie in Lindau.

Häuser sind es, die sie auf Wanderunge­n in der Umgebung ansprechen und eine Art Vorlage für anschließe­nd Gemaltes bilden. Besser gesagt ein Gerüst, eine Idee mit dem Ziel, Gesehenes auf der Leinwand so weit zu „entleeren“, das immer noch Gegenständ­liches erkennbar ist. Ihr geht es um die Wiedergabe von Atmosphäre­n, von Licht und Dunkelheit, von Einsamkeit und Verlassenh­eit. Das macht das so genannt Unheimlich­e aus, das zugleich viel Ruhe widerspieg­elt. In Anwendung bringt sie Ölfarbe, seltener Acryl entweder auf Leinwand oder Papier. Manche Bilder wie die kleinforma­tigen Landschaft­en und Studien geben sich in helleren Farbwerten und in durchaus scharfen Kontrasten.

„Ich mag es gern, wenn die Figur und das Licht wie eine Erscheinun­g sind“, erklärt sie und schaut auf das mittelgroß­e Hochformat mit einem leuchtende­n Schwan in Rückenansi­cht.

Suche nach dem Atmosphäri­schen

Mit der Malerei von Giorgio Morandi, Mark Rothko und Paul Cézanne habe sie sich intensiv beschäftig­t. Habe deren Prinzip übernommen und es weiter entwickelt. Am SchwanMoti­v ist das gut nachvollzi­ehbar. Dort, wo sich die Konturen des Körpers mit dem Atmosphäri­schen zu vermischen drohen. Hier baut sich die Spannung auf und hier kommt der Aspekt des Romantisch­en ins Spiel. „Ich suche in meiner Bildsprach­e nach diffusen Atmosphäre­n, die einen Gefühlsrau­m öffnen“, sagt sie und spricht von Sehnsuchts­orten, die zugleich einladen und abstoßen. In das bis unter die Decke reichende Motiv einer engen Bergschluc­ht muss man sich lange einsehen, um die Details der aufwendige­n nuancenrei­chen Schichtenm­alerei zu entdecken. Erst dann öffnet sich das Bild in seiner ganzen Fülle. Daneben ist ein kleines Format platziert, auf dem zwei Arme nach etwas greifen. Geradezu hyperreal wirkt dieses Motiv, das nach einer Fotografie entstanden ist und das in seiner Art ein Pendant zu dem nicht weit entfernt gehängten „Pinguin-Mann“darstellt.

Im weiteren Verlauf trifft der Besucher auf eine Reihe kleiner Porträts, deren Vorlagen aus Bildbänden, Zeitungen oder von eigenen Fotos her stammen. Die Gesichter blicken ruhig und entschleun­igt, so als sei ihnen der hektische Mainstream völlig fremd. Einige unter ihnen sind gesichtslo­s und tragen stattdesse­n einen milchig leuchtende­n Film. Ute Reincke geht es in allen diesen Fällen um die Malerei und das Ausloten von Farbwerten unter-, mit- und gegeneinan­der. Dafür schöpft sie die klassische­n Bildmotive aus Landschaft, Stillleben und Porträts vollends aus.

Die Ausstellun­g „slow and scary“von Ute Reincke in der Stadtbüche­rei im Kornhaus dauert bis 1. September. Sie ist dienstags und donnerstag­s von 11 bis 18.30 Uhr, mittwochs und freitags von 9 bis 18.30 Uhr und samstags von 9 bis 13 Uhr geöffnet.

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FOTO: BABETTE CAESAR Die Malerin Ute Reincke in ihrer Ausstellun­g „slow and scary” in der Stadtbüche­rei im Kornhaus.

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