Borkenkäfer haben leichtes Spiel
Durch Hitze und Trockenheit angeschlagene Bäume sind leichte Beute
STUTTGART (sz) - Das warme Frühjahr und der heiße Sommer haben es dem Buchdrucker leicht gemacht. Die Borkenkäferart vermehrt sich stark. Die Förster im Land befürchten gar eine Explosion des Bestandes. Oberschwaben, die Ostalb und der Südschwarzwald sind in erster Linie betroffen. Befallene Bäume sind kaum zu retten. Betroffene Fichten müssen sofort gefällt und aus dem Wald transportiert werden. Doch genau daran hakt es. Deswegen türmen sich an vielen Waldwegen derzeit Holzstapel. Und die Nasslager im Land werden knapp.
STUTTGART - Ein stürmischer Winter, ein warmes Frühjahr, ein heißer Sommer: Das vergangene halbe Jahr bot traumhafte Bedingungen für den Buchdrucker. Die Borkenkäfer-Art vermehrt sich stark, Förster fürchten gar eine Explosion des Bestandes. Vor allem Oberschwaben, Ostalb und der Südschwarzwald sind betroffen. Tut das Land genug, um die Wälder zu schützen?
Georg Jehle, Leiter der Forstbehörde, und seine Mitarbeiter sind auf der Suche. Im Forst des Kreises Biberach schauen sie nach braunen Bröseln auf Spinnweben, Moos oder Baumrinde. Dieses Bohrmehl am Fuß eines Baumes zeigt: Im Stamm wohnen Borkenkäfer. Verliert der Baum, meist eine Fichte, bereits seine Rinde, Nadeln oder ist rot verfärbt, ist es meist zu spät. „Wir bekommen zunehmend Probleme, alle verfügbaren Kollegen beobachten den Bestand“, sagt Jehle.
Befallener Baum ist kaum zu retten
Bei Stürmen zu Jahresbeginn stürzten zahlreiche Bäume um. Totes Holz ist ein besonders guter Nistplatz für die Buchdrucker, der Baum kann sich nicht mehr gegen die Eindringlinge wehren. Eine gesunde Fichte schüttet Harz aus, das mehrere Hundert Käfer tötet. Doch durch Hitze und Trockenheit angeschlagene Bäume sind leichte Beute für die Käfer. Sie vermehren sich exponentiell: Bis zu drei Generationen schlüpfen in einer Saison, ein Weibchen hat damit bis zu 100 000 Nachkommen pro Jahr. Ein befallener Baum ist schwer zu retten, meist stirbt er ab. Denn die Tiere graben sich durch das Holz, bohren Gänge und Rammelkammern. Betroffene Fichten müssen sofort gefällt und aus dem Wald transportiert werden. Es reichen schon einige hundert Meter Abstand – denn die Tiere haben kein gutes Orientierungsvermögen und finden die Bäume dann nicht mehr.
Doch genau da hakt es derzeit. „Der Abtransport ist ein Flaschenhals“, sagt Forstamtschef Jehle. Die dazu notwendigen Langholz-Lkw sind ausgelastet. In Norddeutschland haben die Stürme „Friederike“und „Burglind“im Januar besonders viele Bäume gefällt, dort sind viele Fahrzeuge im Einsatz. „Außerdem sind jetzt Handwerkerferien und jeder braucht Lkw“, schildert Jehle das Problem. Deswegen türmen sich an vielen Waldwegen derzeit Holzstapel, sogenannte Polter. Um zu verhindern, dass sich die Käfer von dort ausbreiten, bieten sich mehrere Möglichkeiten. So kann man noch im Wald Nasslager einrichten. Dorthin können gefällte Bäume geschleppt werden. Dort werden die Stämme berieselt.
Betrieb von Nasslagern erschwert
Allerdings werden diese Lager im Land knapp. Der Grund: das Wasser spült Gerbstoffe aus dem Holz aus. Diese dürfen jedoch nicht in hoher Konzentration in Gewässer oder Grundwasser gelangen. Daher konstatiert das zuständige Agrarministerium: „Die Erhaltung der Nasslager gestaltet sich aus verschiedenen Gründen zunehmend schwieriger. Zum einen wird es aus wasserschutzrechtlichen Gründen aufwändiger, Dauergenehmigungen zum Betrieb zu erhalten. Zum anderen führen neue, naturschutzrechtliche Aspekte zu einer restriktiveren Genehmigungspraxis. Sommerliche Niedrigwasser erschweren zudem den praktischen Betrieb von Nasslagern“.
Klaus Hoher, FDP-Forstexperte vom Bodensee, hält das für „sehr beunruhigend“: „Für die Holz- und Sägeindustrie geht es um Liefersicherheit und für die Forstwirtschaft um erhebliche Werte. Wir müssen langsam grundsätzlich entscheiden, ob wir nachwachsende und klimaschonende Rohstoffe nutzen, oder Baden-Württemberg lieber zu einem Biotop erklären wollen.“
Auch Johannes Enssle, Chef des Naturschutzbundes (Nabu) in Baden-Württemberg, gibt zu: „Natürlich stoßen an diesem Punkt zwei Ziele: Schutz der Gewässer und Schutz vor dem Borkenkäfer. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“Er ist sicher, dass man den Borkenkäfern Herr werden kann, ohne Gewässer in Gefahr zu bringen. Das Land habe da ein gutes Konzept für seine Wälder entwickelt, das grundsätzlich greife. Aber: In Zeiten des Klimawandels müsse man damit rechnen, dass es künftig mehr Käferjahre gebe als bisher.
Wegen der aktuell angespannten Lage setzen Förster auch Pestizide ein. „Aufgrund der Gefährdungslage war und ist in diesem Jahr der Einsatz zugelassener Pflanzenschutzmittel als ultima ratio unumgänglich, um massive Schäden zu verhindern und die Walderhaltung zu sichern“, so ein Sprecher des Ministeriums. Die Substanzen seien aber weder für Menschen noch für die Umwelt gefährlich, ihr Einsatz werde streng geprüft und überwacht.
Der Nabu ist strikt gegen den Einsatz. Nabu-Chef Enssle fordert vor allem, die gespritzten Polter zu kennzeichnen. Die Substanzen könnten durchaus Reizungen oder allergische Reaktionen auslösen.