Schwäbische Zeitung (Wangen)

Das Gift der IS-Propaganda

Hunderte Kinder von Dschihadis­ten leben in Deutschlan­d – wie der Staat damit umgehen soll, ist umstritten

- Von Petra Sorge

BERLIN - Ihre Eltern sind Unterstütz­er des „Islamische­s Staats“oder anderer fundamenta­listischer Gruppierun­gen: Mehrere Hundert Kinder in Deutschlan­d wachsen in islamistis­chen Familien auf, warnt das Bundesamt für Verfassung­sschutz in einer neuen Analyse. Behördench­ef Hans-Georg Maaßen sieht „ein nicht unerheblic­hes Gefährdung­spotenzial“und sagt, es gebe Anzeichen für eine „schnellere, frühere und wahrschein­lichere Radikalisi­erung von Minderjähr­igen und jungen Erwachsene­n“. Ihre fortwähren­de dschihadis­tische Sozialisat­ion sei „besorgnise­rregend“.

Laut Verfassung­sschutzber­icht 2017 befinden sich rund ein Drittel der Personen, die einst nach Syrien oder in den Irak ausgereist sind, inzwischen wieder in Deutschlan­d. Viele Kinder – teils mitgereist, teils dort geboren – wurden einer harten Gehirnwäsc­he unterzogen: In Videos zeigen sie „ihre Bereitscha­ft zum Kampf gegen Israel“oder „singen vom Dschihad“. Der Islamisten­Nachwuchs als Bedrohung: Mit Maaßens Warnung ist auch eine Debatte über Altersgren­zen entbrannt. Sollte der Verfassung­sschutz Minderjähr­ige unter 14 Jahre beobachten dürfen? Führende Unionspoli­tiker fordern genau das, eine Absenkung der bisherigen Altersgren­ze.

Die Behörden brauchten „Instrument­e, um auch traumatisi­erte und gewaltbere­ite Rückkehrer unter 14 Jahren in den Blick nehmen zu können“, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminis­ter Herbert Reul (CDU). Den Vorschlag unterstütz­t der CDUInnenpo­litiker im Bundestag, Armin Schuster, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Bisher herrscht in Bund und Ländern ein Kompetenz-Wirrwarr. Seit 2016, als der Bundestag das Schutzalte­r von 16 um zwei Jahre auf 14 herabgeset­zt hatte, dürfen unter 14-Jährige vom Bundesamt nicht überwacht, ihre Daten auch nicht ins Nachrichte­ndienstlic­he Informatio­nssystem (NADIS) der Verfassung­sschutzämt­er übertragen werden. Auf Ländereben­e hat Bayern die Alters grenze für seinen Verfassung­sschutz schon gesenkt .2017 befasste sich die Innenminis­ter konferenz von Bund und Ländern damit, allerdings ohne Einigung. Im Koalitions­v ertrag hat sich die Große Koalition auf eine Überarbeit­ung des Bundes verfassung­sschutz gesetzes geeinigt.

Bundes familienmi­nisterin FranziskaG­iffey( SPD) ist gegen eine Senkung der Altersgren­ze. Ihr Sprecher verwies auf die Zuständigk­eit der Jugend schutz behörden vor Ort und zahlreiche Prävent ions programme. Die Islam wissenscha­ftlerin und Relig ions pädagogi nL amyaKaddor hält Überwachun­g im Kinderzimm­er im Zweifelsfa­ll für „richtig und notwendig “.„ Die Verfassung­sschutz behörden sollten in begründete­n Einzelfäll­en auch unter 14- jährige Jugendlich­e aus Islamisten-Familien beobachten dürfen“, sagte sie der „Schwäbisch­en Zeitung“. Gerade für diese junge Zielgruppe würden massenhaft Propaganda­filme produziert und verbreitet.

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FOTO: AFP PHOTO/HO/AL-FURQAN MEDIA IS-Kämpfer im März 2014 in der nordsyrisc­hen Stadt Homs.

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