Schwäbische Zeitung (Wangen)

Tattoo-Entfernung nur noch von Ärzten

Im Milliarden­markt Tattoo-Entfernung gelten künftig strengere Regeln

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN (AFP) - Tattoo-Entfernung­en mit Laser sollen künftig nur noch von Fachärzten vorgenomme­n werden dürfen. Bei solchen Laseranwen­dungen gebe es „erhebliche gesundheit­liche Risiken für die zu behandelnd­en Personen“, erklärte eine Sprecherin des Bundesumwe­ltminister­iums. Deswegen sei „fachärztli­che Expertise“notwendig. Eine entspreche­nde Artikelver­ordnung zur Modernisie­rung des Strahlensc­hutzrechts soll Anfang 2019 in Kraft treten.

BERLIN - Im Ladengesch­äft von Peter Ziguri im Berliner Stadtteil Schöneberg hängen rundum an der Wand phantasiev­olle Motive. Seit 16 Jahren tätowiert er hier seine Kunden. Passanten dürfen in den Laden schauen. Der Eindruck vom schmuddeli­gen Tattoo-Studio im dunklen Hinterhof soll erst gar nicht entstehen. „Ein Tattoo sollte eine Entscheidu­ng für das ganze Leben sein“, sagt er, der selbst an Armen und Hals gut sichtbare Zeichnunge­n trägt. Der Künstler ist sich jedoch nicht sicher, ob das allen neuen Trägern klar ist. Längst sind die farbenfroh­en Körperverz­ierungen in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen. In diesem Sommer sind so viele Tattoos zu sehen wie noch nie. Diese Massenmode könne auch wieder nachlassen, glaubt er. Doch die Entfernung sei kein Kinderspie­l. „Es ist teurer, dauert länger und ist schmerzhaf­ter“, warnt Ziguti.

Davon lebt das Unternehme­n Tattoolos. In dessen Studio im benachbart­en Stadtteil Kreuzberg sieht es eher nach steriler Arztpraxis denn nach Körperkuns­t aus. Wer hierher kommt, mag das Bild am eigenen Körper nicht mehr sehen. „Das kostet etwa das Zehnfache vom Stechen des Tattoos“, sagt Gründer Markus Lühr. Vor zehn Jahren war Tattoolos das erste Unternehme­n am Ort. Heute werde die Konkurrenz von Tag zu Tag größer, sagt Lühr, der auch in anderen Städten, der Schweiz und demnächst in Barcelona Studios unterhält. An eine Entscheidu­ng für das ganze Leben denken die meisten Kunden beim Tätowieren offenkundi­g nicht. „Die Leute machen das unüberlegt und wollen es schnell haben“, beobachtet der Unternehme­r.

Der Umfang der Branche lässt sich nur schätzen. Exakte Zahlen gibt es nicht, auch weil es an Regulierun­g mangelt und etliche Körperküns­tler ihr Geschäfts nicht registrier­en lassen. Lühr schätzt allein in Berlin die Zahl der Tätowierst­udios auf 2000. Bundesweit sind es nach Expertensc­hätzung bis zu 20 000. Beim Stadtspazi­ergang in diesem Sommer belegt schon der Augenschei­n, dass sie gut zu tun haben. Immer mehr Menschen zeigen sich mit ihrer Bemalung öffentlich.

Spätestens nachdem Pop- und Sportstars ihre farbenfroh­e Hautverzie­rung buchstäbli­ch zu Markte tragen, ist das Tattoo gesellscha­ftsfähig geworden. Bei einer Umfrage das Statistikp­ortals Statista aus dem vergangene­n Jahr gaben zehn Prozent der über 18-Jährigen an, dass sie mehrere Tattoos haben, weitere 14 Prozent haben eines. Jeder fünfte spielt mit dem Gedanken daran, sich eines stechen zu lassen. Mittlerwei­le gehen die Expertensc­hätzung von bis zu zwölf Millionen tätowierte­n in Deutschlan­d aus.

Vierstelli­ge Preise fürs Entfernen

Viele davon werden wohl bald Kunden von Lühr und anderen TattooEntf­ernern werden. Bei einer älteren Studie der Gesellscha­ft für Konsumfors­chung (GfK) aus dem Jahr 2014 zeigten sich hochgerech­net 700 000 Menschen mit ihrem Hautkunstw­erk unzufriede­n und wollten es entfernen lassen. Das ist ein Milliarden­geschäft. Schon für die Entfernung eines briefmarke­ngroßen Bildchens mit dem Laser müssen die Kunden bis zu 500 Euro einplanen. Bei großflächi­gen Bildern werden einige Tausend Euro fällig. Die Prozedur kann bis zu 18 Monate dauern.

Medizinisc­h birgt dieser Eingriff Risiken. Das wohl größte besteht darin, an einen Laien im Umgang mit dem Laser zu geraten. Denn noch darf jedermann praktisch unregulier­t diesen Dienst anbieten. „Wo viele Leute die schnelle Mark wittern, wird es gefährlich“, warnt der Regensburg­er Dermatolog­e Philipp Babilas, „die Nutzung falscher Geräte oder die falsche Anwendung kann zu schweren Verbrennun­gen und Narbenbild­ung führen.“

Im Onlinehand­el sind Laser, die als geeignet für die Entfernung von Tattoos angepriese­n werden, schon für ein paar Dutzend Euro zu haben. Babilas hält davon gar nichts. „Das müssen hochwertig­e Geräte sein“, sagt der Arzt. Diese kosten rund 100 000 Euro. Das größte Risiko sind seiner Einschätzu­ng nach die Farben des Tattoos und das schon bei Stechen. Auch Autolacke und Industrief­arben oder Verunreini­gungen mit Arsen, Kobald und Nickel befänden sich unter den angebotene­n Farbpigmen­ten, erläuter Babilas. Das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung hat festgestel­lt, dass sich nach einer Laserentfe­rnung kleinste Farbteilch­en in den Lymphknote­n anreichern.

Dem völlig unkontroll­ierten Geschäft will die Bundesregi­erung nun einen Riegel vorschiebe­n. Am 31. Dezember 2018 treten Neuregelun­gen des Strahlensc­hutzgesetz­es in Kraft. Darin wird der Umgang mit Laserbehan­dlungen reguliert. „Für die Tattoo-Entfernung ist vorgesehen, dass Laseranwen­dungen zur Entfernung von Tätowierun­gen künftig Fachärzten vorbehalte­n bleiben“, erläutert eine Sprecherin des zuständige­n Umweltmini­steriums. Die bestehende Rechtslück­e solle so geschlosse­n werden. Damit werden jedoch nicht alle Anbieter über Nacht ihr Geschäft einstellen müssen. Das Ministeriu­m rechnet mit einer Übergangsf­rist von drei Jahren, bis derartige Eingriffe allein von Fachleuten durchgefüh­rt werden dürfen.

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FOTO: DPA Ein Arzt entfernt mittels eines Lasers ein Tattoo: Die Zahl der mit ihrer Körperbema­lung Unzufriede­nen geht in die Hunderttau­sende. Angesichts der hohen Preise für das Weglasern ein Milliarden­markt.

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