Das Gift der IS-Propaganda
Hunderte Kinder von Dschihadisten leben in Deutschland – wie der Staat damit umgehen soll, ist umstritten
BERLIN - Ihre Eltern sind Unterstützer des „Islamisches Staats“oder anderer fundamentalistischer Gruppierungen: Mehrere Hundert Kinder in Deutschland wachsen in islamistischen Familien auf, warnt das Bundesamt für Verfassungsschutz in einer neuen Analyse. Behördenchef Hans-Georg Maaßen sieht „ein nicht unerhebliches Gefährdungspotenzial“und sagt, es gebe Anzeichen für eine „schnellere, frühere und wahrscheinlichere Radikalisierung von Minderjährigen und jungen Erwachsenen“. Ihre fortwährende dschihadistische Sozialisation sei „besorgniserregend“.
Laut Verfassungsschutzbericht 2017 befinden sich rund ein Drittel der Personen, die einst nach Syrien oder in den Irak ausgereist sind, inzwischen wieder in Deutschland. Viele Kinder – teils mitgereist, teils dort geboren – wurden einer harten Gehirnwäsche unterzogen: In Videos zeigen sie „ihre Bereitschaft zum Kampf gegen Israel“oder „singen vom Dschihad“. Der IslamistenNachwuchs als Bedrohung: Mit Maaßens Warnung ist auch eine Debatte über Altersgrenzen entbrannt. Sollte der Verfassungsschutz Minderjährige unter 14 Jahre beobachten dürfen? Führende Unionspolitiker fordern genau das, eine Absenkung der bisherigen Altersgrenze.
Die Behörden brauchten „Instrumente, um auch traumatisierte und gewaltbereite Rückkehrer unter 14 Jahren in den Blick nehmen zu können“, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). Den Vorschlag unterstützt der CDUInnenpolitiker im Bundestag, Armin Schuster, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Bisher herrscht in Bund und Ländern ein Kompetenz-Wirrwarr. Seit 2016, als der Bundestag das Schutzalter von 16 um zwei Jahre auf 14 herabgesetzt hatte, dürfen unter 14-Jährige vom Bundesamt nicht überwacht, ihre Daten auch nicht ins Nachrichtendienstliche Informationssystem (NADIS) der Verfassungsschutzämter übertragen werden. Auf Länderebene hat Bayern die Alters grenze für seinen Verfassungsschutz schon gesenkt .2017 befasste sich die Innenminister konferenz von Bund und Ländern damit, allerdings ohne Einigung. Im Koalitionsv ertrag hat sich die Große Koalition auf eine Überarbeitung des Bundes verfassungsschutz gesetzes geeinigt.
Bundes familienministerin FranziskaGiffey( SPD) ist gegen eine Senkung der Altersgrenze. Ihr Sprecher verwies auf die Zuständigkeit der Jugend schutz behörden vor Ort und zahlreiche Prävent ions programme. Die Islam wissenschaftlerin und Relig ions pädagogi nL amyaKaddor hält Überwachung im Kinderzimmer im Zweifelsfall für „richtig und notwendig “.„ Die Verfassungsschutz behörden sollten in begründeten Einzelfällen auch unter 14- jährige Jugendliche aus Islamisten-Familien beobachten dürfen“, sagte sie der „Schwäbischen Zeitung“. Gerade für diese junge Zielgruppe würden massenhaft Propagandafilme produziert und verbreitet.