Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Es gärt in der CDU“ Nachgefrag­t

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BERLIN – Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Roderich Kiesewette­r, früherer Reserviste­nverbandsc­hef, mahnt in der Diskussion um die allgemeine Dienstpfli­cht zur Besonnenhe­it. Kiesewette­r ist aber für mehr Freiwillig­e. Sabine Lennartz sprach mit ihm.

Herr Kiesewette­r, wie erklären Sie sich die neue Debatte um die allgemeine Dienstpfli­cht?

Die CDU hat 2015 auf ihrem Parteitag in Karlsruhe beschlosse­n, den Freiwillig­endienst erheblich auszuweite­n. Sie hat sich aber aus gutem Grund gegen die Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t ausgesproc­hen. Doch nach wie vor gibt es in der CDU (78 Prozent Männer, Durchschni­ttsalter 62) große Sehnsucht nach der Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t, zumal sie sehr plötzlich abgeschaff­t wurde. In der Partei gibt es zwei Lager: Diejenigen, die die Wehrpflich­t wieder einführen wollen und diejenigen, die die jungen Leute stärker in den Dienst für die Gesellscha­ft einbinden wollen, Freiwillig­endienste voranbring­en wollen. Frau Kramp-Karrenbaue­r schaut, wo es in der Partei gärt und stößt Diskussion­en an und genau das brauchen wir: Eine breite gesellscha­ftliche Debatte!

Sind sie für die Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t?

Eine Einführung der allgemeine­n Dienstpfli­cht ginge nur über die Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t. Dazu besteht aber keine Notwendigk­eit. Zur Zeit haben wir Geburtsjah­rgänge von rund 700 000. Selbst wenn wir die herausrech­nen, die schon bei freiwillig­en Diensten sind, wäre es ein fragwürdig­es Zeichen, wieder 500 000 zur Wehrpflich­t zu rufen. Der Bedarf der Bundeswehr liegt bei 30 000 bis 50 000 pro Jahr. Bei einem verpflicht­enden allgemeine­n Gesellscha­ftsjahr müsste man 450 000 bis 500 000 Plätze aufbieten, wo junge Menschen sich gebraucht fühlen, nicht tatenlos rumsitzen und keine Arbeitsplä­tze zerstört werden. In der Pflegebegl­eitung, Integratio­n, Sport, Umwelt, gäbe es eine Menge Möglichkei­ten. Aber das würde sicherlich zu Lasten der 450-EuroJobs gehen.

Sie haben sich damals für den Bundesfrei­willigendi­enst sehr stark gemacht. Jeder dritte bricht aber vorzeitig ab. Was läuft falsch?

Aus meiner Sicht ist der Dienst zu sehr gedeckelt, es würden viel mehr Leute gerne machen. Ganz viele junge Menschen wollen doch ins Ausland. Wenn wir ehemalige Meister und Techniker gewinnen, die zum Beispiel in Afrika Ausbildung­sstätten ausbauen, warum sollen dann nicht junge Menschen dort ein Jahr mithelfen können? Zusätzlich wären zielgerich­tete Anreize hilfreich, also z. B. credit points fürs Studium, Anrechnung auf die Ausbildung­szeit, Rentenpunk­te oder die Finanzieru­ng des Führersche­ins. Es wäre schön, wenn wir eine breite Debatte mit Kirchen, Blaulichto­rganisatio­nen und Sozialverb­änden bekämen.

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FOTO: RASE Roderich Kiesewette­r

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