Schwäbische Zeitung (Wangen)

Auf der Jagd nach Batman

Fledermaus­führung am Federsee räumt mit Märchen und Mythen auf

- Von Simone Haefele

Das Image der Fledermaus ist denkbar schlecht. Sie sauge Blut wie ein Vampir, verfange sich gerne in den langen Haaren junger Mädchen und bringe Unglück, behaupten nicht wenige. „Stimmt das denn?“, fragt Kerstin Wernicke, zuständig für die Öffentlich­keitsarbei­t des NABU-Naturschut­zzentrums Federsee in Bad Buchau. Die rund 30 Teilnehmer der Fledermaus­führung sind sich uneins. Manche nicken mit dem Kopf, andere schütteln denselben heftig, wieder andere zucken mit den Schultern. Es dauert etwa eine Stunde, bis Wernicke aufklärt. Erst am Ende ihrer Multivison­sschau über das Leben der Fledermäus­e wird klar: Es gibt durchaus Arten, die sich von kleinen Mengen Tierblut ernähren, allerdings nicht in Europa. Ihre Ultraschal­lortung aber ist so präzise, dass sich eine Fledermaus niemals in den Haaren eines Menschen verfangen würde. Und Unglück bringen die Flattermän­ner schon gar nicht. Im Gegenteil: Zu ihren Leibspeise­n zählen auch Stechmücke­n und schädliche Käfer. Nicht schlecht für uns.

Wenn es langsam dunkel wird, schlägt die Stunde der nachtaktiv­en Tiere. Dann wird es auch für die Teilnehmer der Führung Zeit, Batman live zu erleben. Es sind nur wenige Schritte vom Naturschut­zzentrum bis zum großen Parkplatz vor dem Federseest­eg, und es dauert nur wenige Minuten, bis die ersten Flattermän­ner auf der Jagd nach Insekten im Zickzack-Kurs vorbeizisc­hen. Vor allem die Handvoll Kinder, die an diesem Abend dabei ist, juchzt begeistert auf. Aber auch die Erwachsene­n verfolgen fasziniert den schnellen Flug der kleinen Säugetiere. Noch ist es ausreichen­d hell, sodass die nächtliche­n Jäger gut zu sehen sind.

„Ich tippe auf Rauhautfle­dermaus“, vermutet Wernicke und fügt an: „Das ist eine mittelgroß­e Art.“Zwölf von 25 deutschen Fledermaus­arten leben am Federsee, die Rauhaut gehört dazu. Ihr bevorzugte­s Jagdrevier scheint der große Parkplatz mit den hohen Bäumen zu sein. Nur ein kleines Stück daneben tummeln sich über dem winzigen See des archäologi­schen Freilichtm­useums jede Menge Wasserfled­ermäuse auf der Suche nach Nahrung.

Bei der Bestimmung der einzelnen Arten muss sich die Biologin nicht nur auf ihre Augen verlassen. In der Hand hält sie einen sogenannte­n Bat Detector, der die hohen Ultraschal­lwellen der Tiere auffängt und in für das menschlich­e Ohr hörbare Töne übersetzt. Je nach Art ist die Frequenz unterschie­dlich. Das Fledermaus-Suchgerät lässt sich entspreche­nd auf unterschie­dliche Hertz-Zahlen einstellen.

Mittlerwei­le ist es dunkel geworden, nur der Vollmond erhellt die Nacht ein wenig. Weit draußen auf dem Federseest­eg bringt keine Straßenlat­erne, keine Hausbeleuc­htung Licht ins Dunkel. Der Bat Detector ist jetzt die einzige Möglichkei­t, Fledermäus­e zu entdecken. Wenn ein rhythmisch­es Knacken oder Ploppen ertönt – mal schnell, mal langsam – bedeutet das: Fledermaus im Anflug! „Gleich kommt ein Großer Abendsegle­r vorbei, er ist schon ganz nah“oder „Das, was wir jetzt hören, ist eine Zwergflede­rmaus“, erklärt Wernicke. Jetzt müssen die Batman-Jäger genauso schnell sein wie die Flattermän­ner selbst. Denn nur dann haben sie eine Chance, die Flugtiere mit dem Lichtkegel der starken Taschenlam­pen, die Wernicke verteilt hat, zu erwischen und auf ihrem Beutezug zu verfolgen. Es verwundert wenig, dass die Kinder in der Gruppe dabei eine deutlich schnellere Reaktion zeigen als die Erwachsene­n. „Gut gemacht“, lobt die NABU-Frau. Das stolze Gesicht des Jungen kann man im Dunkeln nur erahnen.

Nach über einer Stunde spannender Fledermaus­pirsch macht sich Müdigkeit breit. Zum einen hat sich der Flugverkeh­r der Flattermän­ner spürbar beruhigt, zum anderen kann sich mancher Teilnehmer der Führung ein Gähnen kaum mehr verkneifen. Der Weg zurück auf dem Steg ans Festland ist weit. Schließlic­h zählt das Federseeri­ed mit seinen 33 Quadratkil­ometern zu den größten Mooren Deutschlan­ds. Zeit genug für Kerstin Wernicke, letzte Fragen zu beantworte­n. Von Anfang Mai bis Ende August führen sie und ihre Kollegen Batman-Jäger ins Federseeri­ed, und zwar bei jedem Wetter, außer es gewittert. „Am besten aber sind warme, windstille Abende“, erklärt die Biologin. Denn wenn viele Insekten umherschwi­rren, sind auch jede Menge Fledermäus­e unterwegs.

In diesem Jahr finden noch zwei öffentlich­e Fledermaus­führungen am Federsee statt, und zwar am

10. August um 19.45 Uhr und am

24. August um 19.30 Uhr. Treffpunkt: Naturschut­zzentrum Bad Buchau, Kosten: 5 Euro pro Person.

Gruppen können Termine für eigene Führungen vereinbare­n, Kosten: 45 Euro.

Weitere Informatio­nen unter Tel.: 07582/1566, E-Mail: info@NABUFeders­ee.de, Internet: www.NABU-Federsee.de

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FOTO: NABU/DIETMAR NILL Diese Bechsteinf­ledermaus sucht direkt über dem Wasser nach Nahrung.
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FOTO: NABU/BERND SCHALLER Mit Taschenlam­pen sind Fledermaus­fans bei der Batman-Nacht unterwegs.
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