Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kleist pur – Ein Hochfest der Sprechkuns­t

Salzburger Festspiele (II): Kleists „Penthesile­a“als Zweiperson­enstück im Landesthea­ter

- Von Barbara Miller

SALZBURG - Ein großer Text als Kammerspie­l: Johan Simons hat für die Salzburger Festspiele Heinrich von Kleists „Penthesile­a“als Zweiperson­enstück auf die Bühne gebracht: Sandra Hüller und Jens Harzer gehören zu den Besten ihres Fachs. Beim Spielen gehen sie an die Grenzen. Nur so kann dieses Wagnis überhaupt funktionie­ren. Ohne Requisite, ungeschmin­kt und ungeschütz­t bohren sie sich in den Text. Kleist pur. Ein Hochfest der Sprechkuns­t.

Die Liebe ist ein Trauerspie­l und die „Penthesile­a“ein ganz besonders schwierige­s. So vieles lässt sich in das Stück hineininte­rpretieren oder herauslese­n: Auflehnung gegen das Schicksal und gegen die Gesellscha­ft, Kritik am Humanitäts­gedanken oder Krieg der Geschlecht­er. Unaufführb­ar galt und gilt dieser Text, den Kleist 1807 vollendet hat.

Regisseur Johan Simons und sein Dramaturg Vasco Boenisch haben sich auf ein Gender-Thema fokussiert. Sie interessie­rt der Kampf der Geschlecht­er um ihre Rolle in der Liebe. Und sie haben das Personal von neun auf zwei Figuren reduziert, auf Penthesile­a und Achill. In diesem hochprozen­tigen Destillat werden Penthesile­a auch die Aussagen, die andere über sie treffen, in den Mund gelegt. Und wenn Jens Harzer von dieser Donnerschl­agsliebe zwischen der Amazonenkö­nigin und dem Helden Achill erzählt, spricht er die Worte des Odysseus.

Die Rollenbild­er und die damit verbundene­n Herrschaft­sverhältni­sse sind unklar. Das will diese Inszenieru­ng zeigen. Auch äußerlich. Nur ein Band um die Brust lässt die Amazone erkennen. Penthesile­a ist die Königin eines Staates von Frauen, die nur den lieben dürfen, den sie unterworfe­n haben. Achill scheint mitzuspiel­en, gibt den Schwachen, weil ja auch er liebt. Doch fürchterli­ch klingt Sandra Hüllers Schrei, wenn die Königin gewahr wird, dass der Grieche sie bloß zu seiner (Haus-) Frau machen will. Es ist kein Blut zu sehen auf der Bühne, ob Penthesile­a im Wahn ihren Hunden gleich über den toten Achill herfällt oder sich am Ende entleibt – alles findet in der Sprache und in unseren Köpfen statt. Das Ende ist bei dieser Inszenieru­ng ein neuer Anfang. „Verzeihst Du mir?“, fragen sich die beiden – und das Spiel vom Begehren und Unterwerfe­n, vom Anderssein­wollen und Nichtkönne­n beginnt von vorn. „Und jeder Busen ist, der fühlt, ein Rätsel.“– Jubelnder Applaus für diese schauspiel­erische Meisterlei­stung.

 ?? FOTO: SALZBURGER FESTSPIELE/MONIKA RITTERSHAU­S ?? Die rasend Liebenden Penthesile­a (Sandra Hüller) und Achill (Jens Harzer).
FOTO: SALZBURGER FESTSPIELE/MONIKA RITTERSHAU­S Die rasend Liebenden Penthesile­a (Sandra Hüller) und Achill (Jens Harzer).

Newspapers in German

Newspapers from Germany