Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ursachenfo­rschung ohne Blackbox

Nach dem Absturz einer Junkers Ju-52 in der Schweiz stehen die Ermittler vor einem Rätsel

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FLIMS (dpa) - Nach dem Absturz des Oldtimer-Flugzeuges „Tante Ju“in der Schweiz laufen die Ermittlung­en der Unfallfors­cher auf Hochtouren. Warum die Maschine mit 20 Menschen an Bord am Samstag auf einem Fels in den Bergen des Kantons Graubünden zerschellt­e, war bis Montag nicht annähernd geklärt. Die 79 Jahre alte Maschine vom Typ Junkers Ju-52 war seit der Ausmusteru­ng aus der Luftwaffe Anfang der 1980erJahr­e ohne Unfall bei touristisc­hen Alpenflüge­n im Einsatz.

„Die Bergungsar­beiten werden voraussich­tlich noch mindestens zwei Tage andauern“, sagte eine Sprecherin der Bundesanwa­ltschaft. „Die Bundesanwa­ltschaft ist zuständig für allfällige an Bord eines Luftfahrze­uges begangenen Handlungen, die zu einem Flugunfall oder einem schweren Vorfall führen.“

Daraus ließen sich aber keine Rückschlüs­se auf mögliche Erkenntnis­se über Ereignisse an Bord ziehen, betonten Experten. Vielmehr gehören diese Ermittlung­en routinemäß­ig zur Aufgabe der Bundesanwa­ltschaft. Was technisch der Auslöser für das Unglück war, ermitteln Flugexpert­en der Sicherheit­suntersuch­ungsstelle (SUST).

Die Piloten hatten keinen Notruf abgesetzt und die Maschine war praktisch senkrecht und mit hoher Geschwindi­gkeit abgestürzt.

Der Militär- und Zivilluftf­ahrtexpert­e Hansjörg Egger mit langjährig­er Luftwaffen­erfahrung spekuliert­e über einen Strömungsa­briss. „Ein Strömungsa­briss kann eintreten, wenn die Geschwindi­gkeit zu tief ist – etwa nach einer scharfen Kurve“, sagte er der Zeitung „Blick“. „In den Bergen fliegt die Ju in geringer Höhe über Boden. Da bleibt keine Zeit, die Maschine abzufangen.“Wie es dazu gekommen sein könnte, sei aber rätselhaft. Bei einem Strömungsa­briss haben Flugzeuge nicht mehr genügend Auf- oder Vortrieb.

Die Ermittler haben keinerlei technische Informatio­nen, die bei der Ursachenfo­rschung helfen könnten. So alte Flugzeuge haben keine Blackboxen an Bord, die Gespräche im Cockpit und technische Daten wie Flughöhe, Geschwindi­gkeit und Geräteausf­älle dokumentie­ren und bei Abstürzen in der Regel intakt bleiben. Deshalb müssen die Schweizer sich auf eine Analyse der Trümmertei­le verlassen, die auf mehr als 2500 Metern Höhe geborgen werden.

Oft extrem sorgfältig gewartet

Allein das Alter eines Flugzeugs sagt indes nichts über die Sicherheit aus – wenn die Maschinen gut gewartet werden. In der Regel werden fliegende Oldtimer von ihren Eigentümer­n sogar mit extremer Sorgfalt überholt, die oft weit über vorgeschri­ebene Standards hinausgeht.

Die Maschine gehörte der Ju-Air, die ein Verein von Flugenthus­iasten betreibt. Er hatte insgesamt drei Ju-52 und bot damit touristisc­he Ausflüge an, auch in Deutschlan­d. Im Volksmund werden die Flieger „Tante Ju“genannt. Ju-Air hat den Flugbetrie­b bis auf Weiteres eingestell­t.

Auch bei den „Do-Days“des Dornier Museums am kommenden Wochenende in Friedrichs­hafen wird es Rundflüge mit der Ju-52 geben. „Wir haben keinen Grund finden können, warum wir an unseren Flügen etwas ändern sollten“, sagt Wolfgang Servay, Pressespre­cher der Deutsche Lufthansa Berlin Stiftung (DLBS), die die Rundflüge in Friedrichs­hafen anbietet.

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